Blacksad Under The Skin Gib mir ein „A“

Kim Sofer Matthias19 Minuten Lesezeit

Übersicht
Microïds, 2020

Erstaunt wird der Kopfhörer beiseitegelegt: Was Moderator und Videostreamautor Felix Rick von gameswelt.tv soeben servierte, war für ihn einfach ein schlechtes Spiel? Mit keinem Wort erwähnte er die besondere originäre Herkunft oder das, was „Blacksad Under the Skin“ (Péndulo Studios, YS Interactive, 2019) zu eben jenem Kult Comic-Spiel macht, ohne eine „Spielemechanik-Kopie“ von Telltale Games Storytelling sein zu müssen. Aber warum dieser Vergleich? Wer war nochmal Telltale Games (2004 – 2018)? Die Firma mit dem gewissen „Crunch“? Warum sollte ein französischer Videospielhersteller mit der gleichen jahrzehntelangen Spielerfahrung im Point-und-Klick-Adventure ausgerechnet diese Spielmechanik „kopieren“ müssen? Es waren ja auch eher die bereits sehr viel bekannteren IPs, über die sich Telltale Games erst sehr viel später als erfolgreicher Lizenzverwerter im Point-und-Klick-Adventure-Genre „hermachte“, aber zu Anfang achtzehn Titel bis zu ihrem wirklich großen Durchbruch mit der spielbaren Comicadaption von „The Walking Dead“ (2012) vorher acht weitere Jahre benötigten. Darunter waren auch Titel, wie das erfolgreiche „Sam & Max“ (2006), aber auch Ladenhüter, wie „Jurassic Park“ (2011) und „Back to the Future“ (2010).

Microïds, 2020, YouTube, 2020

Aus momentaner Einordnung herausgerissen

Telltale Games mit dem hinter „Blacksad Under the Skin“ stehenden Péndulo Studios zu vergleichen entspringt der gleichen spontanen Bewertungshoheit, wie der Verdacht, dass Felix Rick unfreiwillig damit ein Riesenlob über den bisher erst zehnten Titel von Péndulo Studios ausspricht. Intensive Unterhaltungen mit Game-Producer Nouredine Mohammed Saad und dem Produktmanager von Microïds Olivier Figère des hier so schäbig dargestellten und bewerteten Spieles lassen die Frage aufkommen, ob man an der Aussage eines wirklich erfahrenen Spieleredakteurs mit Quote zu scheitern droht? Sollte die Intuition für ein spannendes Videospiel beim zufälligen erstmaligen Betrachten der zugrundeliegenden Titelgrafik auf der Gamescom 2018 falsch gewesen sein? Ähnlich, wie bei dem damals ebenso schlecht besprochenen und durch das Drama hinter dem „Burzum“ T-Shirt von Videospielentwickler Daniel Vávra gleichsam mitverrufenen „Kingdom Come: Deliverance“ (Warhorse Studios, 2018), ist eine Spurensuche nach dem Ursprung des Comic-Kults notwendig und sogleich bliebt man beim Lesen von Band 1 der „Blacksad Under the Skin“-Reihe auf der zweiten Seite stecken:

Sometimes, when I go into my office, I get the impression that I´m walking among the ruins of a lost civiliz(a)tion not because of the reigning disorder, but it all seems to be the remains of that civilized person that I used to be.

– Blacksad, Band 1, Seite 2

War Felix Rick über diese kleine, sehr männliche und selbstironische Anmerkung einfach gestolpert? Der Nachweis schlechthin, dass echte erstmalige Identifikation mit seinem Protagonisten doch die größte Anerkennung des - und das größere Angebot an den - werten Leser bieten sollte? Was hat denn laut Rick „Batman“ mit „Blacksad Under the Skin“ zu tun? Offensichtlich eher so viel wie Hundekuchen mit Schulranzen. Batman war nie wirklich „selbstkritisch“ und schon gar keine „menschelnde“ Katze, sondern eher eine (Fleder-)Maus. Der großartig entworfene Artcomic-Charakter John Blacksad ist stattdessen noch jung, bereits mehrfach ausgezeichnet und hat innerhalb von nur fünf Bänden viele begehrte Comic-Preise eingeheimst, sich in Frankreich eine große Fangemeinde und den Dargaud Verlag erarbeitet, was beachtlich ist.

