Elden Ring Digitale Kaventsmänner sind schwer zu erahnen und doch so berechenbar

Hannes Letsch26 Minuten Lesezeit

Übersicht
Bandai Namco Entertainment, 2022

Seemänner kennen den Begriff des Untertitels dieses Artikels. Trügerisch bis kurz vor der Jahrtausendwende als Seemannsgarn bezeichnet, sind Riesenwellen, sogenannte Kaventsmänner, im Sturm kaum auszumachen, ehe es eh für die Schiffsbesatzung zu spät ist. Außergewöhnlich schnell, extrem steil und hoch türmen sich solche Wellen schier aus dem Nichts auf. Im Marketingsprech könnte man solche Wellen als „Hype“ bezeichnen, die von den verschiedenen Abteilungen versucht werden teilweise organisch und teilweise konzertiert heraufzubeschwören. Ähnlich den Kraken hämmernd herbeizurufen, versuchten zeitgleich beispielsweise CD Projekt Red oder auch Electronic Arts ihre Anwärter „Cyberpunk 2077“ respektive „Battlefield 2042“ zu Kaventsmännern mutieren zu lassen – mit bekanntem, in Rückschau verheerend negativem Erfolg. Im gleichen Meer der Videospieltrends des Jahres 2022 ist „Elden Ring“ allerdings ein positiver, viel größerer Kaventsmann. Messbojen wie Google Trends zeigen dies eindrücklich.

Über Neugier, Interesse und Spieldesign

„Elden Ring“ ist ein überaus großes Spiel mit vielen Inhalten, die man als Zeitfresser bezeichnen kann. „Red Dead Redemption 2“ (Rockstar Games, 2018) kann als Vergleich herangezogen werden, um den Umfang der Spielkarte zu erahnen. Das Spiel ist räumlich schier lächerlich groß. Das heißt, dass es teilweise Orientierung gibt und auch nur ab und an leiten möchte. „Elden Ring“ bespielt massiv die Neugier des Menschen. Strukturell ist es vielen Open-World-Spielen sehr ähnlich, denn es gibt eine Reihe von Elementen, die sich ständig wiederholen: Minen, Festungen, Kirchen und andere Ruinen sowie Kellergewölbe können erkundet werden, um ab und an wiederkehrende Bosskämpfe wie beispielsweise kopflose Baumavatare zu bestreiten. Vieles ist streng genommen relativ, denn alle Nebengeschichten sind beispielsweise optional, das heißt sie können „links liegen gelassen werden“ – sofern man erkennt, dass es sich hierbei „nur“ um eine Nebenquest handelt. Denn auch das wird vom Spiel nicht ersichtlich präsentiert. From Software ist gut darin, die (Neben)quests zu verstecken oder derart obskur in der Welt zu verteilen, dass man neugierig ordentlich Zeit aufbringen muss, ehe man auf den Anfang oder Fortgang einer Nebengeschichte stößt. Es kann von einem leicht lausigen Kniff im Spieldesign gesprochen werden, wenn man qua Unwissenheit den Spieler dazu verdammt alles auszuprobieren, um dadurch massiv Zeit ins Spiel investieren zu müssen; egal ob man will oder nicht.

Artwork von Godfrey, dem ersten Elden Lord
Bandai Namco Entertainment, 2022

Der Spieler kann sich nicht auf die Hauptgeschichte konzentrieren, weil es zu keinem Zeitpunkt klar wird, was genau denn zur Hauptstory gehört und was nicht. Für gewöhnlich dürften Beginner zunächst sehr gründlich spielen, indem alles im näheren Umfeld erkundet und untersucht wird. Solange man auf dieser Art des Spielens beharrt, lässt „Elden Ring“ den Spieler sprichwörtlich von der Angel. Sobald man aber versucht das Angebot sehr selektiv auszuwählen, um durch einige Territorien schnell hindurchzustechen, versucht das Spieldesign einen wieder auf die Gründlichkeit mit allen Mitteln zurückzudrücken. Die Entwickler von From Software verstehen Erkunden als organisches Wachsen und Entwickeln der eigenen Spielfigur. Und nur das garantiert, dass man bevorstehende Bosskämpfe ordentlich bestehen kann. Der Gegendruck wird bei Unbelehrbaren sukzessive erhöht bis es nur noch im Kriechtempo in der Geschichte weitergeht, weil man gänzlich unterlegen Stunden damit zu bringt, die sich in den Weg stellenden Gegner zu bezwingen.

