Die Marke „Doom“ steht für einen der ersten Ego-Shooter in simulierter Dreidimensionalität. Als Mitbegründer des Genres und der Einführung von Schrotflinte, Raketenwerfer und Kettensäge, kämpfte man sich bereits 1993 durch eine Forschungsstation, die von Dämonen übernommen wurde. In Deutschland war das Videospiel „Doom“ (id Software, 1993) in den 1990er nicht unumstößlich als Kunstform oder gar Kulturgut angesehen – es wurde vielmehr als jugendgefährdend erachtet. Im Mai 1994 landete das Spiel für 17 Jahre auf dem Index, ehe der Verkauf wieder legalisiert wurde. Das Bewerben wurde verboten, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien kritisierte vehement:
Erschienen am
20. März 2020
Entwickler
Plattformen
Spieldauer
Das Spiel setzt mit seiner spekulativen, effektheischenden Aufbereitung blutiger Metzelszenen im Wesentlichen auf ein beim potentiellen Nutzer vermutetes voyeuristisches bzw. sadistisches Interesse.
– BpjM, 1994
Das Verbot verbannte das Spiel zwar aus der Öffentlichkeit, die dadurch getriggerte Mystifizierung hob jedoch die Popularität des Spiels in kontrollfrei(eren) Räumen. Auf Floppy-Disketten o.Ä. tausendfach vervielfältigt wurde trotzdem konsumiert, was verboten war – teilweise eben genau deshalb. „Doom“ und die damit verbundenen, verpixelten Screenshots wurden Teil des einflussreichen „Hören-Sagens“. Ohne PR und ohne Marketing wurde es trotz Verbannung fester Bestandteil täglichen Videospielkonsums.
Dass das Spiel aber nicht nur, sondern auch wegen seiner Ästhetik überzeugte, darf nicht vergessen werden. Die Einschätzung der Bundesprüfstelle, dass der Entwickler allein den menschlichen Voyeurismus ausnutzend die schnelle Münze sicherstellen wolle, hätte spätestens nach dem dritten Spiel Desinteresse bedeutet. Sobald das Verbotene, Geheime oder Tabu kennengelernt wurde, verliert es seinen Reiz rapide. Ein neues Kostüm des dennoch gleichen Kerns würde wenig helfen. Gewalt wird und wurde in „Doom“ ästhetisch verbaut. „Dead Space“ (Visceral Games, 2008) und andere Videospiele stehen ebenfalls für diese Ästhetik. Es handelt sich dabei um eine Mixtur aus mittelalterlicher beziehungsweise neuzeitlicher Höllen- und Dämonenvorstellung, etwa eines Hieronymus Bosch (1450 - 1516), die mit einer auf den ersten Blick diametral entgegengestellter Science-Fiction-Szenerie kombiniert wird. Die Mixtur initiiert Befremden, weil weder das Optische noch das Narrative in seinem Aufbau vertraut ist. Die klassische Höllen-Himmel-Saga ist „Doom“ genau so wenig wie die bekannten Bilder eines „Star Citizens“ (Cloud Imperium Games) oder „Mass Effect“ (BioWare, 2007). In Mixtur von „Doom“ werden einige erzählende Konstrukte manchmal feinsäuberlich, das heißt sinnhaft integriert und manchmal mit Wucht unbedacht hineingepresst, um den Taten der eigenen Spielfigur Sinn zu geben.
Viel narratives Design nur als Beiwerk
„Doom“ (id Software, 2016) spielt auf dem Planeten Mars. Die Union Aerospace Corporation (UAC) unterhält dort nach der erfolgreichen Kolonialisierung des Erdnachbarn verschiedene Forschungseinrichtungen. Wissenschaftlicher Leiter ist Dr. Samuel Hayden, der als Cyborg ein leidenschaftlicher Verfechter des technischen Fortschritts experimentierfreudig seine Entdeckungen immer weiter vorantreibt. Im Zuge seines Schaffens stößt der UAC-Wissenschaftler auf eine parallel existierende Dimension; die Hölle. Diese beherbergt eine offenbar schier unerschöpfliche Energiequelle namens „Argent“. Weder Fusionskraft noch andere Energiequellen wären (mehr) nötig, wenn die neue Quelle angezapft werden kann. Sämtliche energiespezifischen Probleme wären mit einem Schlag gelöst. Archäologisch betätigend wird ein Sarkophag eines legendären Kriegers geborgen, der sich in einem langzeitlichen Schlafzustand befindet. Für weitere Untersuchungen werden sein Körper und die ihn umgebenden Artefakte in eine UAC-Einrichtung gebracht. Haydens Mitarbeiterin, Dr. Olivia Pierce, verfällt während ihrer Besuche in der Hölle immer mehr dem dämonischen Einfluss und beginnt, einen satanistischen Kult innerhalb der UAC einzurichten. Hayden lässt sie zunächst gewähren, weil die wissenschaftlichen Entdeckungen die durch Pierce verursachten Risiken/Kosten dennoch überwiegen.