Aber so bunt und freundlich die Comicwelt dieses Fabelkrimis auch scheinen mag, harmlos ist das beileibe nicht. Das digitalisierte und spielbare Comicwerk ist erstmal störrisch, wie eine alte Bergziege auf der Nintendo Switch und die Texturen poppen, wie Sylvesterraketen am Januarmorgen 2020, während die Steuerung der Figur bereits ein erstes Tatmotiv für einen „Mord“ am verantwortlichen Programmierer darstellen dürfte.

Microïds, 2020

Dennoch ist die sich langsam einschleichende und vielschichtige Spielmechanik faszinierend genug, bei den Ermittlungen schon zu Anfang eine moralisch verwerfliche Tat unterzujubeln und den Spieler beim Menschsein auf frischer Tat zu ertappen: Gerne wird gelogen, weil man weder die Klientin ernsthaft enttäuschen will, noch man sich der Situation aussetzen möchte, von einem Nashorn in tausend Stücke gerissen zu werden. Die Immersion ist perfekt, weil sie mit der Handlung durch John Blacksad wirklich und sogar moralisch identifiziert und sich als eine raffiniert verknüpfte „multiple choice-in-time“ Funktion darstellt. Daher ist „Blacksad Under the Skin“ schon in den ersten 50 Minuten spannend und harmoniert in Grafik, Farbwelt und noch unklaren Spielmechaniken. Die Synchronisation der Figuren in deutscher Sprache ist hervorragend und passt sehr gut ins Setup des New Yorks der 1950er. Das Sounddesign ist ein wenig spartanisch, könnte aber auch möglicherweise durch ein „Zuviel“ vom Ermitteln abhalten. Ein wenig mehr steuerbare „Umsicht“ in der dreidimensional abgebildeten Comicwelt hätte aufgrund des Mediums Videospiel nicht geschadet.

Ein Videospiel ermitteln

Die erscheinenden Nintendo-Switch-Steuerungs-A´s in der Beweisaufnahme beim Ermitteln sind am Anfang des Tutorials noch einfach und wirken simpel. Man geht herum und die A´s erscheinen. Geht man nicht herum, findet man auch keine A´s und hat damit auch keine Ermittlung. Doch die vielen Texte begleichen, was man zu Anfang leicht unterschätzt. Die Entwickler wollen langsam und vorsichtig eine sehr dichte Geschichte im Kopf des Spielenden bilden und das gelingt ihnen auch. Man fühlt sich unmittelbar dabei ertappt, nicht das krasseste Element in einer vorgegebenen Handlungskette auszusuchen, wird aber immer mutiger dabei, Entscheidungen zu treffen, die eben auch für einen Selbst, geprägt durch die zahlreich gespielten RPG-Stereotypen, widersprüchlich sein werden - so wie im richtigen Leben. Das KI-Charakterbild von John Blacksad merkt sich dies, protokolliert scheinbar jeden noch so winzigen Handlungsverlauf. Zumindest liest man dies nach einer erneuten Entscheidung in einem „Mein-Blacksad”-Fenster. Ob das endgültig Ende dann auch „meine persönliche Blacksad-Story“ widerspiegelt, bleibt offen.

Microïds, 2020

Viele Tage später, mit frohem Eifer die Festtage überstanden zu haben, wird „Blacksad Under the Skin“ weitergespielt, obwohl ein erneut enervierender Ladebildschirm und Bugs, Texturen, Telefonklingeln in der Boxhalle und die schwer nutzbare Switch-Steuerung aus zu vielen A-Tastbetätigungen anfänglich ein wenig frustrieren. Dietriche unter dem Sofa hervorzuholen ist daher eine größere Herausforderung, wenn man all die vielen Hinweise für die Nutzung des linken Controller Feldes der zahlreichen A´s vorher nicht korrekt verstanden hat. Und nachdem das Programm widerspenstig wie besagte Bergziege den Spieler aus dem sogenannte „Flow“ wirft, zweimal Tasteneingaben nicht akzeptiert und der Spielspaß fast gänzlich verfolgen ist, läuft die Beschaffung der Dietriche dann doch flüssig ab, so wie die nächsten zwei Stunden Investigation mit zahlreichen Ermittlungsdetails. Das macht Spaß und lässt einen tiefer in den verwundbaren Charakter von John Blacksad eintauchen und mit ihm rund um die und in der Boxhalle ermitteln.

