Spätestens Ende April, das heißt vor mehr als 6 Monaten, begann sich die sogenannte „Corona Krise“ auch auf den jährlichen Turnus der Videospielindustrie auszuwirken. Messen wurden als Präsenzveranstaltungen abgesagt und teilweise versucht ins Digitale zu übersetzen. Während Hygieneregeln beziehungsweise Kontaktbeschränkungen Veranstalter von eSport Events zwangen, ihre Konzepte zumindest kurz- bis mittelfristig wirtschaftlich rentabel umzudenken, mussten Entwicklerstudios auf Home-Office Lösungen umschwenken sowie Projektplanungen neu durchkalkulieren.
Wie tiefgreifend sich die Veränderung von Rahmenbedingungen auswirken können, zeigt der Fall „COVID-19“ etwa durch eine öffentlich zugängliche Umfrage, die von der GDC im Rahmen der COVID-19 Pandemie durchgeführt wurde: Circa 34% von 2500 verschiedene Entwickler gaben an, dass die Pandemie sich negativ auf das Gesamtgeschäft ausgewirkt hat. In etwa genauso viele (31%) konnten hingegen von dieser profitieren. 70% aller Befragten arbeiteten seit den Maßnahmen der Regierungen von zu Hause; zuvor waren es 27%. In letzter Konsequenz sah sich jeder dritte Entwickler (33%) gezwungen, seine Projekte aufgrund der COVID-19 Pandemie zu verzögern – die Produktivität fiel laut Eigenauskunft der Angestellten in 50% aller Fälle. Verschlechterte Kommunikation, reduzierter Lohn trotz gesteigerter Arbeitsstunden pro Woche, Isolation sowie mangelnder Zugang zu kritischen Tools sind einige der häufigsten Herausforderungen, die sich negativ auf die Lebensqualität und geistige Gesundheit der Spielentwickler sowie die Kreativität und Produktivität im jeweiligen Entwicklerteam auswirkten. Der Kontext, in dem diese Entwicklung stattfand, soll Thema dieses Glashauses sein.
The New York Times
Der „virtuelle Eskapismus“ ist perfekt für eine Pandemie, so Kevin Roose von der New York Times. Allerdings scheint VR immer noch weit von einer Mainstream-Technologie entfernt. Roose versucht eine Antwort darauf zu finden, warum diese Technologie immer noch ein Nischen-Dasein fristet.
Escapism is virtual reality’s strong suit, and it’s why major gaming studios are developing more big-budget games for platforms like Oculus and PlayStation VR. But sci-fi and industry hype has always promised us that the technology would replace more than just our consoles […] Part of the problem for virtual reality enthusiasts is that much of what a V.R. headset offers can be found in other places. Fortnite, for example, has become a venue for concerts and other large virtual gatherings. [… ] Animal Crossing, a whimsical Nintendo Switch game, has become a surprise quarantine hit. Millions of people are using Zoom and other video-chat apps to hold virtual game nights, cocktail parties and yoga classes on their laptops and phones, without the need for special hardware.
– Kevin Roose, 16.09.2020
Eurogamer
Die Antwort auf das immer diffiziler werdende Geschäft mit sogenanten „Lootboxen“ scheinen „In-Game“ Werbeeinblendungen zu sein. Vor 2K Games und „NBA 2K21“ (Visual Concepts, 2020) versuchte Electronic Arts bereits im September nach Veröffentlichung des Spiels „UFC 4“ (EA Canada, 2020) nicht überspring- oder abschaltbare Werbeeinblendungen in Sport-Videospielen zu integrieren. Ähnlich einer TV-Sendung werden Ladevorgänge künstlich in die Länge gestreckt, um währenddessen einen Werbespot auf dem Bildschirm ablaufen zu lassen. Die Reaktion der Kunden ließ nicht lange auf sich warten und fiel derart negativ und vehemend aus, dass sich Electronic Arts gezwungen sah, die Änderungen im Spiel wieder zurückzunehmen.
Bethesda
„Today we announced we’re joining the Microsoft family” – Bethesda beziehungsweise ZeniMax Media Inc. wurde von Microsoft für 7,5 Milliarden US-Dollar gekauft. Nach Studio MoJang, das im Jahr 2014 für 2,5 Milliarden Dollar ebenfalls von Microsoft gekauft wurde, ist dies die bis dato teuerste Übernahme eines Videospielpublishers und dessen Entwicklerstudios.
