Schatten der Gier Kritik an einer Wirtschaftsform

Hannes Letsch17 Minuten Lesezeit

Übersicht
Damon Westenhofer

Im Jahre 2770 kam ein geflügeltes Wesen über die dürren Heiden. Es roch förmlich das schillernd Glitzernde, das versteckt im Schatten eines Berges lagerte, gefertigt von vielen kleinen, emsigen Händchen, die unter Anweisung ihres Chefs alles daransetzten, soviel wie möglich davon zu produzieren – komme was wolle. Der Name des Wesens war nicht nur ob dessen Gestalt nicht wirklich verwunderlich, verkörperte es doch genau das, für was es stand: Leise in der Luft, mächtig im Ansehen und dessen, was es vermag auslösen und zu zerstören, dennoch schlängelnd, langezogen sich in jedes kleine Loch drückend, hörte dieses fliegende Unheil auf den Namen „Smaug“, abgeleitet von „smugan“, dem heutigen „sich schmiegen“. Erebor sein Ziel, das Dorf Thal reine Formsache, der unermessliche Reichtum des Königreichs unter dem Berge war sein. So elegant mehrschichtig und gehaltvoll der Autor dieser Szene namens J.R.R. Tolkien dieses Bild aufbaut, so passend ist dieses Bild auf eine momentane Entwicklung und Dynamik, in der es nicht schwerfällt, die Rollen, die in der beschriebenen Szene zu besetzen sind, neu zu vergeben. Es ist eine Mixtur, bestehend aus psychologischen Phänomenen, wie der Gier und Personen, die durch ihre Motivationsmuster als Publisher, Käufer, Journalisten und Entwickler bezeichnet werden.

Das Leid, das „Smaug“ in Erebor verursachte, war die Konsequenz einer langen Entwicklung, die mit dem König begann und von keinem, egal ob im Dorf Thal von außen oder von innen seitens der Zwerge aufgehalten wurde. Auch dies konnte und kann man in einer schier lückenlosen Entwicklung in der Videospielindustrie beobachten. Dazu zählt der Rechteinhaber, der einige aus Tolkiens Feder stammende Werke sein Eigen nennen darf, ironischer Weise aber genau das praktiziert, wovor Tolkien mit „Smaug“ warnen möchte. Mit „Middle-Earth: Shadow of War“ gelang es Warner Bros. Interactive Entertainment von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten. Beiläufig präsentierte man dadurch die dahinterstehenden Strategie und Ziele ohne Anzeichnen der Verschleierung vor der Öffentlichkeit. Seit der Ankündigung 2017 schaffte es der Publisher den Ruf des Spiels bis September derart zu ruinieren (siehe Lootbox-System und verfehlte DLC Politik zu Ehren des verstorbenen Entwicklers Michael Forgey), sodass daraus eine grundlegende Diskussion sich zu entspinnen beginnt, die genereller Natur ist, weil es um die Rahmenbedingungen geht, auf denen ein Videospiel fußen muss, um eine gesunde, das heißt nicht negativ wahrgenommene Videospielindustrie nachhaltig zu etablieren. Dabei soll anhand von Monoliths Werk exemplarisch dargelegt werden, was momentan verstärkt in den Markt gepresst wird: Eine subtil mitschwingende, ausbeuterische Taktik, um Kosten zu egalisieren oder/und Überschüsse auszuweiten: Lootboxen.