Microïds, 2020

Obwohl die „Third-Person“-Steuerung mit der Kamera, einige durch Programmierfehler konzipierten Flaschenhälse und die aufpoppenden Texturen auf der Switch so manche Spieler verzweifeln lassen werden, hat die Straße von John Blacksads New York, sein Büro, die Boxhalle und der blinde Ziegenbock-Obdachlose etwas für sich. Ebenso muntern Hinweis auf eine sehr lange Spieldauer und der Mut, Rassismus eine sehr ernsthafte Rolle zugeben, auf. Alles zusammen bildet einen immersiven Hebelgriff. Die Ermittlungen um den Suizid des Boxstall-Betreibers gehen weiter.

Microïds, 2020

Das Spiel lässt auch in seinem Vorantreiben und seinen Belohnungen für genauere Ermittlungen gar nicht genug Zeit, um bewusst zu reagieren und all die doch recht klein geschriebenen Texte auf dem Switch Display lesen zu können. Intuitiv werden Vernehmungsfragen, die man zu stellen hat, ausgewählt. Das macht ebenfalls viel Spaß und lässt bei all den vielen Eindrücken der anfänglich circa zehn Charaktere und trotz vieler gespeicherten Hinweise, die John Blacksad in seinem Katzenschädel sortiert und ähnlich wie in Memory paaren muss, nicht die Kontrolle verlieren. Die Reihenfolge der ausgewählten Fragen scheint aber auch eine gewisse Rolle zu spielen, da nach bestimmten Fragen der entsprechende Charakter ab und an stur die Auskunft verweigert. Der beabsichtigte Comic Stil des Videospieles bleibt dabei der Vorlage treu und die Bewegungen des Katers und aller beteiligten Figuren sind passend animiert, auch wenn die Kamera sehr gewöhnungsbedürftig bleibt. Geschmeidigkeit und Coolness, aber auch „Einstecken können“ des Katzendetektivs setzen sich nahtlos im Spielfluss fort. Die Gesichtsanimationen der Tiere sind dabei ebenso reduziert wie interessant, wenn man bedenkt, dass es sich hier eben auch um eine Art „Verfilmung“ von einer auf Comics basierenden Grundsituation handelt und der Verlauf der Handlungskette trotzdem eher selten in zu viele vorgefertigte Zwischensequenzen auszuufern scheint. Natürlich gibt es auch in „Blacksad Under the Skin“ reaktive Inhalte, die man in einer vorgegebenen Zeit bedienen muss. Man wird aber dabei nicht in frustrierende Neustarts mit enervierender Ladezeit und nervenden Startpunkten gemäß „Du bist tot!“ geworfen, sondern kann die gesamte, selbst verdorbene Situation sofort wiederholen und alles richtig machen, um weiterspielen zu können.

Detaillierte Spielmechaniken

Zuerst bekommt man den Eindruck, dass einen das Spiel mit sechs grundsätzlichen Mechaniken, die sich im Verlauf des Spieles raffiniert ergänzen, schlichtweg überfordern möchte: Da ist zunächst die Beweisaufnahme beim jeweiligen Charakter durch Fragen gesteuerte Dialoge und stille Beobachtungen als Hauptfunktionen.

Microïds, 2020

Dafür muss der Spieler innerhalb der Dialoge während einer ablaufenden Zeituhr vier bis fünf Fragen unterschiedlicher Inhalte und Manipulationsabsichten lesen, eine Frage davon auswählen und dem Gegenüber stellen. John Blacksad stellt diese anschließend sinngemäß im danach ablaufenden Videospieldialog mit einem entsprechend angepassten Verhalten, was der Immersion und der eigenen Entscheidung sehr schmeichelt. Blacksad stellt die Frage aber auch mit der notwendigen Eiseskälte oder sehr empathischen Wärme, je nach Auswahl des Inhalts, was für eine wirklich interessante Inszenierung und damit beabsichtigte Immersion spricht.