Screenshot direkt aus dem Spiel. Abgebildet ist das Tal von Liurnia
Bandai Namco Entertainment, 2022

Damit einher geht das kleine Manko, dass es eben nicht die Hauptmotivation vieler sein dürfte „Elden Ring“ durchzuspielen. Das geschichtliche Gebäude lockt nicht durch eine sogenannte „embeded story“, das heißt designte Geschichte. Der Spieler gestaltet seine Geschichte, seine Abendteuer und Momente. Erkundung wird priorisiert, sodass die Geschichte oder „Lore“ kaum interessiert. Wie das Szenario aufgelöst wird oder wie es weitergehen könnte, ist nicht die treibende Kraft, um Neugier aufrecht zu erhalten. Die Weitläufigkeit eines begehbaren Gemäldes, durchzogen von bedrohlicher Atmosphäre in verschiedenen Facetten ist „Elden Ring“. Zugespitzt könnte man behaupten, dass an dem Fortschrittspunkt, an dem nur noch die Hauptgeschichte übrigbleibt, viele in letzter Konsequenz die Lust am Spielen verlieren werden.

Bandai Namco Entertainment, 2022

Kurzum: Interesse beziehungsweise Neugier ist der Faktor, der Ideenödnis und Repetitives massiv zu verschleiern versucht. Aus narrativer Sicht ist das auch zwingend notwendig, weil ansonsten das Spiel in sich zusammenfallen würde. Die von den Entwicklern implementierte Geschichte ist öde bis langweilig und recht schlecht erzählt. Eine ganze Reihe an generischem „Dark-Fantasy“ Kram, die ohne Charakteristik mit kurzen Videosequenzen im Spiel eingestreut wird, ist alles, was „Elden Ring“ bietet. Absichtlich prätentiös säuseln verschiedene Charakter Episches in Pseudolyrik zusammen. Anders formuliert würde dem Spiel nichts fehlen, wenn die designte Hauptgeschichte gänzlich aus dem Spiel entfernt werden würde. Die Welt ist das Wesentliche, weil sie auf einem Niveau besteht, das bisher von nur sehr wenigen Spielen gestreift wurde. Überall stolpert man über kleine Dioramen, die oft nichts explizit erklären, sondern etwas präsentieren, das für sich stehen soll und tatsächlich auch wirkt. Ab und an ist die programmierte Szenerie so bizarr, dass sie allein dadurch unterhaltend ist. Im Dreieck Fiebertraum, subtanzbezogener Halluzinationen und romantischen Gemälden befinden sich alle Szenarien des Spiels.

Reduziert, überlegt, iteriert

„Elden Ring“ verzichtet nahezu auf sämtliche Marker in der Spielwelt. Stattdessen wurde eine sinnige, designtechnisch ausgeklügelte Karte erstellt, die sofort dem Spieler klar macht, wo sich welches Areal befindet. Man erkennt alle charakteristischen Flüsse, Erhebungen und Gebäude auf dieser Karte wieder. Sich derart grobschlächtig orientieren zu müssen funktioniert, weil alle Bereiche optisch durch intelligente Anordnung von Gebäuden, Gewässern und so weiter voneinander getrennt sind, ohne dass man die Karte oftmals öffnen muss. Sie bleibt sekundär, das heißt, dass das Nachschlagen nur ab und an notwendig ist und somit nicht nervt. Ähnlich zu „Ghost of Tsushima“ (Sucker Punch Productions, 2020) wird die Gestaltung der Welt als Orientierungsspielmechanik verstanden. Genauso wie in Sucker Punch Productions‘ Vorstellungen werden Kartenabschnitte und Regionen nur schemenhaft angedeutet. Kartenfragmente müssen erst entdeckt werden, ehe der jeweils einer mittelalterlichen Landkarte ähnelnde Karteabschnitt aufgedeckt wird. Dadurch gelingt es den Entwicklern die eigenen Spielinhalte ernst zu nehmen. Das bedeutet, dass das Design die Aktivitäten auf der Spielkarte nicht dadurch entwertet, indem es a) das Level komplett mit verschiedenen Aktivitäten zukleistert, die b) alle nach gleicher Spielart abgegrast werden sollen, um c) im Spiel voranzuschreiten. Die Wertigkeit entsteht durch das „Machen wollen“ des Spielers anstatt ein „Machen müssen“ zu favorisieren.