Die wirtschaftliche Sicht, Verknappung und Ziele

Knappheit ist ein zentrales Konzept in jedem erdenklichen, realen Wirtschaftssystem. Etwas existiert in einer geringeren Anzahl als tatsächlich benötigt, um die gegenwärtig existierende Nachfrage zu befriedigen. Der Grad der Begierde korreliert mit den Preisen. Diese Verknappung scheint auf den ersten Blick in digitalen Hemisphären hinfällig. Bits kennen keine Knappheit, denn Informationen lassen sich beliebig oft duplizieren. Einer der ältesten Fälle namens „ICQ“ beweist jedoch Gegenteiliges. Wirtschaftsräume können auch im Virtuellen entstehen und immense Geldvolumen repräsentieren: Zwischen 1996 und 2001 stieg die Nutzerzahl des Messengerdienstes auf 100 Millionen Nutzer weltweit an. Die ursprünglich konzipierten, fünfstelligen Profilnummern reichten nicht mehr aus und mussten ab 2001 auf neun Stellen erweitert werden. Derjenige, der bereits eine fünf- oder sechsstellige Nummer besaß, konnte sich glücklich schätzen, einen Platz in ICQs Datenbank sicher zu haben, der mit der steigenden Anzahl der Nutzer immer rarer wurde. Die Konsequenz: Profilnummern wie etwa „11111111“ wurden für 3000 Dollar und mehr zum Verkauf angeboten.

Was damals von den Entwicklern des Messengerdienstes gar nicht beabsichtigt war, ist heute ein wesentliches Ziel innerhalb virtueller Wirtschaftsräume. Es geht allerdings nicht primär darum, auf direktem Wege beträchtliche Erlöse zu erwirtschaften, sondern um etwas viel Subtileres, gleichsam genauso Mächtiges: Das Erregen, Halten und Verwalten von Aufmerksamkeit; Das Belohnen von Partizipation und weitergetragenen Empfehlungen; Das Binden der Benutzer an eine Plattform oder das Herumführen um diese mit dem Ziel, einer anderen beizutreten. „Guter“ Videospielinhalt ist aus Sicht eines wirtschaftenden Publishers somit ausreichend definiert. Es sind Elemente respektive Bestandteile eines Videospiels, die effektiv Spieler anziehen. Effektivität bedeutet aber nicht zwangsläufig auch Spaß oder Zufriedenheit. Der moralische Wert eines Videospielinhaltes kann ab und an stark vom ökonomischen Wert abweichen. Auf diese Erkenntnis stützen sich gemäßigtere Stimmen im hitzigen Diskurs um Lootboxen. Sie fordern Geduld, weil der moralische Wert dem ökonomischen ebenbürtig gegenüberstehe und der Richter, gar Niederstrecker der Idee „Lootbox“ sein werden.

  • Modell Teil 1
  • Modell Teil 2

Reduziert auf Wesentliches ergibt sich somit für Triple-A Publisher ein Modell tatsächlicher Ertragschancen (Lehdonvirta & Castronova, 2014). Man begann (gezwungenermaßen) in den letzten Jahren die verschiedenen, bereits bekannten Wirtschaftsmodelle, die von „Free to Play“ Modellen (siehe „Battleborn“ (Gearbox, 2016) oder „Evolve“ (Turtle Rock Studios, 2015) bis hin zum klassischen Vollpreisspiel reichen, am Markt zu eruieren. Auch „Middle-earth: Shadow of War“ bildet keine Ausnahme, ist vielmehr gar ein Spiegelbild des Prozesses, denn Monolith Productions Werk ist geradezu vollgestopft mit verschiedenen Spielmechaniken und Mikrotransaktionsarten, die eigentlich entweder einem „Free to Play“ Konzept oder einem Vollpreisspiel zugeordnet werden. Das Spiel erweckt den Eindruck eines Experiments am Markt, um Einblicke zu gewinnen, welche Spielmechaniken und Kaufoptionen nachhaltig wirken und welche nicht; die Suche nach dem perfekten Hybrid. Der mitschwingende Vorwurf der schieren Geldgier resultiert dabei aus dem Versuch, das im obigen Modell integrierte „Entweder-oder“ durch ein „Und“ zu ersetzen, sodass die bisher bekannten Ertragsgrenzen gesprengt werden können.

Entscheidungsmechanismen: Sind Lootboxen tückisch?