Diese Abwägung verkehrt sich aber recht schnell ins Gegenteil, als Dr. Pierce ein Portal zur Höllendimension öffnet. Die Katastrophe ist mit einem Schlag perfekt. Die Kreaturen der Hölle überrennen die Forschungseinrichtungen auf dem Mars. Um bei den darauffolgenden Kämpfen wieder die Oberhand zu bekommen, lässt Hayden den in Stasis befindlichen, legendären Krieger wiedererwecken. Als Mitbewohner der Welt Argent D’nur hegt dieser schon lange Groll gegen die Hölle, hatte diese ihre Legionen gegen das technologisch weit fortgeschrittene Reich geschickt, um sich die Argent-Energie und andere Reichtümer einzuverleiben. Seine Rage kommt Hayden gelegen. Pierce wird erledigt, das Portal zur Hölle geschlossen. Sogleich stößt Hayden seinen „Helden“ ab beziehungsweise entsorgt ihn durch ein Portal, um sich selbst wieder als Gestalter einzusetzen. Schließlich sei die Erde wie der Mars ebenso in Gefahr von der Hölle verschlungen zu werden.
Keine acht Monate nach den Ereignissen auf dem Planeten Mars sind 60 Prozent der Erdbevölkerung ausgelöscht. Was von der Menschheit übrig blieb, ist entweder von der Erde geflohen oder hat sich als Teil von ARC, einer Widerstandsbewegung, zusammengeschlossen, um die Invasion der Höllenhorden zu stoppen. Wieder übernimmt der Spieler den verbannten Krieger namens „Doom Slayer“,. kehrt mit Hilfe einer intelligenten, navigationstüchtigen KI namens VEGA zurück, um das eigenhändig zu erledigen, was ARC nicht zustande bringt. Drei Höllenpriester namens Deags Nilox, Ranak und Grav, die die Armeen anführen, müssen eliminiert werden. Als verlängerte Arme eines engelähnlichen Wesens namens Khan Maykr soll die gesamte Menschheit geopfert werden. Dieses Vorhaben zu stoppen ist „Doom Eternal“.
Das Problem ist weder das Setting noch die Geschichte selbst – sie wirkt schlichtweg im Spiel nicht. Wer Zwischensequenzen stets abbricht und sich rein aufs Schießen und Erledigen der gesetzten Missionsziele konzentriert, wird „Doom Eternal“ durchspielen und kaum bis gar nichts von der Geschichte mitbekommen. Der eigene Charakter redet nie und zeigt, weil in Egoperspektive spielend, keine Mimik und Gestik. Es gibt keine Möglichkeit der Interaktion außerhalb des Kämpfens. Spieler und Avatar bleiben somit schier per Design distal zueinander. Es gibt keinerlei Motivation aus dem Spielen heraus, sich mit der Geschichte auseinandersetzen zu wollen. Nur die Neugierde verbleibt und selbst diese wird auf die Probe gestellt, weil alles textbasiert in einem Codex nachlesbar ist, anstatt eng mit dem Spielen verzahnt zu sein. Der „Doom Slayer“ ist eine Maschine im wahrsten Sinne des Wortes. Würde man die eigenen Arme und Hautpartien nicht sehen, könnte man meinen, er bestünde rein aus Titan, Metall, Kohlefaser und anderen für Maschinen notwendigen Stoffen. Das stille Unsympathische kann ab und an amüsant sein, aber eine gesamte Kampagne hindurch funktioniert auch diese Art von Humor nicht.
