Final Fantasy XV Junggesellenabschiedsfeier in bombastischer, gebrochener Szenerie

Hannes Letsch22 Minuten Lesezeit

Übersicht
Square Enix, 2017

„Final Fantasy“ ist die Vorzeigeserie für japanische Rollenspiele (J-RPGs), die ihre Popularität vor allem aus der Idee des „Animes zum Selberspielen“ bezieht. Frühe Vertreter waren sehr comichaft inszeniert, so gingen beispielsweise Sprechblasen über den sich unterhaltenden Charakteren auf – vergleichbar zu klassischen Mangas. Eine gewisse Affinität zu dieser Art der Geschichtserzählung war und ist somit notwendig, denn J-RPGs bauen vor allem auf Melodramatik und Pathos. Im Gegensatz zu „westlichen“ Rollenspielen funktionieren sie traditioneller Weise eher auf der Handlungs- sowie der Charakterebene während das klassisch westliche RPG auf das Spielerische fokussiert ist. Stumpfes, rundenbasiertes Knopfgehämmer war nicht selten – damit musste man (leider) immer rechnen. Der Kern beziehungsweise der Motor bildeten die Geschichte garniert mit simplen, aber spaßigen Spielmechaniken, die als Lückenfüller fungierten. Der Versuch in den letzten „Final Fantasys“, ein innovatives, modernes „Gameplay“ zu integrieren, konterkarierte sehr viel von dem, was die Serie wie auch alle anderen japanische Rollenspiele ausmachte. Im November 2016 ist „Final Fantasy Versus XIII“ endlich erschienen, nur nicht wie geplant für die Playstation 3, erst zehn Jahre nach der ersten Ankündigung und unter dem Namen „Final Fantasy XV“. 2006 von Tetsuya Nomura, unter anderem bekannt durch „Kingdom Hearts“ (Square Enix, 2002), begonnen, fand im Jahr 2012 ein Wechsel der Garde hin zu Hajime Tabata und Kollegen statt, die das Spiel vollendeten. Es ist das fünfzehnte Spiel, das den Versuch startet, eine gut produzierte Geschichte, die in einer ehrlichen Weise mit viel Melodramatik und zahllosen Dialogszenen in wunderschönen Szenerien aufgehen soll, zu erzählen.

Final Fantasy XV Tokyo Game Show 2016 Trailer
Square Enix, YouTube, 2017

Strudel des Unwissens: Kreisende Schilderungen eines Wirr Warrs

Prinz und Junggeselle Noctis, Thronfolger des ermordeten Königs Lucis, wird kurz vor dessen Ableben zusammen mit drei Kumpanen auf seine eigene Hochzeit losgeschickt, ehe das expansive Imperium Niflheim in die Hauptstadt des Königreichs namens Insomnia einmarschiert. Die zukünftig Angetraute und mit göttlichen Hilfskräften ausgestattete Luna entkommt, ist aber getrieben durch Niflheims Verfolger dem Junggesellenabschiedsvierer stets mehrere Schritte voraus. Der Spieler übernimmt die Rolle von Noctis im Kampf gegen das Imperium und auf der Suche nach seiner Zukünftigen.

Square Enix, 2017

Viele der angesprochenen Charaktere, Erinnerungen und Einblendungen werden eher kryptisch präsentiert. Als Neuling im „Final Fantasy“-Universum versteht man trotz der neuen Geschichte, Charaktere und Welt nicht wirklich, warum etwa Nilfheim so expansiv agiert. Welcher Friedensvertrag warum zuvor gebrochen wurde, was es mit dem ominösen Kristall auf sich hat, der von Niflheim gierig entwendet wurde und warum alle einem Ring der Lucis nachjagen, bleibt völlig unklar. Genauso werden die Beziehungen zwischen den vier Hauptcharakteren Noctis, Prompto, Ignis und Gladiolus in „Final Fantasy XV“ nicht vorgestellt. Narrativ löchriger als Bimsstein wird der Spieler einfach in eine komplett neue Welt geworfen. Gezwungen sich in dieses Wirrwarr einzuarbeiten, beendet man das eben gestartete Spiel wieder, um leicht entnervt die bekannten W-Fragen abzuarbeiten.

