Rasmus Kriest Würden Sie sagen, dass eine gut erzählte Geschichte in Zombie-Spielen wichtig ist? Wie viel Fokus wurde denn bei „Dying Light“ (Techland, WB Games, 2015) auf diese gesetzt?
Maciej Binkowski Zumindest in „Dying Light“ spielt die Geschichte eine sehr wichtige Rolle. Es gibt eine umfassende Kampagne (mit einer Spieldauer von etwa 12 Stunden), die in einer modernen Stadt, die jedoch eine sehr alte Geschichte hat, spielt. Wir haben uns dabei an Istanbul orientiert, es ist also ein Ort an der Bruchstelle zwischen Ost und West, es gibt einen Zusammenstoß zwischen den verschiedenen Kulturen. Mehr kann ich über die Geschichte des Spiels leider nicht verraten, wir wollen über die Charaktere im weiteren Verlauf dieses Jahres noch mehr berichten.
Rasmus Kriest Beim Anspielen des Spiels ist mir aufgefallen, dass es viele Bedienungshilfen, unter anderem ein Radar gibt – „Zombie U“ (Ubisoft, 2012) hat hingegen nur ein sehr rudimentäres, das nur manuell und sehr eingeschränkt agiert. Würden Sie sagen, dass das Weglassen von solchen Hilfen die Atmosphäre erhöhen und durch den stärkeren Gruselfaktor die Immersion stärken würde?
Maciej Binkowski Das ist eine sehr interessante Frage: Wir haben uns für den Einbau dieser Elemente rein aufgrund des Komforts für den Spieler entschieden. In unseren früheren Titeln gab es jedoch die Möglichkeit, diese Dinge auch abzuschalten, vermutlich wird das auch in „Dying Light“ der Fall sein. Ein Spieler kann sich also für eine einhundertprozentige Immersion entscheiden.
Rasmus Kriest Zurzeit gibt es viele Videospiele mit Zombies, viele von ihnen setzen auch einen Fokus auf kooperatives Spielen. Der erste Teil von „Dead Island“ (Deep Silver, 2011), der von Techland entwickelt wurde, und dessen Nachfolger ebenfalls auf der Messe ist, wurde in Kritiken häufig mit „Left4Dead“ (Valve, 2008) und Konsorten verglichen. Was macht „Dying Light“ denn so besonders, dass es unbedingt entwickelt werde musste?
Maciej Binkowski Ich werde jetzt eine sehr extreme Aussage treffen, aber das ist mir egal: Ich glaube, dass „Dying Light“ der nächste Schritt im Genre des First Person Shooters sein wird. Es gab eine Zeit, da konnte man in diesen Spielen nicht springen; das war normal, das war okay, niemand wollte das. Doch dann kam der erste Shooter, bei dem man springen konnte und plötzlich sprach jeder davon, dass diese Möglichkeit Pflicht in einem jeden Spiel sein müsse.
Wir haben für „Dying Light“ ein sehr komplexes Parkur-System entwickelt und ich glaube, dass in wenigen Jahren jedes Spiel ein solches haben muss. Spielt man unser Spiel heute und kehrt zurück zu einem anderen First Person Shooter, dann vermisst man es.
Rasmus Kriest Aber es gab doch schon „Mirror’s Edge“ (Dice, Electronic Arts, 2009), das hatte doch ebenfalls ein Parkur-System in Ego-Perspektive oder nicht?
Maciej Binkowski Das „Problem“ mit „Mirror’s Edge“ ist, dass es einen spezifischen Pfad gibt, den der Spieler nehmen muss und von dem er nicht abweichen kann und darf. In „Dying Light“ ist das anders: Alles, was der Spieler sieht kann er auch erreichen – wann er will und wie er will. Wir haben dafür ein System entwickelt, dass dynamisch die Umgebung scannt und sie zugänglich macht, wir müssen nicht irgendwelche speziellen Objekte einbauen. Das ermöglicht es beispielsweise auch, dass ein anderer Spieler Teile der Umgebung zerstören könnte und ein auf den Objekten stehender Spieler herunterfällt, weil eben alles in Echtzeit berechnet wird.
Rasmus Kriest Warum sind denn Zombies so spannend für Spieler, dass es gerade so viele verschiedene Spiele mit ihnen gibt: „The Walking Dead“ (Telltale Games, erstmals 2012), „DayZ“ (Mod für „Arma II“, 2012) oder eben auch „Dying Light“?
Maciej Binkowski Ich würde das nicht unbedingt auf die Zombies zurückführen. Sie haben soeben drei verschiedene Spiele genannt und alle drei geben dem Spieler eine völlig andere Spielerfahrung: In „DayZ“ geht es um das Überleben und die Interaktion zwischen Menschen, wenn man einem Mitspieler das erste Mal begegnet, ist man nett zu ihm, und dann tötet er einen. Das nächste Mal bleibt man also lieber auf Distanz. In „The Walking Dead“ geht es um die Entwicklung von Charakteren, zu denen man Bezug aufbaut und über die man schließlich entscheiden muss. Das sind sehr unterschiedliche Spielerfahrungen. Ich glaube, dass Zombies nur einen guten Hintergrund für solche verschiedenartigen Geschichten geben.
Rasmus Kriest Und warum sind ausgerechnet Zombies dafür so gut geeignet?
Maciej Binkowski Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage: Ich glaube, es ist in erster Linie einfach, mit ihnen zu arbeiten. Auf der einen Seite sind sie bereits tot, auf der anderen Seite waren sie auch einmal Menschen.
Rasmus Kriest Würden Sie sagen, dass der Trend der Zombie-Spiele langsam vergeht? Sind Zombies immer noch so präsent wie im Jahr 2010, als die Serie „The Walking Dead“ startete?
Maciej Binkowski Nein, Zombies werden uns noch eine ganze Zeit lang begleiten. Es gibt noch viele Geschichten zu erzählen.