Digital Trends
Ende März 2020 hat sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Vertretern der Spielebranche zusammengetan, um die Kampagne #PlayApartTogether zu starten. Diese sollte Menschen ermutigen, Empfehlungen zur sozialen Distanzierung und Hygiene zu befolgen, um die Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden, indem sie beispielsweise zu Hause bleiben und Videospiele online spielen. Vertreter einiger der größten Publisher schlossen sich der Kampagne an. Diese Maßnahme der WHO darf als zumindest leicht ironisch bezeichnet werden, denn es handelt sich hierbei um die gleiche Organisation, die sich für die Anerkennung der „gaming disorder“ einsetzte, die sich ausschließlich einem auf Substanzmissbrauch basierenden Additionsmodell stützte.
The Motley Fool
Die private Finanz- und Anlagenberatungsfirma „The Motley Fool“ beziehungsweise Leo Sun veröffentlichten im Zuge der Vorstellung der PlayStation 5 einen Artikel zur Frage, warum es überhaupt eine „digital only“ Konsole zu kaufen gibt.
As one of the world's largest game publishers, Sony would benefit from gradually phasing out its physical games. That transition would also complement the growth of Sony's PlayStation Network (PSN), which delivers digital games directly to its PlayStation consoles, and its PS Now cloud gaming service. Sony also prefers gamers to buy games directly on PSN instead of buying digital codes from third-party retailers since it cuts out the middleman and strengthens its ecosystem.
– Leo Sun, The Motley Fool, 17.06.2020
Venture Beat
Der Name Shawn Layden war bis letztes Jahr untrennbar mit dem Unternehmen Sony verbunden. In den letzten drei Jahrzehnten stieg Layden bis zum Vorsitzenden der Sony Interactive Entertainment Worldwide Studios auf und formte eine Organisation mit mehr als 2.600 Spieleentwicklern in 13 Studios. Er traf Entscheidungen über Projekte, die zwischen 80 und 150 Millionen US-Dollar schwer waren. Das Transkript einer seiner letzten Interviews, ehe er das Unternehmen im September 2019 verließ, kann auf Venture Beat seit dem 23.06.2020 nachgelesen werden.
Ars Technica
Electronic Arts hatte Anfang August 2020 einigen Protest dessen Aktionäre auszuhalten. Diese lehnten den Vergütungsplan des Unternehmens in einer beratenden Abstimmung mit überwältigender Mehrheit ab. Investoren des Videospielgiganten gaben fast 171 Millionen Stimmen gegen den Vergütungsplan für die Führungsriege ab. Dem entgegen standen 60 Millionen, die für den Plan stimmten. Die Abstimmung war eine seltene Zurechtweisung. Nur 2,2% der Unternehmen im Russell 3000 mussten ihre Vorschläge zur Bezahlung im Jahr 2020 aufgrund der Ablehnung von Investoren zurückziehen.
Shareholders issued a resounding rebuke of Electronic Arts’ deeply flawed executive pay practices that does not incentivize executives to create long-term value […] This vote is a clarion call for the board to stop piling awards on top of awards for top executives and make sure that the company develops a pay philosophy that is focused on talent development and retention throughout all levels of the company.
– CtW director Dieter Waiznegger
Gamesindustry.biz
Nicht nur Electronic Arts, sondern auch Activision Blizzard und insbesondere CEO Bobby Kotick wurden von einigen seiner eigenen Aktionäre im Juni 2020 unter Beschuss genommen. Diese argumentierten, dass der CEO viel zu viel verdiene – erst recht in Zeit der COVID-19 Pandemie. Zwei Proxy-Beratungsunternehmen haben den Aktionären von Activision Blizzard empfohlen, gegen einen Vorschlag zur Vergütung von Kotick zu stimmen. Die Empfehlung wurde von der CtW Investment Group unterstützt, die sich dafür einsetzt, die Direktoren für „unverantwortliches und unethisches Unternehmensverhalten und übermäßige Vergütung von Führungskräften“ zur Rechenschaft zu ziehen.
Despite repeated low approval votes from shareholders, Activision Blizzard maintains multiple, overlapping opportunities for its CEO to earn outsize equity awards, even when performance-related vesting thresholds have not been met.
– CtW director Dieter Waiznegger
Die CtW Investment Group berät mehrere gewerkschaftliche Pensionsfonds in den USA und stemmt sich seit 14 Jahren gegen die Entwicklung exorbitant hoher Managergehälter in Führungspositionen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen für unethisches Verhalten zu kritisieren und wenn möglich zur Verantwortung zu ziehen. Die Gründe für das Vorgehen gegen Activision Blizzard und Electronic Arts werden von Alex Calvin genauer beleuchtet.
Mitte August ereilte Electronic Arts zusätzlich eine Sammelklage, die gegen das Unternehmen eingereicht wurde. Darin wird behauptet, dass der Ultimate Team-Modus in den Sportvideospielen gegen das Glücksspielgesetz (Kalifornien, USA) verstoße.
