Akten lesen, Leute befragen, Verbrechen verhindern. So lauten die Aufgaben bei „Interrogation“, das erste Spiel des rumänischen Spielentwicklers Critique Gaming. „Interrogation“ greift dabei, passend zum Namen des Entwicklers (der so viel wie „Kritisch Spielen“ bedeutet), ein Thema auf, mit dem sich Games normalerweise nicht oder nur auf anderen Ebenen auseinandersetzen. Die Aufgabe der SpielerInnen ist es, eine Terrornetzwerk aufzudecken und somit weitere Anschläge zu verhindern. Bisher kam das Thema Terror eher in Kriegsspielen vor und wurde an sich nicht größer behandelt, sondern als Rechtfertigung für ein gewaltvolles Setting genutzt. Critique Gaming will SpielerInnen Mechanismen der poltischen Radikalisierung und Machtmissbrauch zeigen.
Erschienen am
05. Dezember 2019
Entwickler
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Die Idee zum Spiel entstand auf der Ost-europäischen Comic-Con in Bukarest im Jahr 2016, bei dem Entwickler innerhalb von 24 Stunden das Konzept für ein Spiel anhand eines grob betitelten Themas entwerfen sollten. Das Thema „Under the surface“ (dt: „Unter der Oberfläche“) fasste das Team von Critique Gaming metaphorisch auf: Sie wollten mit dem Spiel unter die Oberfläche beziehungsweise Masken von Menschen schauen und das zu Tage bringen, was diese verstecken wollen. Kurz: In „Interrogation“ geht es um Lügen und wie diese entlarvt werden können.
In „Interrogation“ muss man den Gegnern nicht mit physischen, sondern mit psychologischen Waffen zusetzen. Dies tut man in der Rolle eines Detektives, der Personen befragt, die verdächtigt werden, Mitglieder einer Terrororganisation namens „Liberation Front“ zu sein. Das Terrornetzwerk bedroht Los Angeles, weshalb dessen Pläne aufgedeckt werden müssen. In einem dunklen Raum sitzt man den Verdächtigen gegenüber und steuert das Gespräch durch die Auswahl aus Fragen und Antwortmöglichkeiten im Dialog. Die Befragungszeit ist zeitlich begrenzt, wodurch man als Detektiv effizient arbeiten muss. SpielerInnen müssen psychologisches Geschick und manipulative Fähigkeiten in Befragungssituationen beweisen. Das heißt zum Beispiel auch, dass man Aussagen der Verdächtigen verdrehen kann, um sie zu provoziren oder zu verwirren oder auch Gewalt androhen, um ihn einzuschüchtern. Neben dem reinen Gespräch muss das Gegenüber genau beobachtet werden, denn die Figuren verziehen das Gesicht, fangen an, zu gestikulieren oder rollen mit den Augen. Auch kann etwa der Puls des Gegenübers beobachtet werden: Die meisten Menschen sind bekannterweise beim Lügen aufgeregt. Nicht zuletzt sollte auch die Akte des Verdächtigen gründlich studiert werden, denn eventuell ergeben sich Unstimmigkeiten zwischen den vorliegenden Informationen und den Aussagen des Befragten, was ein guter Anhaltspunkt sein kann, das Wesentliche herauszufinden: Lügt er oder sagt er die Wahrheit?
Wer sich mit der Materie auskennt, weiß, dass das Befragen von Verdächtigen nicht die einzige Aufgabe der Polizei ist. SpielerInnen haben Vorgesetzte und verfügen selbst über Personal. Das hat wiederum unterschiedliche Fähigkeiten, die man einsehen kann. Die sollte man, als guter Chef, entsprechend fördern. Weisen SpielerInnen beispielsweise eine forensische Psychologin an, Papierkram zu erledigen, demotiviert das die Mitarbeiterin und die Aufgabe wird wahrscheinlich nicht besonders ordentlich erledigt werden. Bei all dem Trubel darf der Blick auf das Geld nicht vergessen werden: Alles kostet und SpielerInnen müssen das mit ihrem Budget vereinbaren können.
Die Befragungssituation ist der Mittelpunkt des Spiels, andere Aufgaben und Aspekte beziehen sich auf die Situationen. So überlegen SpielerInnen anhand den Ergebnissen der Dialoge nicht nur, was die KollegInnen als nächstes tun sollen, sondern auch, welche Informationen an die Presse weitergegeben werden. Natürlich haben folgenden Entscheidungen wieder Einfluss auf die Befragungen, denn vielleicht hat man durch zu viele Informationen in der Presse potentielle Täter vorgewarnt.
Je nachdem, wie erfolgreich die Befragungen, Beobachtungen, das Management des Polizeiquartiers und die Kommunikation mit der Presse ist, kann das Spiel auf verschiedene Arten enden. Genauer gesagt versprichen die Entwickler von Critique Games unterschiedliche Szenarios für die SpielerInnen, die Befragten und die Stadt, die man beschützen soll. Wichtig ist hier, dass diese Szenarios auch umfassend gestaltet sind, denn nur so motiviert es SpielerInnen, nocheinmal zu spielen und zu sehen, was mit anderen Strategien erreicht werden kann. Zwischenbilanzen über die eigenen Leistungen erhält man über Missionsberichte und einem PR-Report, der das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit anzeigt.
Das Spiel ist in einem schwarz-weißen Comicstil gehalten, die Zeichnungen der Figuren basieren auf Fotos und echten Schauspielern. Neben den animierten Verdächtigen ist das Spiel ansonsten sehr textlastig. So haben die Charaktere auch keinen synchronisierten Stimmen, es läuft nur Musik, die die Atmosphäre unterstützen soll. Das Überwiegen der Farbe Schwarz und das Fehlen einer Synchonisation wirkt mehr deprimierend als gefährlich. „Interrogation“ ist somit auch ein Spiel für Bücherfans, insbesondere jene, die Psychothriller und Krimis mögen und sich anders als die Charaktere in den auf Papier gedruckten Werken verhalten würden. Interragtion ist also ein leises, aber bedrückendes Spiel für all jene, denen der Tatort am Sonntagabend zu langweilig ist.
Für den Erfolg von „Interrogation“ wird der Detailgrad entscheidend sein. Wie sehr beeinflussen sich Handlungen und Ereignisse tatsächlich und kommt am Ende tatsächlich etwas anderes dabei heraus? Ist der „Bad Cop“ oder der „Good Cop“ erfolgreicher oder ist ein Mittelweg der Schlüssel, um die Terrororganisation zu stoppen? Da SpielerInnen einen Großteil des Spiels mit Lesen verbringen und Interrogation zunächst nur auf Englisch erscheint, sollte man die Sprache gut beherrschen.