Eine ziemlich tiefe, düstere Stimme säuselt brummend dem Zuschauer direkt ins Ohr und meint eine Geschichte aufzuhalsen, die von drei außergewöhnlichen Geistern handeln soll, die sich einer Dunkelheit stellen. Lässt man die Augen geschlossen, vermutet man vielleicht ein weiteres Superhelden Epos, denn die dunkle Stimme erinnert doch stark an Synchronsprecher Redd Pepper. Öffnet man die Augen, sieht man ein weißes Fuchswesen, das einen durchdrungen anschaut, als würde man ihm etwas schulden. Was zunächst sehr frech und fast schon aufdringlich wirkt, entpuppt sich schnell aufmerksamkeitsfesselnd, denn die nachfolgenden Szenen bauen ein Szenario in einer Ästhetik auf, die derartig seltener in Videospielen zu finden ist.
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Der Name des fiktiven Wesens ist Kitsune (狐; „Fuchs“), ein aus dem japanischen Volksglauben stammendes Tier, das bläuliche Irrlichter beherrscht, die Feuer von Natur aus ausspeien und mit schwarzer Magie verbunden sind. Wohlgesinnung und Wut bestimmen das unberechenbare Agieren Kitsunes. Seelen von soeben verstorbenen Menschen fängt es gerne ein, um sie zu kontrollieren.
Kitsune sind Fuchsdämonen, entstammend aus der chinesischen Geschichtserzählung, die seit 270 n.Chr. überliefert sich um das Jahr 400 n.Chr. auch in Japan verbreitete. Und weil der Fuchs als Marderhund oft gesehen wurde, ist dieses Tier – weil negativ konnotiert – eher unwillkommen. So bissig Marder sind, so eindringlich wirkt Kitsune in diesem Spiel, unverfroren. Welche Rolle genau dieser Fuchsdämon im Spiel einnimmt, war der Präsentation der Entwickler nicht zu entlocken. Wenn sie den Erzählungen treu bleiben, dann handelt es sich hierbei um einen helfenden Gegenspieler.

In „The Spirit of the Samurai” ist ein Dorf des feudalen Japans bedroht. Kitsune erzählt davon. Das heißt, dass der Spieler in diesem Szenario zuerst in einen von den Toten wiederauferstandenen Samurai namens Takeshi schlüpft. Stereotypisch kurz in Konversationen angebunden beherrscht er die Kunst des Umgangs mit dem Katana. Wie sehr bestimmt der Spieler am Controller. Der linke Controller-Stick steuert die Bewegungen des 2D-Scroller Videospiels. Der rechte Stick übersetzt das Schwingen der scharfen Klinge direkt. Zeitlich präzise und nachvollziehbarer als etwa in „Ghost of Tsushima“ (Sucker Punch Productions, 2020) oder „Sekiro: Shadows Die Twice“ (FromSoftware, 2019) gilt es heraneilende oder aus dem Hinterhalt operierende Wiedergänger, japanischen Fabelwesen wie Tengu und Jorōgumo (Spinnenfrauen) den Gar auszumachen.
Die direkte Steuerung fordert Geschick, um das dahinterstehende Combo-Kampfsystem effektvoll einsetzen zu können. Distanzangriffe per Bogen mit unterschiedlichen, in Anzahl begrenzten Pfeilarten oder Nah- sowie Konterangriffe und Paraden müssen fehlerfrei in schneller Folge passieren, um nicht selbst wieder ins Land der Toten zurückgeschickt zu werden. Und weil sich das Spiel offensichtlich eng an der japanischen Mythologie und Folklore orientiert, ist auch ein sogenannter Oni Teil des Spiels. Dieser grimmig dreinschauende, Oger ähnliche Unhold/Dämon komplettiert neben weiteren Bosskämpfen ein unbarmherziges Setting, das wenig Fehler des Spielers zulässt.

Sobald man sich an Takeshi gewöhnt hat, hebt das Spiel einen aus dieser Rolle und präsentiert zwei weitere Mitstreiter, die gemeinsam mit Takeshi versuchen, zerstörte Dörfer, Berghöhlen, Grabstätten und andere Orte vom Übel wie Yōkai (Dämonen) zu befreien. Ein Mensch, ein Kodama und eine Katze sind in ihrem Schicksal verbunden. Kodama ist ein mutiges, aber kleines Geisterwesen. Chisai hingegen ist eine Kriegerkatze. Sie fügen spielmechanisch den Schwertgefechten Platforming und Erkundungssequenzen hinzu.
„The Spirit of the Samurai“ setzt darauf auf, weil laut den Entwicklern um Jose María Molina Vieites (Game Director, 3D Generalist) und Juan Alberto Martínez Segura (Programmierer) das Spiel überraschenderweise geschichtsgetrieben funktionieren soll. Ständig mit Katana, Yari und Bogen zu kämpfen, würde ermüden und die Bereitschaft der Geschichte weiter zu folgen reduzieren - vorallem, weil diese Stück für Stück freigespielt werden soll. Selbst wenn mit jedem besiegten Feind Takeshi an Erfahrung gewinnt, um mit deren Hilfe das ausgedehnte System verschiedener Kampfstile freizuschalten, es würde spielerisch nicht ausreichen. So sehr die Spezialangriffe und charaktereigenen Combos auf dem Weg zum Schloss des Oni im ersten Moment beeindrucken. Die Gefahr, dass sie sich mit der Zeit abnutzen, ist groß.

Die atmosphärischen, auf Sprites setzende Level helfen Immersion aufzubauen. Die Entscheidung die Tricktechnik von Ray Harryhausen zu imitieren, überzeugt. Obwohl im ersten Moment man etwas stutzig werden könnte, ob eine Stop-Motion-Animation für flinke Schwertkämpfe sinnig sein kann, war beim Anspielen der Demo auf der Gamescom klar, dass es funktioniert. Aufgelockert durch einige vorgerenderte Sequenzen wirkt das Konzept rund. Das im Spiel sich aufbauende, fiktive Japan oder präziser Edo sowie einige Dörfer der Provinz Hyasha erzeugen eine Ernsthaftigkeit, die direkter, roher und ungeschminkt dem Spieler ein sehr düsteres Szenario aufdrückt. Das fast schon märchenhafte „Sekiro: Shadows Die Twice“ oder das künstlerisch präsentierte „Ghost of Tsushima“ transferieren Kampf aufgrund ihrer herausragenden, und dennoch eher fantastischen Level in einen Bereich, der die Brutalität in den Hintergrund drängt. „The Spirit of the Samurai“ hält hingegen Verletzlichkeit, Brutalität, Unbarmherzigkeit und Düsternis im Zentrum.
Das Szenario respektive die Geschichte ist Chance und Risiko zugleich. Die niedliche Katze Chisai, der drahtige, emotionsflache und unumstößlich wirkende Takeshi sowie der mysteriöse Kodama könnten Teil einer spannenden Geschichte sein, die erinnerungswürdig ist. Ob sie derartig fesselnd wie etwa der Fantasy-Manga „Berserk“ von Kentarō Miura ist, sollte eher bezweifelt werden, obwohl die Mischung der Charaktere und Stimmung des Spiels etwas daran erinnern. Inwiefern das vorgestellte, narrative Konzept der Entwickler aufgeht, kann aus einer Demo nicht herausgezogen werden. Dass „The Spirit of the Samurai“ spielmechanisch funktioniert, war zumindest in der präsentierten Version erahnbar.