Für gewöhnlich ist der Monat August in Deutschland schwül, warm und strapaziös. Warum in diesem Zusammenhang die OrganisatorInnen der Gamescom meinen, genau in dieser Zeit die Messe abzuhalten - darüber lässt sich streiten. Wenn man aber den Tag um 3 Uhr morgens beginnen muss und gleichzeitig die Deutsche Bahn als Transporteur auswählt; nun, dann ist die feuchte Wärme, die einem die Nacht zuvor den Schlaf geraubt hat, minder bis so gar nicht hilfreich. Setzt man oben drauf, dass ein Hörbuch einen derart im Bett liegend fesselte, dass man erschrocken und undiszipliniert zu spät die Augen schloss, dann sprach alles dafür, einfach liegen zu bleiben und weiter, dem Geräusch von scharfen Zwergen Äxten zu lauschen, wie sie Orkblut auf Wänden verteilen, ganz im Sinne von Jackson Pollock. Jene Disziplin ist dafür verantwortlich, dass man am darauffolgenden Morgen um 8:15 Uhr doch an der Köln Messe Deutz im Halbschlaf torkelnd aus dem ICE steigt. Und weil der Personenscan reibungslos funktioniert und die Taschenkontrolle einen nicht drangsaliert, rückt langsam ins Gedächtnis, dass man alsbald “Eon Rush”, den persönlich allerersten Termin auf einer Gamescom, bestaunen darf.
Entwickler
Plattformen
Der Stil des im Vorfeld der Gamescom veröffentlichten Trailers kämpfte sich langsam seine Bahn ins Bewusstsein. Letztendlich war er dafür verantwortlich, dass ein Pressetermin mit den EntwicklerInnen von Eon Rush Studios vereinbart wurde.
Eine halbe Stunde war vorgesehen. Allerdings waren nicht nur die eigenen grauen Zellen noch nicht gänzlich aktiviert; auch die Technik respektive die Software streikte etwas und stellte die Menschen in der Booth von Eon Rush vor zusätzliche Herausforderungen. Die remote mit der Technik kämpfenden EntwicklerInnen um Adrian Fenix (Gründer & CEO, Eon Rush Studios) bezwangen schlussendlich sowohl alle Hürden, um spielen zu können, als auch die letzten Anzeichen noch vorhandener Müdigkeit - Komplimente zum eigenen Aussehen hört man immer gerne.
Der Trailer schürt Erwartungen, ein klassisches PVE/PVP Action RPG präsentiert zu bekommen. Man wählt seinen Charakter aus und springt in eine Welt, um sich durch tausende Horden an Gegner zu pflügen, ehe man am Ende den Boss bezwingt und ebenso viele Tonnen Loot erhält. Und tatsächlich, schier stereotypisch wird einem eine Auswahl von drei verschiedenen Charakteren angeboten: Der güldene Fen (Paladin), die zaubernde Fallen Snow (Eismagierin) und der einem schweizer Taschenmesser ähnelnden Karana (Mech-Wolf).
Die EntwicklerInnen stützen sich auf Altbekanntes, denn Fen operiert als schillernde Gestalt mit großem Schwert und starker Rüstung. Das klassische, weil zierliche Gegenstück zum Nahkampf ist Fallen Snow, die in ihrer Lore zwar als “Sword Maiden” beschrieben wird, aber rein auf den Fernkampf setzt. Ihr Name ist Programm. Sie beherrscht Eis- und Wassermagie.
Etwas aus dem Portfolio etablierter MMO Helden fällt der biomechanische Wolf Karana, der sowohl Fern- wie Nahkampfattacken vollführt. Aufgrund seiner Eigentümlichkeit, die einen ab und an zum Schmunzeln bringen kann, ist dieser Charakter nicht nur visuell der spannendste. Wider Erwarten ist Karana als Wolf nicht agil, sondern bewegte sich behäbig, ähnlich einer Schildkröte. Zwar stehen Fen und Fallen Snow für recht generische Spielstile, dafür funktionieren sie - weil vielfach in anderen Videospielen erprobt - rund. Karana hingegen ist der Inbegriff dafür, dass es sich hierbei um Ideen der EntwicklerInnen handelt, die womöglich und typisch für eine Pre-Alpha noch nicht gänzlich aufeinander bezogen sind. Dennoch spielte sich dieser Charakter am besten, weil Schaden, Heilung und Schilden interessant kombiniert wurden.