Die schön gestalte Welt mit ihren fantastischen Wesen, den detaillierten aber leider leer wirkenden Städten und Ortschaften bilden eine tolle Basis, in der zu wenig erlebt werden kann. Das zur Seite gestellte Auto, das als Schnellreisemöglichkeit fungiert, fährt auf Schienen und ohne eine Möglichkeit, eigenständig zu steuern. Genauso schablonenhaft akkurat sind die Persönlichkeiten um Noctis - der Inbegriff von Stereotypen:

Trotz dieser schablonenhaften Konzeption der Charaktere gelingt es den Entwicklern, diese sympathisch vorzustellen, indem sie beispielsweise immer wieder kleine Gespräche, Zwischensequenzen integrieren, in denen ein wenig der jeweiligen Befindlichkeiten und Denken durchblitzt. Die fast schon lächerlich akribische Detailversessenheit in die optische Gestaltung der Charaktere strahlt einen ehrlichen Entwicklungsaufwand aus, der sie unterbewusst sympathisch wirken lässt. Dadurch ertappt man sich immer wieder dabei eine gewisse Empathie zu investieren, obwohl die stereotypische Oberfläche gähnende Langeweile ausstrahlt.

Überblick der größten Probleme: Round and round it goes

Bis auf die letzten beiden Stunden der Handlung bekommt der Spieler immer wieder neue Konzepte ins Gesicht geworfen. Wer inne hält, das heißt sich in Ruhe hinsetzt, hat die Chance, die Verbindungen auf Makro- (Verhältnis der Götter zu den Menschen) wie Mikroebene (Verhältnis zwischen Noctis und seinen Verbündeten und Freunden) schemenhaft nachzuvollziehen. Das Spiel selbst schafft es jedoch nicht, eine kohärente Geschichte zu erzählen. Es wirkt, als ob die Verantwortlichen ein in fremder Sprache überliefertes Skript gelesen haben, ohne selbst den Wortlaut ausreichend gut zu begreifen. Die nicht verstandenen Szenen wurden schlussendlich einfach ausgelassen. Das kann sogar wörtlich zu verstehen sein, denn eine mögliche Erklärung könnte, so seltsam es auch klingen mag, tatsächlich der „Lost in Translation“ Effekt sein, der schon öfters die Übersetzungskette vom Japanischen ins Englische o.Ä. heimsuchte.

Square Enix, 2017

Unabhängig von anderen Titeln der Reihe ist das neueste Werk von Square Enix in seiner Inszenierung, das heißt bezüglich des Produktionsniveaus (vgl. Spielwelt und Charakterdesigns), sehr hoch. Der Kern, die Geschichte, hinkt dem Ganzen aber immens hinterher und ist nicht viel besser als ein beliebiger Groschenroman. Die Geschichtserzählung ist fast nicht vorhanden, sodass man sich immer wieder in Situationen wiederfindet, in denen man sich fragt, warum man eigentlich gerade an diesem Ort jene Aufgabe erledigen muss. Die Schuld daran hat der fehlende Erzählfluss, die fehlende Verbunden- und Verwobenheit der einzelnen Kapitel und Szenen.

Square Enix, 2017

Die erwähnte Zerrissenheit und seltsamen Erzählweisen lassen sich an einem herausragenden Beispiel ohne großes Vorweggreifen der Geschichte sehr plastisch darstellen: Nach getaner Arbeit und dem Einsammeln eines gewissen Erzes wird der Spieler von einem NPC aufgehalten, der ihm das Angebot unterbreitet, per Sofortreise direkt zum nächsten Handlungsschauplatz zu gelangen. Sofern man das Angebot annimmt, erscheint ein Ladebildschirm für das nächste Kapitel der Geschichte, der dem Spieler allerdings mitteilt, dass das gesammelte Erz der Menge nach nicht ausreicht, weshalb man nun an einen anderen Ort, eine mit Dämonen besetzt Raffinerie, gebracht wird. Keine Zwischensequenz, keine Begründung, nichts. Man wird einfach mit einer anderen Aufgabe betraut, die nichts mit dem vorherigen Spielgeschehen zu tun hat. Die zugehörigen Dialoge sind so gestaltet, als ob man den Ort bereits gut kennen würde, die darin befindlichen Charaktere bestens vertraut wären und auch das Problem bereits bekannt sei.

Faszination: Warum?

