„Rape Day is a game where you can rape and murder during a zombie apocalypse.”, so lautete die Beschreibung des Spiels, das im April 2019 auf Steam erscheinen sollte. Auch wenn die Allgemeinheit geschockt reagierte (vgl. z.B.: Stern.de) und die Veröffentlichung auf Steam letztlich wahrscheinlich auch durch den medialen Aufruhr verhindert wurde, blieben Fragen zurück, die sich vor allem aufgrund der Statements seitens des Entwicklers ergaben.
Eine audiovisuelle Novelle, in der eine männliche Figur ausschließlich weibliche Figuren mittels sexueller Gewalt foltern und töten kann: Die Idee löst wohl in den meisten Menschen Unbehagen aus. Argumentiert man jedoch mit künstlerischer Freiheit, könnte man annehmen, das Problem mit einem solchen Spiel läge lediglich im sittlichen Bereich. Es ginge um etwas, was sich nicht gehört. So versuchte der Entwickler zu argumentieren, dass Mord in Spielen ebenso normalisiert sei, und dass die Empörung über „Rape Day“ darin begründet sei, dass Vergewaltigung eine selten thematisierte Gewaltform sei. Demnach wäre Vergewaltigung wie Körperverletzung oder Mord eine Gewalttat, deren künstlerische Darstellung in Spielen etabliert werden könnte und an die sich SpielerInnen erst noch gewöhnen müssten. Eine Parallele wurde an der Stelle zur Darstellung von Nacktheit in Filmen gezogen, bei denen die ZuschauerInnen sich auch erst daran gewöhnen mussten. Im Kern sei die Darstellung von Nacktheit im Rahmen der künstlerischen Freiheit ja auch nichts Schlimmes an sich. In diesem Fall kann man dem sogar zustimmen. Allerdings unterscheidet sich die Gewaltdarstellung in Rape Day nicht nur deutlich von der Problematik von Nacktheitsdarstellungen im Film, sondern auch von der Thematisierung von Morden in Spielen.
Die Ebene der Gewalt
In unzähligen Spielen wird Gewalt thematisiert: Shooter wie „Counter-Strike“ (zuletzt: „Counter-Strike: Global Offensive“,Valve, 2011) oder „Battlefield“ (zuletzt: „Battlefield V“, DICE, 2018), Action-Adventures wie „Grand Theft Auto V“ (Rockstar Games, 2013) oder „Beat ‘em ups“ wie „Mortal Combat“ (zuletzt: „Mortal Combat 11“, Netherrealm Studis, 2015) erfreuen sich reger Beliebtheit. In allen Spielen wird gemordet und offensichtlich hält sich die Empörung darüber in Grenzen. Bei fast all solchen Spielen, die Mord und Totschlag thematisieren, kann man bestimmte Merkmale der Gewaltausübung ausmachen. In Shootern, und zwar sowohl in Kriegsszenarien wie in Call of Duty, als auch in apokalyptischen Szenarien wie „Left for Dead“ (Valve, 2008), üben die Gegner ebenfalls Gewalt aus. In Mehrspieler werden die GegnerInnen ebenfalls von Personen gespielt, die virtuell Gewalt ausüben, in Einzelspielermodi greifen die GegnerInnen die SpielerInnen ebenfalls aktiv an. Bei der Gewalt, die den Tod des Gegenübers zum Ziel hat, handelt es sich also um einen Kampf. Diese sind gekennzeichnet durch eine gewisse Mächtigkeit der GegnerInnen: Die SpielerInnen können jeweils auch verlieren, also ebenfalls sterben oder durch eine andere Instanz für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Gerade in der Wehrhaftigkeit des Gegenübers liegt der Reiz der Kampfspiele und zugleich ihr Sinn. Es mag einzelne geben, die solche Spiele auf einer sehr leichten Einstellung spielen oder sich durch Modifikationen (Mods) übermächtig machen. Am Ende dürfte sich die Mehrzahl der SpielerInnen jedoch darüber einig sein, dass dies den eigentlichen Sinn und Spaßfaktor des Spiels, der durch das Gewinnen zustande kommt, nicht zuträgt. In „Rape Day“ ist die Ebene der Gewalt hingegen eine völlig andere: Die Opfer im Spiel sind ganz im Sinne der Bezeichnung ausschließlich Opfer. Sie können sich nicht wehren, sie haben keine andere Bestimmung, als von SpielerInnen gequält zu werden. Eine Herausforderung gibt es dabei nicht. Es ist kein Kampf und es gibt auch kein Ziel, das mit den Vergewaltigungen erreicht werden soll, wie beispielsweise das Gewinnen einer Kriegsmission in Shootern. Die gleiche Ebene der Gewalt würde in Spielen, die das Töten thematisieren, also so aussehen, dass man MörderInnen spielt, dem keine Gegenwehr seitens der Opfer entgegenkommt, während er sie mit Leichtigkeit abschlachtet. Somit sind Vergewaltigungen wie in „Rape Day“ nicht einfach als eine noch nicht etablierte Gewaltdarstellung anzusehen: Die Ebene der Gewaltausübung seitens der SpielerInnen wäre eher etwas Neues. Zwar könnte man an dieser Stelle immer noch dafür argumentieren, dass sich die Darstellung als künstlerisch, und damit in diesem Rahmen legitim anpreisen ließe. Dafür müsste es in „Rape“ Day aber auch wirklich um die Gewaltform der Vergewaltigung gehen, was hingegen der oberflächlichen Betrachtung allerdings nicht der Fall sein kann.