Microïds, 2020

Die Spielfunktion der stillen Beobachtungen aus der direkten Perspektive (Point of View) von John Blacksad hingegen sind erforschbare Details in der Bekleidung, dem Geruch, Objekte im Raum, und so weiter des Gegenübers. Die stillen Beobachtungen wirken zusätzlich interessant durch das dafür gewählte monochrome und weitwinklige Bild, das zum Observieren des dafür eingefrorenen Szenenbildes der entsprechenden Verhörsituation einlädt; was aber auch als eigenständiges Element innerhalb eines dramatischen Quicktime-Events eine spannende Verwendung findet, wenn man schnell genug reagiert. Der Spieler tastet gewissermaßen mit der „John-Blacksad-Cam“ im Wechsel aus Zoomen und Kamerabewegung mit den Joycon-Sticks den vorgegebenen dreidimensional wirkenden Bildausschnitt ab und wird durch die Steuerung per stetig ansteigender oder abfallenden Controllervibrationen nach dem „Heiss vs. Kalt“ Prinzip und durch die Veränderung eines Kreises im Bild letztlich zu den relevanten Punkten geleitet. Diese heben entweder den Handlungsfortschritt oder eine spezielle Eigenart der Figur hervor und führen zu Erfahrungspunkten und Ermittlungserfolgen. Diese werden dann in der Ermittlungszusammenfassung in lesbaren Kernaussagen im „Hirn“ von John Blacksad zu Paarungen oder Dreierkombinationen vereint. Sie liefern eine neue Gesamtaussage und beeinflussen wieder die übergeordnete Handlung und das zukünftige Verhalten der Figuren. Jedes noch so winzige Detail, das ermittelt wird, bekommt daher Relevanz und die Ermittlung wird wichtig und genauer, ohne das Gefühl von unnötiger Arbeit zu haben, wie es in vielen sinnlosen Quests zahlreicher Triple-A Videospiele zu oft vorkommt. Dass die Figuren in „Blacksad Under the Skin“ aber allesamt auch lügen werden und eigene Ziele verfolgen, wird dabei für den ermittelnden Spieler genauso handlungsrelevant und spannend inszeniert.

Microïds, 2020

An einigen Stellen kann man durch falsche Entscheidungen nach Beobachtungen oder Gesprächsverläufe mit den Figuren völlig falsch liegen. Es ist möglich zu falschen oder eben gar keinen Ermittlungsfortschritten zu gelangen, ohne es zu merken. Das bedeutet konzentriert zu bleiben. Das spielerische, inhaltliche Glatteis aus falschen und richtigen Entscheidungen lässt einen wirklich weitergleiten. Das Spiel belohnt für konsequente oder nachsichtige Haltung bei Erfolg in der Ermittlung durch vorgerenderte Szenen, die die Relevanz und die Zuverlässigkeit eines riesigen mehrschichtigen Plots vermitteln. Wenn man sich auf die Art und Weise des ermittelnden Einzelgängers John Blacksad einlässt, der im Dialog mit der nächsten Figur selbst immer mit einem Bein im Betrug oder der Selbstkorruption zu stehen scheint, vereint sich, was die Entwickler intendierten. In dieser Spielmechanik ergibt es sich, dass man Mut aufbringen muss, um auch einem „Wolf“ nicht zu viel Kritik, aber eben auch nicht zu viel „Zucker zu geben“, um mit Hilfe seiner Plapperhaftigkeit einen weiteren eigenen Ermittlungserfolg zu verbuchen.