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Alle Inhalte sind spielerisch mit anderen Systemen verwoben: Die erwähnten Minen, Kellergewölbe und Katakomben nutzen zwar dieselbe Optik und Gegnertypen als Wiederholungselemente, aber alle besitzen das Potenzial etwas zu beherbergen, was der Spieler selbst gut gebrauchen könnte. In vielen anderen Open-World-Videospielen funktioniert dies nur anfangs. Danach werden viele Aktivitäten auf der Karte irrelevant und damit unnütz. „Elden Ring“ ist hingegen cleverer ausbalanciert. Es geht eine Ebene tiefer und bietet damit etwas, was sonst leider kaum in Open-World-Spielen bisher auf diesem Niveau geboten wird: Eigendynamik, eigenen Charme durch Spielmechaniken und -entwicklung. Das Resultat ist ein mehrstufiges Erkunden. Die Karte muss erst aufgedeckt werden beziehungsweise müssen unbekannte, Gefahr suggerierende Bereiche durchschritten werden – egal ob das jeweilige Areal bereits durch ein Fragment auf der Übersichtskarte freigeschaltet wurde oder nicht. Jeder neue Bereich ist terra incognita; Orientierung und Neugier wird massiv bespielt. In Summe befreit die Gestaltung der Welt und die Möglichkeit zur Orientierung von vielen denkbaren, sekundären Interface-Elementen, die die Immersion stören. Zur Not kann der Spieler sich seine „Karte“ zusammenstellen, indem er Markierungen hinterlässt, um das hervorzuheben, was von Interesse ist, und nicht was von Interesse sein soll. Entgegen vieler anderer Open-World-Konzepte wird somit eine leere Spielkarte sukzessive mit Markern und Wissen gefüllt, anstatt sie sukzessive leeren zu müssen.

Bandai Namco Entertainment, 2022

Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist, dass das Spielen (Gameplay) trägt, solange die jeweilige Person sich mit „Elden Ring“ auseinandersetzen möchte. Entgegen vieler anderer Open-World-Spiele nutzt es sich nicht ab, weil jederzeit die Option besteht sich festzubeißen. „Unterlevelt“ zu sein heißt nicht immer einen Bosskampf nicht gewinnen zu können. Komplette Nachmittage können damit zugebracht werden eine einzige Quest zu meistern. Runen unterstützen dieses Festbeißen. Es sind die früheren Seelen von „Dark Souls“, die als primäre Währung ausgegeben werden können, um seine Spielfigur mächtiger werden zu lassen. Ein Aufsteigen wird pro Stufe sukzessive teurer. Sekundäre Währungen wie etwa Schmiedesteine haben handfeste Auswirkungen und sind teilweise begehrter respektive mächtiger als die Primärwährung. Balancetechnisch verzahnt harmonieren die verschiedenen Systeme außerordentlich gut, was aufgrund der Erfahrung der früheren „Dark Souls“ Videospiele nicht verwunderlich sein sollte – man könnte fast formulieren, dass alles andere als ein durchweg Spielspaß generierendes „Elden Ring“ eine große Überraschung gewesen wäre. Das Spiel läuft über die gesamte Spielzeit grundsätzlich nicht aus dem Ruder, weil die Welt nie dem immer mächtiger werdenden Spieler zu Füßen liegen wird. Zwar gibt es einige Areale, die bei einer späteren Rückkehr recht einfach durchgepflügt werden können. Allerdings gibt es genauso viele Bereiche, die selbst bei einem Wiederbesuch ordentlich schwierig zu meistern bleiben.