Gewaltform oder Menschenfeindlichkeit
In „Rape Day“ spielt man einen männlichen Charakter. Die Aufgabe lautet, weibliche Figuren zu vergewaltigen. Es stellt sich recht schnell die Frage, wieso man beispielsweise keine weibliche Figur spielen kann, die Männer vergewaltigt, oder eine männliche Figur, die Personen unabhängig ihres Geschlechtes vergewaltigen kann. Zwar wird sexuelle Gewalt in den meisten Fällen von männlichen Personen gegenüber weiblichen Personen ausgeübt, jedoch dürfte es trotz Tabuisierung mittlerweile allgemeinhin bekannt sein, dass sowohl Täterinnen als auch männliche Opfer sexueller Gewalt gab und gibt. Die Tatsache, dass in „Rape Day“ ausschließlich weibliche Personen von einem männlichen Charakter vergewaltigt werden können, lässt also vielmehr darauf schließen, dass es im Spiel nicht um die Gewaltform der Vergewaltigung geht. Um wieder die vom Entwickler aufgegriffene Parallele zur künstlerischen Darstellung von Tötungsdelikten aufzugreifen: In Spielen, in denen getötet wird, werden sowohl Männer als auch Frauen (soweit das Geschlecht überhaupt im Sinne der Sichtbarkeit thematisiert wird) getötet. Ebenso werden in Spielen Figuren getötet, die beispielsweise verschiedene Hautfarben haben. Man stelle sich ein Spiel vor, in dem man eine weiße Person spielt, die ausschließlich dunkelhäutige Personen foltert oder tötet, die zudem in keiner Wiese wehrhaft sind. „Rape Day“ stellt damit also nicht einfach die Gewaltform der Vergewaltigung dar, sondern Gewalt seitens einer übermächtigen männliche Person gegenüber Frauen, die sich nicht zur Wehr setzen können. Es geht nicht um Vergewaltigungen, sondern um einer Allmachtsfantasie gegenüber einer bestimmten Gruppe von Menschen. Kurz: Es geht in „Rape Day“ um Misogynie.
Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass man nicht auch Misogynie oder Rassismus in Videospielen thematisieren könnte. Schließlich gibt es genügend historische Szenarien für ein Spiel, das diese Problematiken thematisieren könnte. Der Entwickler von „Rape Day“ entschied sich hingegen für eine Zombieapokalypse. Fragwürdig wäre bei Darstellungen auf einer historischen Basis aber auch, was man mit seiner Kunst erreichen möchte. Würde man ein Spiel über die Verfolgung der Juden im Dritten Reich machen, könnte man im Rahmen der künstlerischen Freiheit aus der Sicht eines SS-Mitgliedes oder aus der Perspektive von KZ-AufseherInnen erzählen und die Opfer nur gesichtslos in Erscheinung treten lassen. Man müsste sich dann aber auch die Frage gefallen lassen, was damit vermittelt werden soll. Die Kunst ist frei – sie muss aber auch Verantwortung tragen. Gerade wenn es um Machtgefälle geht, die auch in heutigen Gesellschaften bestehen und die lebenslangen Leid für Menschen bedeuten.
Um was ging es nun?
Ernüchternd muss man feststellen, dass es dem Entwickler bei „Rape Day“ wahrscheinlich nur um das Erregen von Aufmerksamkeit ging. Die Argumentationen für die Idee laufen ins Leere. So, wie das Spiel funktioniert, würde es zwar einigen SpielerInnen gefallen. Ehrlicherweise muss man sich fragen, ob für jede Gewaltfantasie ein Spiel existieren muss. Zudem wenn das Spiel, wie dargestellt, ohne richtiges Konzept daherkommt und die zu befriedigende Fantasie eine solche ist, die das Leben von Menschen in der Realität negativ beeinträchtigt. Dementsprechend war auch die Entscheidung seitens Valve, das Spiel nicht auf Steam zur Verfügung zu stellen, sinnvoll.