EA's Ultimate Team packs are loot boxes […] Buying the packs are nothing more than a gambling bet.
– Kevin Ramirez (Kläger)
Ende September gesellte sich eine weitere Sammelklage hinzu, die in Kanada aufgrund der Lootbox-Problematik eingereicht wurde. Die Klage wird im Namen von Moore, Sutherland und anderen kanadischen Kunden eingereicht, die direkt oder indirekt Lootboxen in EAs Videospielen gekauft haben. Die Liste der zu beanstandenden Videospiele beinhaltet mehr als 60 Titel, die über die üblich verdächtigen Marken wie „FIFA“ oder „Madden“ hinausgehen und auch „Apex Legends“, „Battlefield“-, „Mass Effect“-, „Need for Speed“-, „Dragon Age“- und „Plants vs. Zombies“-Spiele umfasst. Handyspiele wie „Command & Conquer: Rivals“, „Star Wars: Galaxy of Heroes“ und „WarFriends“ werden ebenfalls taxiert.
Gaming is strictly controlled and licensed in this country. In breach of these laws, the defendants have operated an unlicensed, illegal gaming system through their loot boxes […] Through this suit, Canadian consumers seek to hold the defendants accountable for this unlawful conduct, and to recover their losses. […] (Apex Legends) cosmetic items are associated with player prestige, and in particular rare cosmetic items will provide a player with more prestige than common ones," it states. "Players who use the default avatars are looked down on by other players. There is therefore an incentive for players to purchase multiple loot boxes in order to obtain more valuable and more prestigious rare cosmetic items.
– Anklageschrift, PCGamer, 22.10.2020
Anfang 2020, kurz vor dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie, veröffentliche Christoper Dring einen Artikel zum Thema „Crunch“ und denkbare Intervention- und Präventionsmaßnahmen. Er befragte dabei verschiedene Experten von Wish Studios, Hutch, Criterion und Bungie, um in einer Zusammenstellung eine möglichst breite Antwort liefern zu können.
Avoiding crunch isn't easy. Simply saying that it's down to 'bad project management' isn't especially helpful to anyone. What is bad project management? What is good project management, for that matter? What tips and tricks could be used to reduce overtime and crunch as much as possible?
– Christopher Dring, Gamesindustry.biz, 20.02.2020
Bloomberg
CD Projekt RED versprach während der Entwicklung von „Cyberpunk 2077“, dass eine „Crunch“-Phase für dessen Entwicklerteam nicht kommen würde. Ende September war klar, dass dies nicht der Realität entsprach. Jason Schreier nahm dies zum Anlass, um über die Problematik von exzessivem „Überstunden schieben“ in der Videospielindustrie zu diskutieren. Er vertritt dabei die These, dass aufgrund dessen, wie Videospielentwicklung momentan praktiziert wird, „Crunch“ unausweichlich sei.
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Obwohl die Videospielbranche weltweit seit Jahren durch großes Wachstum steigende Umsätze vorweisen kann, lahmt die deutsche Branche der Internationalen weit hinterher. Auch deshalb forderte der Game e.V. im Zuge der digital stattfindenden Gamescom 2020, dass funktionierende Förderprogramme dringend erforderlich seien. Weitere Hintergründe zur Forderung des Game e.V. präsentiert der Artikel von Paol Hergert.
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2007 wurde das Spiel „Kane and Lynch: Dead Men“ (IO Interactive) veröffentlicht. Jeff Gerstmann eröffnete seine Kritik zum Spiel mit den Worten, dass das Spiel ein „ugly game“ sei. Unmittelbar danach und explizit aufgrund seiner Kritik wurde Gerstmann von dessen Arbeiter GameSpot gefeuert. Jacob Geller nimmt dieses Ereignis auf, um über die Bedeutung dieser „Ugly Games“ zu sprechen:
Der im ersten Beitrag bereits angedeutete Fall „NBA 2k21 und In-Game Werbung“ wird von YongYea tiefergehend behandelt. Engmaschig begleitend fasst dieser die Berichterstattung zum Thema in einem Video zusammen und versucht in Summe daraus ein Bild zum Geschäftsgebaren von 2K Games zu skizzieren.
Für Jim Sterling ist klar, dass CD Projekt RED gebrochenes Versprechen, keine „Crunch-Time“ den eigenen Entwicklern aufzubürden, ein systematisches Problem sein muss. Die Frage, was passiert, wenn ein beliebtes Studio Praktiken populärer, aber nicht beliebter Publisher kopiert, ist Aufhänger einer Diskussion über Ethik, Arbeitsrecht und Image.