Open-World als riesiges Lernfeld

Es gibt Momente, in denen man hoffnungslos unterlegen ist. Meistens aber erlaubt „Elden Ring“, dass man sich an dem jeweilig zu knackenden Gegner festbeißen kann, weil genauso wie im „Dark Souls“ Konzept das Spiel versucht zu motivieren, Hoffnung zu geben und Scheitern als Normalität inszeniert. Echte taktisch-strategische Überlegungen werden vom Spieler verlangt. Und wer sich festbeißt, das heißt die verschiedenen Animationsschemata des Gegners auswendig lernt, wird über kurz oder lang ihn auch (souverän) besiegen – egal wie mächtig man bereits ist. Derjenige, der diesen herausfordernden Weg beschreitet wird auf psychologischer Ebene außerordentlich Genugtuung und Spielspaß verspüren.

Ebenso zu Fuß wie zu Pferd ist kämpfen möglich.
Bandai Namco Entertainment, 2022

Kontern, ab und an zu Pferd kämpfen, Ausweichen, Elementarangriffe, zwischen Zaubern und Nahkampf wechseln, in den Rücken stechen oder mit schweren Angriffen niederstrecken – die Spielvariation ist bemerkenswert. Zum Glück weist From Softwares Werk immer wieder subtil darauf hin, dass auch Gegner übergangen beziehungsweise links liegen gelassen werden können. Alte Spielmuster wie „erst Leveln, dann weiterreisen“ werden aufgebrochen. Das sogenannte „Grinden“ bis man endlich das ausreichende Level für die gewünschte Waffe hat, wird nicht gefördert. Stattdessen spielt der Spieler, wie er oder sie es will – und weil dem so ist, ist Spielspaß garantiert.

Bossgegner Maraketh
Bandai Namco Entertainment, 2022

Wer beispielsweise Angriffsmuster nicht gerne lernen möchte, kann „Elden Ring“ ebenfalls angehen, denn das erwähnte „Trail & Error“ Prinzip ist nicht hinreichend für den Spielerfolg. Wer eine Magierklasse spielt, anstatt kriegerisches Eindreschen und Hacken zu präferieren, wird im Vergleich zu Nahkämpfern ein relativ einfaches Spielerlebnis haben. Ohne Wenn und Aber ist die Klasse der Magier die Mächtigste im Spiel. Effektfeuerwerke übertrumpfen das im Gegensatz dazu als Pieksen wirkende Gestocher der Nahkampfklassen eindeutig. Die klassische Spielart des Kriegers hat in „Elden Ring“ etwas ausgedient. Die Idee, die größte Waffe und die schwerste Rüstung anzuziehen, um im besten Fall mit einem Schwung alles in einem zehn Meter Umkreis zu berühren, ist zu kurz gedacht. Im Gegensatz zu vielen „Dark Souls“ Spielen kann nicht mehr erwartet werden, dass man jeden Gegner mit der gleichen Taktik besiegen kann. Immer die Nähe suchen, um im richtigen Moment vor dem Gegner ein paar Ausweichrollen im Kreis zu vollziehen, sodass man anschließend sofort weiter auf den Gegner einstechen kann, funktioniert kaum noch. Stattdessen drückt das Spiel einen in ein stufenweise gedeckeltes Craftingsystem, um mit Bomben, erlernten Zaubern, Dolchen und Tränken gewappnet in den Kampf zu ziehen.

Bandai Namco Entertainment, 2022

Die Balance der einzelnen Klassen ist mit Absicht unausgeglichen. Das mag dem ein oder anderen Nahkampfaffinen nicht schmecken, dem Fernkämpfer wird es hingegen gefallen. Mit dem Mantra der Triple-A Videospiele, dass alle Klassen ungefähr gleichstark sein müssen, um einen gleichwertigen Schwierigkeitsgrad anzubieten, wird ebenso gebrochen. Resultat sind zwei unterschiedliche Spiele in der gleichen sehr immersiven Videospielwelt. „Elden Ring“ ist ein riesiges Lernfeld, das zwar klar abgesteckte Grenzen und Spielregeln hat, aber dennoch derart weitläufig bleibt, dass der Spieler schier allein damit gelassen wird, selbst gestalterisch tätig zu werden. Im Positiven wie im Negativen gibt das Spiel einem das Gefühl ernstgenommen zu werden. Es schreibt wenig vor, jede Lösung ist eine akzeptable, die den Spielregeln nicht widerspricht. Weder wird man zurückgesetzt noch sanktioniert, wenn man nicht genau nach Vorstellung der Entwickler operiert.