Eon Rush setzt auf Kooperation. Es ist der Kern des ansonsten Comic ähnlichen Spiels. Die Hintergrundgeschichte der jeweiligen Charaktere, im Beispiel von Fen, werden in Comics präsentiert. Ebenso ist die Hauptstory bereits in einem kleinen, visuell grobschlächtigen, kantigen und ernsthaften Comic nachlesbar. Die Mühen, die die EntwicklerInnen in die Präsentation und Ausgestaltung der Comics setzen, sind bemerkenswert. Selbst wenn sich das Videospiel im Markt nicht durchsetzen könnte, sind die Comics für sich genommen bereits ein vorzeigbares Produkt, die allein aufgrund der Ästhetik einen Blick wert sind.
Zu zweit oder zu dritt und nicht in größeren Teams (vgl. World of Warcraft) gilt es die Pattern der verschiedenen Bosse kennenzulernen beziehungsweise zu durchschauen. In der spielbaren Pre-Alpha bedeutet das, drei anspruchsvolle Phasen zu überstehen, ehe der Boss besiegt werden kann.
“Battleground” hieß der zweite Spielmodus und war im wahrsten Sinne des Wortes ein Schlachtfeld, das vornehmlich dafür genutzt wurde, um sich mit einem oder mehreren MitspielerInnen in einem PVP Battle zu messen. Als Bonus kann man die Fähigkeiten des eigenen Charakters besser kennenlernen und effizienter einsetzen. Das beste Gefühl ist eben, wenn man seinen FreundInnen beim Sparring eins auf die Mütze geben kann. Schockflächen, Heilungspilze und andere Elemente sind im PvP-Level verstreut, um die Kämpfe interessant zu halten. Es wäre nicht wirklich nachvollziehbar, warum dieser Modus im Spiel existierte. Womöglich ist auch hier die Experimentierfreudigkeit der EntwicklerInnen zu vermuten, andererseits sind die Charaktere sowie deren Hintergrundgeschichten derart ausgestaltet, dass alles für ein Action-RPG spricht. “Eon Rush” möchte sehr actionlastig sein, auch wenn die Spielmechaniken teilweise dem Konzept in die Quere kommen. Kurzum: Die behäbige Spielweise passte noch nicht gänzlich zur Spieldynamik der zu bezwingenden Bosse. Die Charaktere sind die Baustellen beziehungsweise die Probleme, die die EntwicklerInnen zu lösen haben. Die präsentierten Bosse waren im Kern vollendet und funktionierten für sich stehend.
Im Großen und Ganzen war die Erfahrung, trotz der widrigen Umstände, bei Eon Rush teilweise positiv. Die aus den Eindrücken entstandenen Gefühle verharren gemischt. Die Problematiken beim Gameplay hallen immer noch nach. Ein Action-RPG lebt schließlich nicht nur von Loot und Trophäen der Bosse, sondern vor allem von Action, Schnelligkeit und Dynamik. Diese war zwar teilweise vorhanden, aber leider hatte es den Anschein, dass die gewünschte, fesselnde Dynamik sich nur auf der falschen Seite vom Controller in Form der Ausgestaltung der Bosse befinden. Es gibt auf Seiten von Eon Rush Studios noch viel Arbeit zu erledigen und angesichts des Pre-Alpha Stadiums wird die Zukunft zeigen, in welche Richtung sich das Videospiel entwickeln wird. Die Vorfreude ist angesichts des Momentan derzeit ein wenig gedämpft. Wie bereits Son-Goku auf dem Schlangenpfad lehrte, ist der Weg das Ziel. Es bleibt den Entwicklern von Eon Rush Studios zu wünschen, dass sie nicht wie der Anime Held eine Million Kilometer zurücklegen müssen, ehe sich Erfolg einstellt oder das nächste Update präsentiert werden kann.