Die Marke „Warhammer 40k“ leidet, und zwar nicht zu knapp, denn die Anzahl der qualitativ hochwertigen Videospiele zum Franchise sind eher in der Unter- als in der Überzahl. Jüngstes Beispiel ist etwa „Space Hulk: Deathwing“ (Streum On Studio, Cyanide Studio, 2016), das zwar optisch aber nicht spielerisch überzeugen konnte. Manche Anhänger spekulieren wegen des Eindruckes, dass viele „Warhammer 40k“ Videospiele von eher mittelmäßig erfahrenen beziehungsweise kompetenten Entwicklerstudios veröffentlicht wurden, ob nicht vielleicht die Lizenzpolitik von „Games Workshop“ daran schuld sei. Denn selbst die Entwickler von „Ride to Hell: Retribution“ (2013), Eutechnyx, die sich mit deren Projekt in keiner Facette mit Ruhm bekleckerten haben, durften sich mit „Warhammer 40.000: Storm of Vengeance“ (2014) an der Marke recht uninspiriert ausprobieren
Erschienen am
27. April 2017
Entwickler
Plattformen
Spieldauer
Für „Dawn of War“ hatte „THQ“ zunächst exklusiv die Lizenz zur Entwicklung von Videospielen inne. Seit neuerer Zeit verkauft beziehungsweise vergibt nun aber „Games Workshop“ für die gesamte „Warhammer 40k“ Marke die Lizenzen projektweise. Es ist fast ein Segen, dass „Dawn of War“ in den Händen von „Relic Entertainment“ verblieb, denn die Kanadier verstanden es schon zuvor, konsistent gute „Warhammer 40k“ Spiele zu entwickeln. Trotz der wachsenden Skepsis gegenüber der Qualität der verschiedenen Videospiele rund um das ständig von Krieg durchzogene Universum, verharrte Relic nicht in alt Etabliertem, sondern wagt nun ein Mashup, das bisher so noch in keinem „Dawn of War“ und erst recht in keinem anderen Relic Strategiespiel umgesetzt wurde.
Because it’s waaagh!
Wer Neues versucht, beginnt stets von vorn und heimst sich somit eine Menge an zusätzlicher Arbeit ein. Zu Beginn des noch jungen Spiels schlägt das durchaus zu Buche, denn der sogenannte „Power Core“ Modus ist momentan der einzige, den man entweder gegen NPCs oder andere Online-Spielende bestreiten kann. Das Ziel ist, wie man dem Namen unschwer entnehmen kann, den gegnerischen Energiekern zu zerstören. Hierzu muss man sich einen Weg ebnen, der durch Schildgeneratoren und Verteidigungsanlagen versperrt ist. Die Anzahl der angebotenen Modi ist nicht wirklich das Problem, als vielmehr die schnell aufkommende Langeweile, denn die taktische Vorgehensweise ist prinzipiell die Gleiche: Man schicke eine möglichst große Streitmacht gen Gegner, um mit etwas taktischen Feingespür in einem großen Kampfgemenge alles zu überrollen, was sich der Kampftruppe in den Weg stellt.