Triple-A Publisher wissen um ihre Käufer und haben sicherlich ausgebildete Psychologen im Hintergrund, die ihnen erklären, wie die menschliche Psyche funktioniert und überlistet werden kann. Sie kennen deren Gepflogenheiten, Vorlieben und vor allem auch Schwächen. Die Tatsache, dass fast alle großen Videospieltitel ähnlich einer Datenkrake anonymisiert Unmengen an Informationen ermitteln, öffnet nicht nur der Spieloptimierung pro Spielspaß Tür und Tor, sondern erlaubet auch Marktanalysen, die sich auf Probandenzahlen stützen, von denen viele unabhängige Wissenschaftler nur träumen können. Die Frage, ob ein Lootboxsystem hinterrücks psychologische Automatismen anvisiert, ist nicht einfach zu beantworten.

Fest steht: Wer Kunden binden will, muss verstehen, wie Kaufentscheidungen entstehen und wie diese beeinflussbar und steuerbar sind. Lootboxen oder DLCs sind somit nur dann bewertbar, wenn man die Mechanismen hinter einer Kaufentscheidung versteht. Das Konzept der rationalen Entscheidungen kann einen gewissen Prozentsatz getätigter Käufe erklären. Diese Art der Entscheidungen basieren wiederum auf der Idee der Präferenz beziehungsweise des Vorzugs. Wesentliche Faktoren, die vorgeschaltet wirken und im Zusammenspiel an einer Entscheidung beteiligt sind, lauten:

  • Nützlichkeit: Das wiederholte Konsumieren des exakt gleichen Produkts senkt die Präferenz für dieses Produkt mit jedem Durchlauf.
  • Alternativen: Die Breite der Auswahlmöglichkeit lässt eine Vorhersage entstehen. Je weniger Alternativen, umso sicherer wird eine Vorhersage
  • Konsequenzen: Geld lässt sich nicht zweimal ausgeben. Je mehr Alternativen existieren, desto eher werden die dahinterstehenden Kosten berücksichtigt. Die Entscheidung für eine Alternative bedeutet automatisch den Ausschluss des Restes.

Weitere Mechanismen, die man als „irrational“ etikettieren würde, beleuchten Automatismen, die nicht mit logischen Denken begründbar sind, allerdings mehr oder weniger auf Emotionen und/oder sozialen Einflussfaktoren beruhen.

  • Die Unmittelbarkeit eines Kaufes scheint reizvoller zu sein als das ökonomische Kalkül. Viele präferieren den sofortigen Besitz als abzuwarten. Das dahinterstehende Konstrukt der Selbstkontrolle beschreibt eine ganze Palette an „irrationalen“ Entscheidung. Extremformen bilden dabei die Süchte. Zu wissen, was das Sinnigste ist, bedeutet nicht, dass diesem Wissen auch nachgegangen wird.
  • Irrelevante Alternativen haben einen Einfluss. Paradoxer Weise beeinflusst eine Zugabe, die nichts mit der Präferenz zu tun hat, diese trotzdem. Ein wesentliches Beispiel aus der Wissenschaft ist etwa der Umstand, dass es logisch keine Auswirkung hat, in welcher Reihenfolge Kandidaten auf einem Stimmzettel stehen. Die Forschung bewies aber bereits das Gegenteil (Salant & Rubinstein, 2008).
  • Die Status-quo-Verzerrung: Der Status quo wird gegenüber einer Veränderung bevorzugt.

Allen sechs Beobachtungen ist gemein, dass sie aus einer gewissen Heuristik heraus entstehen und nicht gänzlich auf individueller, sondern auch auf sozialer Ebene. Wann auch immer man vor einer Entscheidung steht, versucht man ähnliche Situationen in seiner Erinnerung zu suchen, um diese zur Grundlage der zu tätigenden Auswahl zu machen. Es ist dabei nicht entscheidend, ob die erinnerte Situation logisch durchzogen ist oder nicht. Instinkt und Gelerntes ergeben kombiniert eine Präferenz, die durchaus „irrationaler“ Natur sein kann.