Die Neugier am Düsteren zu benutzen ist eine Kunst

Das latente Gefühl der Bedrohung wird grob gesprochen im gesamten Spiel aufrechterhalten. Überraschungsangriffe aus dem Hinterhalt, eine grundsätzlich düstere Atmosphäre, riesige Drachen beziehungsweise Monster und so weiter geben dem Spielenden immer den Auftrag besonders wachsam zu sein. Methodisches Vorgehen wird belohnt, gewohnheitsbasiertes Verhalten wird hart bestraft. Das Gegner- beziehungsweise Art-Design ist das herausstechende Merkmal von „Elden Ring“. Abwechslungsreich und teilweise phänomenal grotesk beschreibt es am besten. Das Aussehen jedes Wesens suggeriert nicht nur Stärke, sondern auch mit welcher Agilität, Vehemenz und Schnelligkeit Angriffe zu erwarten sind. Latent wird das Gefühl deshalb, weil es im Vergleich zu „Dark Souls“ große Bereiche des Leerlaufs gibt. Man reitet ab und an über große Wiesen oder andere Areale, in denen man sich entspannt und die Umgebung gelassen beobachten kann. „Elden Ring“ kann sich wie jede Open-World aber nicht den gängigen, für den Spielspaß gefährlichen Produktionsprozessen entziehen. Denn vor allem zum Schluss sind die Elemente derivativ gestaltet. Dungeons wiederholen sich, die gleichen Landschaften werden mit anderen Farbpaletten präsentiert; Das heißt auch „Elden Ring“ besitzt eine einen Tick zu große Spielwelt, um jederzeit abwechslungsreich zu sein.

Elden Ring - Gameplay Preview
Bandai Namco Entertainment, YouTube, 2022

Wer mit Kentaro Miuras „Berserk“ vertraut ist, weiß wie sehr Bedrohung in Bild, Schrift und Ton übersetzt werden kann und wie brutal subjektiv sie fesselt, bannt und entweder lähmt oder einen in Rage versetzt. Allein in den ersten drei Spielstunden könnte man meinen, nach den „Dark Souls“ Spielen eine erneute Adaption der Geschichte beziehungsweise des Szenarios von Miura zu erleben. Wer die gezeichneten Werke Miuras aufschlägt und manchmal seinen Kopf vom Bildschirm zum Manga dreht, wird erstaunt sein, wieviel visuelle Parallelen aufzufinden sind. Teilweise frech kopiert, teilweise interessant weiterentwickelt und teilweise schlecht adaptiert sind Charaktermodelle, Flora und Fauna, Monster und Geschichtsstrukturen übernommen worden. Sehr strenggenommen besteht „Elden Ring“ gefühlt zu Dreiviertel aus „Berserk“ Elementen. Die Bewunderung des leitenden Entwicklers Hidetaka Miyazaki für Miuras Werk schlägt abermals klar zu Buche.

Die Crux am Geschichtenerzählen

Wie für viele andere Spiele auch, kann post-hoc sicherlich argumentiert werden, dass wenn die Entwickler nicht derart groß gedacht, sondern einige Versatzstücke ausgespart hätten, dann wäre sicherlich ein noch besseres Spiel entstanden. Einer der großen Kritikpunkte, der den Reiz des Düsteren untergräbt, ist das miserable Quest-Design. „Muss so“, weil es auch in „Dark Souls“ so war, ist kein Argument. „Elden Ring“ besitzt durchaus einige interessante Nebengeschichten zur recht linearen, eintönigen Haupterzählung. Allerdings fehlt jegliche Ausschmückung, um sich nachgehend damit auseinandersetzen zu können.