„Doom Eternal“ ist ein technisches Spiel
Wer „First Person Shooter“ der alten Schule schätzt, wird bei „Doom Eternal“ nur teilweise auf seine Kosten kommen. Aufgrund einiger Veränderungen zu „Doom“ (2016) mutiert dieses Spiel zu einem Gesundheits- und Munitionsmanager, der Managemententscheidung in Shootermechaniken aufgehen lässt. Man haut, schießt, schnitzelt und sprengt sich durch Horden an Höllenwesen mithilfe einer ordentlichen Anzahl unterschiedlicher Waffen. Sogenannte „Glory-Kills“, die vordefinierte, leicht variierende Sequenzen des Eliminierens eines angeknacksten Gegners zeigen, sind wie in „Doom“ (2016) Bestandteil des Spiels. Munition ist rar, ebenso schwindet die Gesundheit rapide, weshalb das linke und rechte Auge des Spielers immer gen Bildschirmrand schielt, um sicherzustellen, dass man nicht sofort abkratzt. Das bedeutet, dass die Konzentration nicht auf dem eigentlichen Spielen ruht, sondern substanziell der Spieler immer wieder damit konfrontiert wird, den eigenen Gesundheits- und Ausrüstungsstand ähnlichen eines Börsenmaklers abzuchecken. Aufgrund der hohen Kampfgeschwindigkeit in den aus vielen Arenen bestehenden Leveln geschieht das sehr oft.
- Bethesda Softworks, 2020
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Jedoch: Gleichzeitig ist das Ausrüstungs- und Gesundheitsmanagement aufgrund der hohen Spielgeschwindigkeit der Hauptfaktor für die Intensität des Geschehens auf dem Bildschirm. Man fluktuiert ständig zwischen „fast tot“ und „kerngesund“ hin und her. Viele Kämpfe enden auf Messers Schneide, was im Übrigen für eine gute Balance und ein ausgewogenes Design der Gegner spricht. Die Kernmechaniken rund ums Schießen und Kämpfen funktionieren tadellos und harmonieren als eine Einheit. Ähnlich zu „Doom“ (2016) sind die angesprochenen „Glory-Kills“ notwendig, um Gesundheit zurückzugewinnen, die Kettensäge sorgt beim Zersägen von Gegnern für Munitionsnachschub und das Anzünden per Flammenwerfer garantiert zusätzliche Rüstung. Ein Verstecken, um automatisch Gesundheit zur regenerieren, gibt es nicht. Taktisches Planen ist nicht möglich. Das Konzept „Doom“ wird stringent vorgesetzt.
Zusätzlich legt der Entwickler id Software in „Doom Eternal“ großen Wert darauf, dass der Spieler sich auf die jeweils vorgestellten Schwachpunkte der verschiedenen Gegner konzentriert. Man zwingt den Spieler förmlich zwischen den verschiedenen Waffen schnell hin und her zu wechseln, um nicht zu viel Zeit mit einem der fünfzehn verschiedenen Gegnertypen zu verbringen. Nachladeanimationen werden dadurch übersprungen, der Fluss an zusätzlichen Gegnerwellen bleibt beherrschbar, sodass aus Überforderung langsam Souveränität entsteht. Kleine Entwicklungsbäume und zusätzliche Boni zur Verbesserung der eigenen Ausrüstung beziehungsweise körperlichen Kondition sind hilfreich, aber löblicherweise nicht die Rettung, wenn die eigene Reaktionsgeschwindigkeit substanziell zu langsam ist. Ein echter Spielfluss rund um die beschriebenen Mechaniken kommt leider nicht gänzlich zustande, weil das kontinuierliche Zersägen und animierte Eliminieren den Spielfluss stören. Ausnahmen, wie der Maraudeur, der mehr oder weniger allein in einer Arena auf einen wartet, bestätigen die Regel. „Glory-Kills“ wirken in Einzelkämpfen belohnend, im Horden zerschießen hingegen spielflussbrechend. „Doom Eternal“ versucht Chaos zu sein, portioniert dieses aber unfreiwillig.