Microïds, 2020

Da das Spiel echtes „Kopfkino“ auslösen kann, können die zum Teil sehr langen, intuitiv eher nervenden schwarzen Ladebildschirme letztlich zu hilfreichen Denkpausen mutieren. Im Gegensatz dazu stehen die stressigen Prozesse langer und konzentrationsbedürftiger Dialoge durch Zeitdruck des Countdowns, die sich unvermittelt in einen wortgewaltigen Schlagabtausch verwandeln können. Ebenso sind die reaktiven Quicktime-Sequenzen zu sehen, die im Gegensatz zu gewohnten „Point-and-Click Adventuren“ schnelleres Reagieren erfordern. Eine gesunde Mischung aus spielerischer Intuition, Geschick, Aufmerksamkeit und Logik wird vom Spieler eingefordert. Trotz falscher Reaktionen im Quicktime-Event nicht zu einem völlig absurden Einstiegspunkt zurückgeworfen zu werden, sondern nahtlos den gegenwärtigen Konflikt zu lösen, ist charakteristisch für „Blacksad Under the Skin“.

Microïds, 2020

Auch keine Antwort, das heißt ein Verweigern der Benutzung der vorgegebenen Fragen, ist bei „Blacksad Under the Skin“ eine Antwort! Diese Verweigerung wird sofort vom Gegenüber entsprechend kommentiert. „Keine Antwort“ lässt die Figuren manchmal Dinge sagen, die völlig unvorhergesehen wirken und dennoch handlungsrelevant bleiben. Die Dramatisierung der Stille ist Stärke des Spiels in seiner Inszenierung! Die „Ermittlung in Räumen“ lässt den Spieler durch die entsprechend gesetzten A-Marker in der jeweiligen Szenerie Details herausfinden, solange man John Blacksad überall durch den Raum steuern kann. Dankenswerterweise haben die Entwickler bei den zum Teil großen Mengen an versteckten Hinweisen durch eine clevere Programmierung dafür gesorgt, dass man nicht aus Versehen das gleiche Ermittlungs-Detail in einer Szene durch die schwerfällig Steuerung wiederholt aufrufen muss. Bei wirklich wichtigen Elementen in der Szene kann dies dennoch ab und an passieren.

Microïds, 2020

Die sechste und letzte Kategorie der Spielmechaniken bildet ein Sammelalbum („Hall of Fame“), das man durch spontane Funde von Sportsammelkarten wie bei einem Panini Sammelalbum befüllt. Welcher Logik diese Spielmechanik folgt, ist nicht ganz klar. Nach Betrachtung eines Teils der Comics der „Blacksad Under the Skin“ Serie wundert einen eh kaum noch etwas. Man ist bereit, alles mit diesem Detektiv durchzuführen, was das Spiel an Möglichkeiten lässt.

Die Problematik der spielerischen Digitalisierung erfolgreicher Vorlagen

In Anbetracht der vorgestellten Spielmechaniken ergibt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen Telltale Games und Péndulo Studios Grundkonzepten, den etwa Felix Rick und andere vollkommen vernachlässigen: Die Anzahl erfolgreicher Kandidaten von „Film-Versoftungen“ in Videospielen ist genauso gering, wie deren reziproke Buch- oder Serienadaptionen. Meist passen Spielmechaniken oder Visualisierungen von „Versoftungen“ oftmals gar nicht mehr zum Inhalt der jeweiligen, originalen, kulturellen Ausdrucksform, das heißt zu deren „erster“ Umsetzung in Buch-, Film- oder Spielform völlig ohne Zweitverwertungsgedanken aus dem persönlichen Profil seines Autors erschaffen wurde. Ob „Rambo“ (Teyon, 2014; Film zu Videospiel) oder „Herr der Ringe“ (Electronic Arts, 2004; Buch zu Film zu Videospiel), ob „Harry Potter“ (KnowWonder, Griptonite usw., 2001; Buch zu Film zu Videospiel), „Avengers“ (Gameloft, 2012; Film zu Videospiel), der „Witcher“ (CD Projekt Red, 2001; Buch zu Videospiel zu Serie) oder „Batman“ (Rocksteady Studos, 2009), der als Hauptfigur in Comic, TV-Serienadaptionen und Computerspielen seit den frühen 1960ern immer wieder erfolgreich brilliert; Solche IPs eint das sogenannte Content-Marketingprinzip, das meist über alle Medienformate übergreifend erfolgreich sein kann, aber die zugrundeliegende Urform oftmals inhaltlich und formal misshandelt, wenn man sich an die Quelle seiner Schöpfung zurück begibt.