Bestenfalls kryptische Hinweise werden dem Spieler als Information gegeben, um zu wissen, wo eventuell eine Nebengeschichte beginnen könnte. Wer nicht hineinstolpert, hat Pech. Und wer nicht korrekt agiert ebenfalls. Somit ertappt man sich immer wieder dabei im Internet nachzuschlagen, wo was wann wie gespielt werden sollte, um alle narrativen Elemente erlebt zu haben. Es ist deshalb miserabel, weil es designtechnisch nicht implementiert ist, sondern mehr oder weniger ins Spiel, das heißt in die Logik dessen hineingepresst wurde. Alle Erzählstränge existieren einfach unverzahnt. Gänzlich optional, ohne Hinweise, was man wann wie machen muss, um eine Nebenquest freizuschalten, ist das Narrativ des Spiels recht ulkig bis bizarr. Es sprengt ab und an das, was situativ bedrohlich wirkt.

Bandai Namco Entertainment, 2022

Was nominell abgeschlossen ist, kann nicht nochmals versucht werden. Teilweise bekommt man erst Spielstunden später mit, dass man eine Questkette verpasst hat oder bereits abgeschlossen wurde. Nur wer sehr gründlich alle Bereiche eines Levels abweidet, wird womöglich über alle Geschichten von „Elden Ring“ stolpern. Es ist im diesem Zuge Schöngerede, wenn eine billige Art Geschichten zu erzählen dadurch gerechtfertigt sein soll, dass das grundsätzliche Szenario eine zerbrochene, kaputte Welt ist, in der eh alles schon zu spät ist. Daraus zu implizieren, dass der Spieler eh kaum etwas ausrichten kann, und deshalb Quests eben sich öffnen und schließen, ohne dass der Spielende davon Wind bekommt, ist widersprüchlich zur Immersion und dem, was Identifikation mit einer Welt oder Charakteren sicherstellt.

Das Fragmentierte ist an sich nicht das Problem. Das Spiel vermerkt für den Spieler nicht, wo welche Geschichte stattfindet. Wer nicht sofort den Faden, über den man stolpert, aufnimmt, hat keine Chance durch Vermerke zu einem späteren Zeitpunkt diesem weiter zu folgen. Entweder macht man es sofort oder macht sich selbst auf einem Papierzettel Notizen. Das Spiel selbst liefert keine Lösung des Problems. „Irgendwo in der riesigen Welt“ ist nicht konkret genug, was aber nicht bedeutet sofort alles offen legen zu müssen. Anstelle in den Dialogen Hinweise zu integrieren, bleibt es bei Dialogsgulasch. Dieses soll durch Lyrisches überzeugen, was aber nicht funktioniert. Es wirkt im Sinne der Spielwelt unglaubwürdig, wenn beispielsweise jemand verzweifelt um Hilfe fragt, aber kaum helfen noch Hinweise geben will.

Die Ignoranz von Altlasten

„Elden Ring“ schleppt unnötigerweise einige Probleme aus den „Dark Souls“ Spielen mit. Neben einer recht staksigen Steuerung der eigenen Spielfigur muss das sogenannte „Lock-on“ System erwähnt werden, das automatisch die Kamerasteuerung übernehmen soll, sodass man den Gegner immer im Blickfeld behält. Das Ganze funktioniert maximal ausreichend gut: Sofern Gegner in ihrer Größe normale, das heißt überschaubare Maße aufweisen, klappt das, was die Entwickler von From Software intendierten. Weil aber riesige Bosse nicht fehlen dürfen, die teilweise sogar noch aus mehreren anvisierbaren Segmenten (Beine, Kopf, Flügel oder Hände usw.) bestehen, wird das Spielen ab und an zum Verdruss. Des Öfteren – etwa bei Kämpfen gegen riesige Drachen – bleibt dem Spieler nichts weiter übrig als die Füße zu Pferd zu fokussieren. Anstatt die verschiedenen Körperteile eines Gegners per Controller durchschalten zu können, möchte „Elden Ring“ die korrekte Bildschirmrichtung angegeben haben, in der sich das jeweilige Körperteil momentan befindet. Das Resultat ist, dass die Kamera teilweise auf die falschen Körperteile anvisiert, was zum kompletten Orientierungsverlust führt, weil der riesige Gegner sofort den gesamten Bildschirm ausfüllt. Man kann in letzter Konsequenz kaum die Möglichkeit mitzubekommen, was gerade passiert. Geschweige denn die Chance, die verschiedenen Angriffsbewegungen kennenzulernen. Wer auf das „Lock-on“ System verzichtet, wird nicht glücklicher werden, weil der jeweilige Spieler ständig damit beschäftigt sein wird die Kamera neu zu adjustieren. Die meisten Gegner agieren zu schnell, hüpfen wild in der Gegend herum, rennen, fliegen oder vollführen zackige Ausweichmanöver, um seitlich, von oben oder hinten zu attackieren. Spätestens in engen Arealen resultiert dieses Gemisch zum kompletten Chaos. Nicht der Gegner selbst, sondern das „Lock-on“ System wird zur wahren Herausforderung.