In spielerischer Hinsicht ist das Faszinierende an „Final Fantasy XV“ wohl die Frage, woher die jeweiligen Spielelemente kommen und was sich die Verantwortlichen damals dachten, als es gewiss ein völlig anderes Werk war. Es gibt an vielen Stellen Momente, an denen man sich kopfkratzend fragt, wer solch eine Entscheidung zur Ausgestaltung für gut befinden konnte. Die gesuchte Antwort darauf kann nur darin liegen, dass die verschiedenen Spielmechaniken Überbleibsel sind, mit denen versucht wurde, schnell eine Art Flickenteppich zusammenzunähen. Das Beispiel Altissia zeigt dies eindrücklich: Eine aufwändig gestaltete, Venedig nachempfundene Kanalstadt, in der es kaum bis nichts zu entdecken gibt und nur zwei kleine Missionen gespielt werden, machen im Verhältnis zum Erstellungsaufwand keinen Sinn. Während die mittelalterliche Stadt Novigrad in „The Witcher 3: Wild Hunt“ (CD Red Projekt, 2015) die Erzählung fast zum Erliegen kommen lässt, weil es Unmengen an Haupt- und Nebenquests zu erledigen gibt, speist „Final Fantasy XV“ seine Perle innerhalb einer Stunde ab.

Square Enix, 2017

Üble Verschwendung von Potential: Zehn Jahre im Kreis entwickelt?

Viele haben die Spielszenen und Trailer aus dem Jahr 2013 noch in Erinnerung. Womöglich sind sogar Kaufentscheidungen auf Basis dessen entstanden. Die gezeigten Szenen überzeugen und lassen auf Großes hoffen. Packende Kampfsequenzen (auf die im Folgenden noch eingegangen wird) und emotional fesselnde Momente, ein mysteriöser Jugendlicher namens Noctis, der fast kaltherzig alles niederschlägt, was sich gegen ihn erhebt und so weiter und so fort:

Final Fantasy Versus XIII Trailer
Square Enix, YouTube, 2017

Es ist erstaunlich, wie solch ein Rohdiamant nicht geschliffen, sondern bis zur Unkenntlichkeit poliert wurde: Kernelemente eines RPGs, wie beispielsweise verschiedene Ausrüstungen, sind auf ein Minimum eingekocht oder gar wie im Falle von Kleidung beziehungsweise Rüstung fast nicht existent. Sammelbare Gegenstände werden einfallslos in Ecken platziert, repräsentiert durch das immer gleiche Funkeln ohne Symbol oder Kleinabbildung des Gegenstandes, zumal sie im überwiegenden Fall keine Funktion besitzen außer gegen Geld eintauschbar zu sein. Waffen können selten verbessert werden, Set-Gegenstände existieren nicht – die Liste der Mängel ist sehr lang und steht in einem erschreckenden Kontrast zu dem, was die beiden zuvor gezeigten Trailer suggerieren.

Final Fantasy 15 - E3 2013 Trailer & Gameplay
Square Enix, YouTube, 2017

Ein weiteres Beispiel

Zu Beginn des Spiels ist es ratsam, die Nächte zu überbrücken, denn die auftauchenden Monster namens „Siecher“ sind zu stark, als dass man sie leicht besiegen könnte. Da die gesammelten Erfahrungspunkte den jeweiligen Charakteren erst durch das Einlegen einer Rast – unabhängig von Campingplatz, Wohnwagen oder Hotel – gutgeschrieben werden, ist dies auch schon beinahe ein Zwang. Ist man im Freien, hat man zusätzlich die Möglichkeit, ein Gericht zu kochen, das für den folgenden Tag teils sehr eklatante Boni bedeutet. So ein Halt dauert zwar nur zwei bis drei Minuten, trotzdem möchte man diese spiellose Zeit möglichst schnell überbrücken. Zusammenfassungsbildschirme ohne Zweck in einem Open-World Konzept, bei denen man sich unweigerlich fragt, warum dies im Spiel integriert ist, konterkarieren das Fundament der offenen Welt. Kochsequenzen mit Ignis, die man nur wegklicken kann, Fotos, die Prompto erstellt hat und die man als eine Art Screenshotmöglichkeit verstehen sollte und so weiter lassen die immer gleiche, unbeantwortete Frage aufkommen: Wer kam auf diese Idee und warum?