Die Ausgestaltung dieses Spielkonzepts teilt sich in ein kleines Wirtschafts- und Bausegment sowie ein klar dominierendes Schlachtensegment auf. Wirtschaft und Basisbau folgen den Ideen aus „Dawn of War 1“ (Relic Entertainment, 2004). Neben dem Bau einzelner Fertigungs- und Aufrüstungsanlagen für die jeweiligen Einheiten ist der Kampf klar im Vordergrund. Allein der immerwährende Wettlauf um das Erobern und Halten auf der Karte verteilter Ressourcenpunkten spricht eine eindeutige Sprache. Dabei erfordert dieses Ringen um die Kontrolle viel Konzentration und hohes organisatorisches Geschick, denn neben dem ständigen Gewusel auf der kleinen Übersichtskarte greifen die drei spielbaren Fraktion in ihre eigene Trickkiste. Die Eldar teleportieren Einheiten oder ganze Gebäude über die Karte, die Space Marines bauen auf Verstärkung durch Landekapseln und die Orks plündern Schrott vom Schlachtfeld, um ihre vorhandenen Truppen mit Verbesserungen und neuen Fähigkeiten zu versehen. Das bedeutet Finesse bzw. strategischen Tiefgang und zumindest über die Fraktionen hinweg eine gewisse Varianz in den angebotenen Spielmechaniken. Allerdings wurde die Idee, die bestehenden Einheiten mit alternativen Waffen oder Anführern auszustatten, fast gänzlich verworfen, was nicht wirklich auf logisch-spielerische Ebene zu erklären ist. Die angebotenen Doktrinen (globale Boni) zu Beginn einer Spielrunde sind nur ein magerer Ersatz. So verschiedenen die Völker auch sein mögen, die fehlenden Aufwertungsmöglichkeiten der einzelnen Einheiten lassen sie dünner und fader erscheinen.
-
Space Marines
Die stärkste Infanterie und die dicksten Maschinen gehören den Space Marines. Das eigentliche Aushängeschild des Warhammer 40k Universums sind wie eine Speerspitze konzipiert, denn sie sind die einzige Fraktion, die punktuell sehr schnell und sehr unnachgiebig per Landungskapseln bzw. Transportflugzeuge zuschlagen können. Dazu gesellen sich ritterähnliche Standarten, die zusätzlich Boni gewähren. ie originale Bezeichnung der Space Marines ist Astartes. Ihr Design soll Superkrieger verkörpern, die gegen jedweden Schmerz bestehen und bis zum bitteren Ende für den Imperator kämpfen. Ihre Unnachgiebigkeit und religiösen Tendenzen, die ihr Denken und Handeln bestimmen, werden teilweise in Spielmechaniken übersetzt.
-
Eldar
Die trickreichen Eldar arbeiten mit ihrem Warp-Tor, das den Einheiten in der Umgebung gewisse Boni gewährt. Als verlängerte Basispunkte unterstützen genau das, was die Eldar ausmacht: Schnelle Angriffe und Rückzuge. Alle Gebäude, auch Strukturen genannt, sind teleportierbar. Eine Kaserne kann somit beispielsweise an die Front befördert werden, um schneller Nachschub zu liefern. Die Arbeit mit den Portalen erlaubt die größte Stärke der Eldar, die Mobilität, die sich ebenfalls in den über Abgründe und Lavaseen hinwegschwebenden Hovercraftfahrzeugen wiederspiegelt.
-
Orks
Auch wenn die Orks optisch nicht gerade für Eleganz und Finesse stehen, so spielen sie sich konträr ihrer Erscheinungsform. Alles dreht sich um Schrott: Altmetall von feindlichen Panzern, Gebäuden oder Landekapseln werden gerne wiederverwertet, um sich selbst zu verbessern oder gar neue Kriegsmaschinen aus dem Boden stampfen, mit denen man dann schnurstracks gen Gegner marschiert. Die „Waaagh!“ Türme sind die zweite zentrale Spielmechanik. Sie feuern auf Feinde, lassen regelmäßig Schrott vom Himmel regnen und spielen Kriegsmusik, die die Kampfkraft der Truppe massig erhöht. Der Feind wird zwar ebenfalls alarmiert, wenn man zum Kriegstanz aufspielt, allerdings kann dieser Tanz auch als Ablenkungsmanöver dienen.