Grundsätzlich gelingt es den Entwicklern von From Software abermals viele Dioramen aufzubauen, die eine gewisse Faszination ausstrahlen.
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„Elden Ring“ schleppt unnötigerweise einige Probleme aus den „Dark Souls“ Spielen mit. Neben einer recht staksigen Steuerung der eigenen Spielfigur muss das sogenannte „Lock-on“ System erwähnt werden, das automatisch die Kamerasteuerung übernehmen soll, sodass man den Gegner immer im Blickfeld behält. Das Ganze funktioniert maximal ausreichend gut: Sofern Gegner in ihrer Größe normale, das heißt überschaubare Maße aufweisen, klappt das, was die Entwickler von From Software intendierten. Weil aber riesige Bosse nicht fehlen dürfen, die teilweise sogar noch aus mehreren anvisierbaren Segmenten (Beine, Kopf, Flügel oder Hände usw.) bestehen, wird das Spielen ab und an zum Verdruss. Des Öfteren – etwa bei Kämpfen gegen riesige Drachen – bleibt dem Spieler nichts weiter übrig als die Füße zu Pferd zu fokussieren. Anstatt die verschiedenen Körperteile eines Gegners per Controller durchschalten zu können, möchte „Elden Ring“ die korrekte Bildschirmrichtung angegeben haben, in der sich das jeweilige Körperteil momentan befindet. Das Resultat ist, dass die Kamera teilweise auf die falschen Körperteile anvisiert, was zum kompletten Orientierungsverlust führt, weil der riesige Gegner sofort den gesamten Bildschirm ausfüllt. Man kann in letzter Konsequenz kaum die Möglichkeit mitzubekommen, was gerade passiert. Geschweige denn die Chance, die verschiedenen Angriffsbewegungen kennenzulernen. Wer auf das „Lock-on“ System verzichtet, wird nicht glücklicher werden, weil der jeweilige Spieler ständig damit beschäftigt sein wird die Kamera neu zu adjustieren. Die meisten Gegner agieren zu schnell, hüpfen wild in der Gegend herum, rennen, fliegen oder vollführen zackige Ausweichmanöver, um seitlich, von oben oder hinten zu attackieren. Spätestens in engen Arealen resultiert dieses Gemisch zum kompletten Chaos. Nicht der Gegner selbst, sondern das „Lock-on“ System wird zur wahren Herausforderung.

Leuchtfeuer sind als Orte der Gnade weiterhin Checkpoints
Bandai Namco Entertainment, 2022