An diesem Punkt beginnt das eigentliche Schlamassel. Während Erweiterungskäufe in Videospielen durchaus mit rationalen Entscheidungsformen begründbar sind, erlaubt die Theorie solch ein Erklärungsmuster für Lootboxen nicht. Die Tatsache, dass man die sprichwörtliche „Katze im Sack“ kauft, lässt eine Nützlichkeitsrechnungen nicht zu. Die Konsequenzen des Kaufs verharren fast gänzlich im Konjunktiv. Kaufalternativen gibt es nicht. Lootboxen basieren somit rein auf „unterbewussten“ Mechanismen. Die Attraktivität speist sich dabei, aus mehreren Aspekten:

  • Sie sind soziale Marker, denn sogenannte Skins, ausgefallene Avatare und so weiter haben ihre Nützlichkeit in der Präsentation gegenüber Mitspielern.
  • Sie lassen kurzfristig Freude entstehen, vor allem wenn es sich um einen verknappten Inhalt handelt.
  • Sie erfüllen gewisse Bedürfnisse temporär, vor allem in Mehrspieler-Titeln: Sie bedeuten Exklusivität bis hin zu sozialem Status, symbolisieren eine gewisse Mitgliedschaft innerhalb der Spielerschaft und ermöglichen einen virtuellen Selbstausdruck qua Spielfigur genauso, wie das simple Bedürfnis des Sammelns von Gegenständen und Inhalten bis schließlich die „100%“ Anzeige erreicht ist.

Eine weitere Möglichkeit den Anreiz eines Kaufs zu erhöhen, sind personalisierte Kaufpreise. Die erwähnte Datenkrake kann dazu verwendet werden, über Parameter festzustellen, wann und wie das jeweilige Spiel dem jeweiligen Smartphone- oder Konsolenbesitzer präsentiert werden muss, um höchstwahrscheinlich einen Kauf zu initiieren. Die Tatsache, dass ein Markt für solche Dienstleistungen existiert, deutet zumindest darauf hin, dass Publisher nicht gewillt sind, allein auf das Prinzip der freien Kaufentscheidungen zu bauen. Es braucht mehr als das, wie beispielsweise das Werbevideo von Scientific Revenue zeigt.

Bestehendes Gesetze und Wissen: Eindeutigkeit und Lücken

Die Gesetzeslage in Deutschland berücksichtigt Videospiele nicht explizit. Allerdings ist das Thema Glücksspiel somit nicht vom Tisch. Es hängt mitunter allein an dem Wort „Gewinn“, das darüber entscheidet, ob ein Videospiel auch als Glücksspiel qua Definition anerkannt wird:

Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist […]

– GlüStV, Fassung bis 30.06.2021

Man wagt nicht daran zu denken, dass die steile These, dass Publisher wie auch Entwickler bezüglich der Thematik „Lootbox“ nicht wissen, was sie alles dadurch anrichten, irgendeine Gültigkeit besitzt. Die Art und Weise, wie das Thema bisher vermarktet, präsentiert und behandelt wird, lässt die Steilheit allerdings zusehends abflachen. Die psychologischen Mechanismen, die das Belohnungssystem des menschlichen Gehirns beschreiben, sind feste, evolutionspsychologisch fundamentale Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten und Handeln (Skinner, 1948). Sich anbahnende Überraschungsmomente bergen eine hohe Aufmerksamkeit gepaart mit einer Erwartungshaltung (Holland & Skinner, 1974). Sofern eine Lootbox eine Person positiv überrascht, wird diese Spielmechanik positiv verstärkt – die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Kaufs steigt (positive Verstärkung). Erscheint nicht das Gewünschte oder das minimal Erwartete wird ein Teil gefrustet keinen weiteren Kauf tätigen, der andere Teil versucht das aversive Gefühl durch Belohnung zu bekämpfen respektive zu kompensieren (negative Verstärkung). „Aber jetzt! Die nächste Box bringt mir das, was ich haben will“, bedeutet den Einstieg in eine gefährliche Endlosschleife, die nicht für den eigenen Geldbeutel, sondern auch im Hinblick auf Suchtgefahren hin, öffentlich wahrgenommen und behandelt werden muss. Die Aussagen der Publisher und Entwickler sowie der zuständigen Kontrollbehörden, lassen momentan eher vermuten, dass sie nicht ganz genau abschätzen können, mit welchen psychologischen Dynamiken sie tatsächlich hantieren. Das „Wie“ reicht jedenfalls nicht aus, um zu verstehen, was man selbst praktiziert. Das „Warum“ ist diesbezüglich eminent wichtig.