Aktuelle Beispiel gibt es genug, denkt man etwa an den Fall „Sonic the Hedgehog“ (Jeff Fowler, 2020), der durch einen Designfehlern des in der Spielfilmadaption titelgebenden Hauptcharakters beruhenden Shitstorms Schlagzeilen machte (vgl. z.B. Wired). Marketingtechnisch war genau diese Empörungswelle ein Aufmerksamkeitserreger für den blauen Igel und führte letztlich zu einem unerwarteten Kampagnenerfolg, der erstmal nur den Spielfilm-Trailer betraf und damit den Zuschauer entscheiden lies, ob und wie er sich mit diesem „falschen Igel“ identifizieren würde.

Microïds, 2020

Bei „Blacksad Under the Skin“ ist von jenem Contentmarketing im Vergleich zu Telltale Games nichts zu spüren, da der originäre Inhalt der vorhandenen Comicserie im adaptierten Videospiel nicht nur durch wiederkehrende Nebencharaktere der „Blacksad Under the Skin“ Comicreihe konsistent bleibt. Auch der in den Comics vorkommende Rassismus, der unserem „schwarz traurigen“ Helden immer wieder zu schaffen macht, ist im gegenwärtigen Videospiel handlungstreibend integriert, was von den darüber berichtenden Spieleredakteuren scheinbar nicht wahrgenommen wird. In der Comicadaption „Watchmen“ (HBO, 2019) wird über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ebenso nach- und weitergedacht, wie sogar in „The Witcher 3: Wild Hunt“ (CD Projekt Red, 2015). Warum sollte man solch ein wichtiges Detail einfach ignorieren?

„Blacksad Under the Skin“ ist kein Märchen, wie „The Wolf Among Us“ (Telltales Games, 2013), sondern eine eigenartige Krimifabel, die eine völlig neuen Geschichte präsentiert und gar nicht erst versucht, populäre IPs für die Investoren schmackhaft und für den Verbraucher kaufbar zu machen. Die gezeichnete Grafik, die Kolorierung und Inszenierung der Bilder der Vorlage, ist auf einem sehr hohen klassischen Niveau großer alter Comicserien. Nicht umsonst hat ausgerechnet Dargaud die Rechte an diesem Gesamtwerk und lässt es liebevoll und ohne „Mutationen der Grafik“ oder „schlechte Spielmechaniken“ auch im Videospiel zu einem eigenen Kunstwerk werden, ohne den Comic Aspekt und seiner Details auch nur einmal zu vernachlässigen. Das Spiel geht sogar so weit aus den eigenen Handlungsschritten und Entscheidungen einen eigenen Comic zu destillieren, den man sich in einer Art Retrospektive auf der eigenen Spielkonsole durchlesen kann. Das ist hervorragend und die wohl loyalste Form dem Kunstwerk Comic nicht nur Respekt zu zollen, sondern aus dem „Comic-Erlebnis“ spieltechnisch neue und inhaltlich relevantere Formen für eine perfekte Comicadaption zu gewinnen.

Microïds, 2020

Das ist alles andere als eine plumpe Nachahmung, wenn man sich beim Lesen des Comics ebenso wenig gegen aufkommende Tränen wehren kann, wie man sich im darauf basierenden Videospiel eifrig und aufgewühlt gegen das vorzeitige Sterben von John Blacksad wehrt. „Blacksad Under the Skin“ wäre eine ausgezeichnete Erweiterung einer zu Recht populären Comicserie geworden. Bis zum zweiten Drittel ist das Spiel eine zu empfehlende Digitalisierung von geschriebenen und gezeichneten Worten in einem verschlingenden Bilderfluss eines fantastischen Grafikromans für Erwachsene. Doch während man immer weiter im Spielverlauf der Switch-Version voranschreitet und man es immer häufiger mit auftretenden Fehlern zu tun bekommt, lässt dies die eigene Reaktionszeit und Zielstrebigkeit in Stunden schwinden. Es ist nicht das Spiel, das man zuerst als Herausforderung erlebt, es sind möglicherweise seine Programmierfehler, die einen zum Schluss wütend zurücklassen.

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