Kurzum: Gegner- und Angriffsschematarecycling wird zum Ende des Spiels problematisch. Uninspiriert werden Schadens- und Lebensbalken, Angriffsgeschwindigkeit, Angriffsrate sowie Flächenschaden der Gegner erhöht, um dadurch Schwierigkeit entstehen zu lassen. Letztendlich wird man nur nervend immer wieder damit konfrontiert länger und länger den gleichen Angriffskombinationen auszuweichen, um immer und immer wieder die gleichen Konter zu starten, nur um zuzusehen, dass man viel weniger Schaden verursacht als bei vorherigen Bossgegnern ähnlicher Kampfart. Gepfefferte Schwierigkeitsniveaus funktionieren nur dann pro Spielspaß, wenn die Herausforderung im Lernen besteht, nicht im ausdauernden Wiederholen bereits Gelerntem. „Elden Ring“ möchte ein Spiel sein, das bezwungen werden soll. Das ist angesichts vieler anderer Open-World-Spiele momentan (leider) ungewöhnlich, funktioniert aber bis auf das letzte Drittel der Hauptgeschichte gut. Das Spiel lebt vom Herumstolpern des Spielers. „Elden Ring“ lockt mit vielen Attraktionen, um zu verführen. Leicht ist nichts, sicher wenig und romantisch nur auf den ersten Blick. Die Ästhetik ist durch eine gewisse Blässung verseucht; weder gänzlich düster noch satt lebensfroh. Das Verbessern der Waffen ist primäre Aufgabe, die Weiterentwicklung des eigenen Charakters, um mehr Ausdauer, Lebenspunkte, Mana und so weiter zu erhalten, bleibt sekundär. Warum dies nicht bis zum Ende stringent durchgezogen wurde, bleibt ein Rätsel. Erst recht, wenn in den ersten beiden Drittel exakt dieses umgesetzt wurde.

Ein weiteres Laster sind unsauber modellierte „Hitboxen“ der Umgebung. Es kann passieren, dass man einen klar erkennbaren Vorsprung entdeckt, auf den man versucht zu hüpfen. Eine unsichtbare Wand stellt sich dem Vorhaben in den Weg und man fällt zwangsläufig in den Abgrund. Gegner können einen durch solide Gegenstände wie Mauern, Türen oder Nebelwände, die Gegner aussperren sollen, widererwarten treffen. Seit „Dark Souls 1“ (From Software, 2011) wurden diese Fehler nicht behoben, was schier unverzeihlich ist, angesichts der Zeitspanne, um solche Probleme zu beheben. Das User-Interface ist ebenso antiquiert. Teilweise wird man genötigt mit dem Smartphone oder Ähnlichem Screenshots zu erstellen, um verschiedene Waffen vergleichen zu können. Es ist schlichtweg unmöglich sich Werte für Stichschaden, Stoßschaden, Schlagschaden, Blitzschaden, Feuerschaden und so weiter einzuprägen, um aus der Erinnerung Vergleiche beim Kauf neuer Waffen anstellen zu können. Provokant könnte man sagen, dass „Elden Ring“ erstaunlicher Weise das teuerste Double-A Spiel ist, das man bis dato spielen kann.

Bandai Namco Entertainment, 2022

Die Co-Op Spielmechaniken sind nahe der Zumutung. Ein schlechter Netcode verursacht wiederkehrende Verbindungsprobleme oder -abbrüche. Wider Erwarten wird aus gemeinsamen Spielspaß eine technische Odyssee, um irgendeine halbwegs stabile Spielinstanz aufzubauen. So bedacht dieser Mehrspielermodus auch implementiert sein möchte, dieser Aspekt macht kaum Spaß, nicht nur aus technischer Perspektive. Die Gefahr, dass übermächtige Eindringlinge, das heißt feindlich gesonnene, weit fortgeschrittene, gut ausgestattete Spieler, einen gänzlich über den Haufen rennen, sobald kurze Zeit zuvor ein Helfender in die eigene Spielinstanz teleportiert wurde, macht nicht nur den Wunsch des Verzweifelnden zu Nichte endlich im Spiel voranzukommen – es frustriert unter Umständen auch den Helfer, weil dieser sowohl Eindringling wie Bossgegner bekämpfen muss, dabei nur Letzteres eigentlich Intention war. In Summe sind es Baustellen, die From Software handfest davon abhalten, noch bessere Spiele zu produzieren. Abseits grundlegender Engine-Fragen stolpern die Entwickler unnötig über Problematiken, die schon lange bekannt sind und der Erwartung nach bereits behoben sein müssten. Ein Kaventsmann bleibt „Elden Ring“ trotz allem.

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