Digitale Kriegsschauplätze, deren Auswirkungen und Ausrichtung des Kontexts

Das im Video erwähnte Beispiel namens „Scientific Revenue“ ist laut Dr. Klaus Hommels ein Sinnbild für eine momentan sich entfaltende Entwicklung, die er als „digitale Kriegsschauplätze“ bezeichnet (Vortrag auf dem 41. Mediengipfel am 09.10.2017).

Dr. Klaus Hommels: Der verpasste deutsche Einflussbereich in die gegenwärtige globale Digitalwirtschaft.
media:net berlinbrandenburg, YouTube, 2017

Dieser Titel repräsentiert nicht den Verlust des Anschlusses an den Wettbewerb, sondern einen gewissen „Konsumentenkrieg“. Die Sammlung von Daten zur Steuerung des Konsumentenverhaltens und der Konsumentenbindung ist ein Kampf verschiedener Konzerne untereinander. Loyalität des Spielers ist die begehrte, begrenzt vorhandene Ressource, die es gilt zu gewinnen. Die Frage nach dem Spielspaß wird (leider) nur im Hinblick auf die Aggregierung von Anhängern gesehen. Das Wesentliche eines Spiels verkommt in dieser wirtschaftlichen Auffassung im Gerangel um die Gunst des Käufers zu einem Mittel zum Zweck. Auch Warner Bros. Interactive Entertainment ist sich offenbar dieser wichtigen Ressource bewusst und weiß, wie man sie für sich gewinnen kann und hält. Das mittlerweile negativ konnotierte Wort „DLC“ wurde beispielsweise vor Veröffentlichung von „Middle-earth: Shadow of War“ nicht in den Mund geben. Man gab schlichtweg keinerlei Auskunft darüber, ob es DLC-Inhalte geben wird oder nicht. Erst viel später, nachdem man sich sein konnte, den Loyalitätsbogen nicht überspannen zu können, präsentierte man „die“ Zukunftspläne zum Spiel.

Das mögliche Kulturgut, das Monolith Productions im Kern entwickelt, wird letztendlich vom dahinterstehenden Publisher missbraucht, denn Lootboxen sind in ihrer momentanen Implementation dem Spiel oder Spielspaß nicht dienlich. Sie sind, neben anderen seltsamen Entscheidungen im Spiel reine Unterstützer der Abhängigkeit des Spielers gegenüber dem Franchise. Zurück bleibt die Spielidee, sowie die Inhalte die Tolkiens Werke verkörpern.

Generell bekommen diejenigen, die viel Wert auf die Authentizität zu Tolkiens Werken legen im „Middle-earth: Shadow of War“ das blanke Grauen serviert. Dass das Spiel an vielen Stellen mit Tolkiens Geschichten und den grundlegenden Ideen bricht, ist per se nicht schlecht. Aber: Seltsame Entscheidungen bezüglich Shelob, die in eine Lady Femme fatale mit unnatürlichen Proportionen verwandelt wird, um den generischen Waldläufer Talion zu bezirzen, sind nicht nachvollziehbar. Die weibliche Figur ist klar als Verkaufsargument gedacht, denn es gibt keinerlei narrative Notwendigkeit hinter dieser plötzlichen Verwandlung – eine Vollkatastrophe des Spiels. Shelob ist als Riesenspinne bekannt, auch aus dem ersten Titel. Weder eine Spielmechanik noch die Geschichte und deren Entwicklung können diesen Kniff rechtfertigen. „Middle-earth: Shadow of War“ hätte genauso funktioniert, wäre sie einfach eine Riesenspinne geblieben.