Die Eliteeinheiten oder auch Helden genannt sind der Versuch Relics mehr „Micromanagement“ innerhalb einer Schlacht einzubinden. Als Herzstücke jedes Gefechts ist die Qual der Wahl vor jeder Partie umso größer, denn einmal auf das falsche Pferd gesetzt, wird die gesamte Spielrunde so zu einer zähe(ere)n Angelegenheit. Neben haushohen Riesenrobotern gesellen sich einige aus dem Warhammer 40k Universum bekannte Persönlichkeiten wie auch Elitekampfeinheiten zu einem Neunerensemble pro Fraktion, wobei nur drei davon in den Kampf geschickt werden können. Alle erfüllen eigene strategische Rollen und wirken entweder im Verbund oder nur mit den richtigen Unterstützungstruppen effektiv. Das heißt, die Eliteeinheiten gewinnen Schlachten keineswegs alleine aber sie bilden das Bindemittel, das die Truppe zusammen respektive am Leben hält. Neben der optischen Opulenz, die alle Eliteeinheiten ausstrahlen, fordern sie durch ihre aktiven Fähigkeiten die Spieler dazu auf, den Kampf nicht nur auf Makroebene zu organisieren, sondern auch die angesprochenen Fähigkeiten im richtigen Moment auszulösen.
Gleichzeitig endet hier der taktische Tiefgang, denn im Vergleich zu „Starcraft 2“ ist „Dawn of War 3“ nicht ganz so hektisch, weil die Konzentration klar auf Schlüsseleinheiten liegt, die selbst kein Levelsystem spendiert bekommen haben – einmal auf dem Feld entfachen sie sofort ihre ganze Stärke. Die kleinen Scharmützel zu Spielbeginn sind als Ausnahme zu nennen, denn dort zählt jede einzelne Einheit. Ein Granatwurf oder eine zusätzliche Ausrüstung der jeweiligen Kampfeinheit kann das Kurzgefecht für sich entschieden. Um die Spielzeit in die Länge zu strecken, sind die Helden sinnigerweise erst im Laufe einer Spielrunde verfügbar. In den großen Endschlachten erwartet das Spiel ein gezieltes Granatwerfen o.Ä. nicht mehr. Je größer die Armee, desto eher stoßen auch große, teure Einheiten hinzu, die die volle Aufmerksamkeit ob ihres großen Gewichts in der Schlacht verlangen. Sie sind es, die ganze Kompanien des Gegners ausradieren. Das kleinere Fußvolk bleibt trotzdem wichtig, denn die Hektik auf dem Bildschirm birgt eine knallharte „Stein, Schere, Papier“ Logik in sich, die Fehler in der Zusammenstellung wie auch Positionierung rigoros bestraft. Selbst der größte Roboter beißt bei konzentriertem Dauerfeuer ins Gras.
Der Kampf um Identifizierungspunkte
So solide das Grundgerüst des Spiels auch auf den Mehrspieler ausgerichtet ist, so sehr kämpft „Dawn of War 3“ wie alle sogenannten „Real-Time Strategy“ (RTS) Spiele mit einer geschichtlich fesselnden Kampagne. Geschichten auf einer Makro- oder Mesoebene zu erzählen, ist gleich doppelt so schwer: Die Charaktere zeigen (a) keine Mimik und kaum Gestik, weshalb sämtliche Identifikationspunkte mit ihrer Handlung und ihrer Vertonung erschaffen werden müssen. Der Spieler ist (b) als Kommandant für eine Fraktion, nicht für eine einzelne Person verantwortlich. Spannung und Verbundenheit sind somit eng mit dem Wohl und Weh einer Kultur verbunden. Solang diese nicht wegen ihren Eigenheiten, Werten, Überzeugungen und ihrer Weltvorstellung als sympathisch wahrgenommen wird, verkommt eine Kampagne quasi automatisch zu einem Segment des „Gemacht habens“. Man klappert die Missionen der Reihe nach ab, nur um die Errungenschaft eines Kampagnenabschlusses für sich verbuchen zu können. Die Vertonung gelingt Relic Entertainment zumindest in der englischen Fassung außerordentlich gut, daran scheitert die Kampagne also nicht. Allerdings degeneriert sie trotzdem zu einem umfassenden 17 Missionen großen Fraktionstutorium, weil es sich um einen klassischen, in den Aufgaben abwechslungsreichen RTS-Feldzug handelt, der oft auf das gleiche Missionsendziel hinausläuft: Man hebt eine möglichst große Armee aus, um die feindliche Basis dem Erdboden gleich zu machen.