„Doom Eternal“ ist somit Teil einer eher kritisch zu betrachtenden Triple-A Entwicklung: Fast alle Entwicklerstudios beharren darauf, genuines Spielen durch vorprogrammierte Zwischensequenzen oder Animationen zu ersetzen. Der Spieler wird Zuschauer oder drückt maximal einen Knopf. Das Spiel baut stark auf dieser Designentscheidung auf. Die „Glory-Kills“ sind beispielsweise in Trailern und so weiter hervorstechend, werden aber nach dem zehnten Anschauen langsam unwesentlich bis störend. Eine beeindruckend wirkende, fesselnde Sequenz verkommt zum simplen Tastendruck. Atypisch zum Konzept entschied man sich Parkourelementen mehr Gewicht im Spiel zu geben. „Jump ‘n‘ Run“ aus der Egoperspektive gliedert sich nicht nahtlos in das bestehende Konzept ein. Sicherlich ist die bekannte, hohe Bewegungsgeschwindigkeit, und das agile Hin- und Herhüpfen zwischen einzelnen Plattformen in einem Arenakampf immersionsfördernd. Warum es aber notwendig erscheint, riesige Schluchten oder Ähnliches spielend zu überbrücken, erschließt sich aus Sicht des Spielkonzeptes nicht. Sie als Herausforderung zu bezeichnen, wäre eher lächerlich, weil es nicht auf Rhythmisierung oder ausgeprägte Koordination am Controller ankommt. Es bleibt offen, welchen Zweck die Parkourelemente besitzen, denn die detailreich ausgestaltete Welt wird aufgrund des isolierten Narrativen nicht als wesentlich erachtet.
Gleiches gilt für den Mehrspieler, der nicht mehr wie in „Doom“ (2016) auf einen sogenannten „Deathmatch“ Modus setzt, sondern einen „Battlemode“ anbietet. Ein Spieler nimmt die Rolle des Doom Slayers ein, zwei andere übernehmen die Rolle der Dämonen. Die Entscheidung zum Austausch des „Deathmatch“ Modus liegt auf der Hand, weil dieser Spielmodus näher an der Kampagne liegt, als ein rein aufs Schießen ausgerichteter „Deathmatch“ Modus. Wer die Rolle des Slayers spielt, nimmt kaum Veränderungen war, außer dass die Dämonen etwas intelligenter agieren. Einen Dämon zu spielen ist hingegen um einiges interessanter, weil es sich vom sonstigen Schießen und Zerschneiden spielerisch unterscheidet. Außerdem wird in der Kampagne bereits ein „Battlemode“ mehr oder weniger angekündigt: Man konnte einmalig für kurze Zeit die Rolle eines Revenant übernehmen. Wie zu erwarten war die Serverstruktur zu Beginn der Veröffentlichung eher eine Zumutung, allerdings in gewisser Weise verschmerzbar, weil der Mehrspieler kaum Substanz im Vergleich zur Kampagne besitzt. Mehr als eine kleine Spielerei für Zwischendurch wird es für viele nicht sein. Als Mehrspieler setzt man aber auf einen gewissen Grundstock an Spielern, der wahrscheinlich nicht lange bestehen bleibt.
Das Herausragende am Spiel
„Doom Eternal“ steht für einen herausragenden Soundtrack, der sich mit anderen Meilensteinen wie eines „The Witcher 3: Wild Hunt“ (CD Projekt Red, 2015) messen lassen kann. Die gesamte Kampagne wird durch grobschlächtige, dunkle Musik untermalt. Sie signalisiert den nächsten Arenakampf meist bevor man den ersten Gegner sieht. Sich durch Horden zu schießen hat seine Immersion, ohne den Soundtrack wäre es allerdings nur halbgare Atmosphäre. Dasselbe gilt für das Ende jedes einzelnen Kampfes. Sobald der letzte Dämon gevierteilt wurde, verabschieden sich Industrial Metalriffs und überzogene Synthesizerklänge. Es bleibt das vergleichsweise stille Mitschwingen, das signalisiert, dass man zumindest für eine kurze Zeit Ruhe vor Attacken haben wird. Mick Gordon leistete ganze Arbeit und verdient die Herausstellung gegenüber anderen Entwicklern des Spiels. Ästhetisch und atmosphärisch kann „Doom Eternal“ durch Sound Optik im Shootergenre Maßstäbe setzen. Spielmechanisch bleibt es als interessante Iteration eher stehen als sich erfolgreich weiterzuentwickeln.