Seltsame narrative Entscheidungen, die langweilig aalglatte Gestaltung der Charaktere, Lootboxen, DLCs und so weiter bilden eine zu dicke Decke, die die Freiheiten, die ein Entwicklerteam benötigt, um Spielspaß qua guten, sinnhaft zusammenhängenden Spielmechaniken zu generieren, zu ersticken vermögen. Die Entwicklung, die in der Triple-A Industrie immer mehr Fahrt aufnimmt, raubt den Werken am Ende die Seele. Die Frage, warum dennoch diese Spiele finanziell erfolgreich sind, muss gestellt und beantwortet werden. Was sieht der Käufer eigentlich? Sieht er nur das, was das Spiel verspricht und versteht seine bewusst unterfordernde Rolle in dieser Dynamik gar nicht? Inwieweit herrscht eine Transparenz hinsichtlich der Genesis eines Spiels und dessen, was durch Marketing exponentiell dimensioniert in den Markt gedrückt wird? Verspürt er nur das Kurzfristige, das heißt die Belohnung im Spiel? Hängt der Spieler dabei auch an demjenigen, der diese Produkte verpackt und bedruckt hat? Vertraut er ihm sozusagen blindlings?

Die Suche nach notwendigen Grenzen

Diese Fragen sind nicht nur vom deskriptivem Wert. Sie sind nicht nur Teil unnützen Wissens, sondern wichtige Eckpfeiler, deren Antworten die Laufrichtung der Industrie vorgeben müssen. Ist das Verhältnis zwischen Spielendem und Produzierendem gestört, zerfällt es irreparabel. Darauf zu bauen, dass Konsumenten tückisch in Trance bezirzt werden können, um ihnen klammheimlich das Geld durch die Ausnutzung psychologischer Mechanismen aus der Tasche zu ziehen, ist blauäugig, weil der Spieler dies früher oder später spüren wird. Auf etwas zu bauen, das auf Messerschneide tänzelnd über das Wohl und Weh einer gesamten Industrie entscheidet, ist zu riskant, zumal auch ein Warner Bros. Interactive Entertainment dadurch an einem Ast sägt, auf dem Publisher und Studio gemeinsam sitzen. Die Idee „Lootbox“ ist per se nicht schlecht, weder moralisch noch wirtschaftlich. Die momentane Praxis und der Umgang mit dieser Idee sind problematisch, denn wenn der Käufer sich veräppelt oder ausgenutzt fühlt, ist der sprichwörtlich „der Ofen aus“. Die Gefahr hierfür besteht, auf mehreren Ebenen. Ob der kurzfristige Erfolg, der sich in den Verkaufszahlen finden lässt, tatsächlich die langfristigen Risiken rechtfertigt, ist mehr als nur fraglich.

Literaturverzeichnis

  • Texte

  • Holland, J. G. & Skinner, B. F. (1974). Analyse des Verhaltens. Urban & Schwarzenberg, München, 218.
  • Lehdonvirta, V. & Castronova, E. (2014). Virtual Economics – Design and Analysis, The MIT Press Cambridge, Massachusetts, London.
  • Salant & Rubinstein (2008). „Choice with Frames“, The Review of Economic Studies 75 (4), 1287 – 1296.
  • Skinner, B. F. (1948). Superstition in the pigeon. Journal of Experimental Psychology, 38, 168–172.

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