Ein tiefgründiger Einblick in die Philosophie der drei Fraktionen ist im Spiel kaum implementiert. Wer sich müht Nebensätze zu deuten und zwischen den Zeilen zu lesen, wird einen Hauch in die Welt von Warhammer 40k eintauchen. Ein faszinierender Tiefgang in ein ganzes Universum erlaubt das Spiel aber nicht. Dabei könnte selbst „Dawn of War 3“ durchaus mit interessanten Geschichten und einer sehr düsteren, dystopisch-militaristischen, wenn nicht gar klaustrophobischen Auffassung von Existenz überzeugen. Nicht nur die vielen Fanseiten im Web zeugen davon, sogar aufwändige Fanprojekte repräsentiere eine Begeisterung, die für das narrative Monster, das dieses Universum nun mal ist, spricht.
Relics neuester Spagat
Für „Dawn of War 3“ muss ein wesentlicher Gesichtspunkt dick unterstrichen werden: Das neueste Werk Relics geht nicht den gewohnten Gang à la „Company of Heroes“ (zuletzt „Company of Heroes 2“, 2013) oder „Dawn of War 2“ (2009). Es ist hingegen eines derjenigen Spiele, das sich radikal von der etablierten Relic Formel verabschiedet. Die Annäherung an klassische Strategiespiele, wie etwa „Starcraft 2“ (Blizzard, 2010) oder sogar „Warcraft 3“ (Blizzard, 2002), sind eindeutig, denn die steuerbaren Helden und die zugehörigen Steuerungselemente sowie der Schwerpunkt primär auf Einzelfiguren anstatt ausschließlich auf dem Kollektiv, zeigen in jene Richtung der Blizzard Schwergewichte. Grundsätzlich kann man darüber streiten, ob diese Marschrichtung nun gut oder schlecht ist, allerdings dürfte es Gewohnheitsspieler eher erschrecken als ermuntern. Wäre der Titel ein gänzlich anderer, hätte also nichts mit der „Dawn of War“ Marke zu tun, dann wäre die Rede von einem negativen Schock verfehlt. Die spärliche Bestückung des Kerngedankens „Mehrspieler“ mit einem Spielmodus ist momentan kein Segen und dürfte auf Versprechungen seitens Relic stützend in naher Zukunft primär um weitere Modi und sekundär um weitere interessante Spielkarten erweitert werden. Der Abspann zur Kampagne gibt zudem erste Hinweise darauf, dass es nicht bei drei Völkern bleiben wird. Die vierte Fraktion dürfte höchstwahrscheinlich die Necrons sein.
Den Spagat zwischen Einzelhelden und großen Armeen gelingt „Dawn of War 3“ mittelmäßig gut: Es spielt sich teilweise anspruchsvoll, teilweise hektisch und entfacht ein für das Warhammer 40k Thema passendes Gemetzel hinter dem sich ein eher zu kurzer Tiefgang verbirgt, der zusätzlich leider erst durch „Trail and Error“ Versuche ergründet werden muss. Kombiniert mit der Tatsache, dass die verschiedenen Eliteeinheiten sofort ihr gesamtes Potential entfachen und die Schlachtfelder (Level) sehr linear sind, kann der Beginn wie auch der leicht fortgeschrittene Konflikt exzessiv bestrafend erlebt werden. Die Designentscheidung ist hoch kontrovers, denn auf der einen Seite sollten diese Eliteeinheiten allein wegen ihrer konzeptuellen Rolle im Spiel so mächtig sein, auf der anderen Seite können sie bereits nach kurzer Zeit ein Spiel gefühlt viel zu schnell entscheiden. „Dawn of War 3“ gibt hierzu keine Ausflüchte: Wer meint sich einigeln zu wollen, wird schnell überrollt werden, denn es gibt kaum Deckungsmöglichkeiten, keine Bunker und keine Engpassagen. Getreu der schieren Brutalität der Schlacht, die das Aushängeschild von Warhammer 40k ist, ist Angriff die beste Verteidigung.