Intrinsischer Spaß: Das Spiel kann fesseln

Die Genugtuung im Spiel kommt ausschließlich durch die Kämpfe und das „Gemacht haben“ der gestellten Aufgaben zu Stande. Die Nebenmissionen sind nicht der Rede wert, denn sie bestehen ausschließlich aus kontextlosen Sammel- und Kampfaufgaben auf dem Niveau eines koreanischen Free-to-Play-Titels aus den frühen 2000er Jahren. Manchmal wünscht man sich sogar, keine weiteren zu bekommen, weil sie so uninspiriert sind, dass so manches Rollenspiel vor zehn Jahren sich dafür schämen würde.

Obwohl die Geschichte fast ausschließlich in der zweiten Spielhälfte stattfindet, stecken auch im ersten Teil durchaus Stärken: Die hervorragend designte Flora und Fauna der bildhübschen und faszinierenden Welt möchte erkundet werden. Die Momente, in denen man neugierig wird, sich fragt, was sich auf Eos alles ereignet hat und ereignen wird, gibt es durchaus. Gleichzeitig frustriert es in diesen Momenten, zu sehen, was die Entwickler einst vorhatten und in welch spannende Richtung das Spiel eigentlich gehen sollte. Man wäre gerne ab und an emotional mehr investiert, doch zu schnell werden pathetisch schmalzige Dialoge und Nebenaufgabenüberlagern den hübschen Kern mit fast stoischer Präzision. Letztere waren beispielsweise in „The Witcher 3: Wild Hunt“ spielerisch ebenfalls nicht überragend, nur bot jeder Nebenstrang der Haupthandlung auf erzählerische Ebene eine derartige Tiefe, dass man sich vom Spiel treiben ließ. Diese nötige Tiefe existiert in „Final Fantasy XV“ leider nicht, obwohl es sich um ein japanisches Rollenspiel handelt, das – wie zu Beginn beschrieben – traditionell im Narrativen bestechen sollte.

Das Kampfsystem hat seine Stärken und Schwächen, wobei letzere nicht durch ein implizites Übel als vielmehr durch hausgemachte Entscheidungen entstanden sein müssen: Überraschend packend und sind die bombastisch inszenierten Bosskämpfe: Selbst mit dem Hintergedanken, dass in früheren Trailern deutlich mehr Abwechslung innerhalb eines Kampfes versprochen wurde, sitzt manch eines dieser Gefechte immer noch in den Fingerknochen, denn sie standen gut ausbalanciert auf Messers Schneide.

Die Idee, dass man den Protagonisten Noctis selbst spielt, Angriffen ausweicht, scharfe Klingen und Lanzen schwingt, mit Pistolen schießt, Magie einsetzt und Combos vollführt, und dies immer mit den auf den Gegner passenden Waffen um effektiv Schaden auszuteilen, ist herausragend. Grundsätzlich werden einerseits Elemente eines „Character-Action“ Spiels (z.B. „Bayonetta“ (Platinum Games, 2009) oder „Devil May Cry“ (Capcom, 2001)) repliziert, andererseits werden verschiedene Mechaniken der „Final Fantasy“-typischen rundenbasierenden Spiele integriert. Das zu Hilfe rufen der mitkämpfenden Kumpanen und das gleichzeitige im Auge behalten von vier Lebensbalken fordern volle Konzentration, fesselt somit und gibt eine gewisse Tiefe.

Allerdings – und hier beginnen die Probleme – verkennt es die grundsätzlichen Regeln eines „Character-Action“-Spiels, weil nie optisch ersichtlich wird, welcher der fünf bis fünfzehn Gegner einen nun angreift: Die Kameraführung erweist dabei einen Bärendienst, agiert seltsam und kann durchaus dazu führen, dass man beispielsweise einen Busch, einen Baum oder andere Gegenstände in den Vordergrund gestellt bekommt. Abseits dieser ungewollten Herausforderung findet die erwartete Finesse am Controller nur bedingt statt, denn man kann den Kampf fast gänzlich automatisiert ablaufen lassen. Alles was hierfür zu tun ist, ist ein Paar Knöpfe gleichzeitig gedrückt zu halten. Diese Entscheidung kommt einem Rückzieher gleich und lässt vermuten, dass das beschlossene Risiko dem Spieler doch nicht gänzlich zuzumuten sei. Das bricht die an sich vorherrschende Kohärenz im Kampf nicht vollständig, aber doch soweit, dass das Spiel auch in diesem Bereich fast zu einer Simulation verkommt.

Ein Flickenteppich

Eine der besten Szenen aus Kingsglaive wurde ins Spiel einfach kryptisch, missverständlich integriert.
Square Enix, 2017

Nicht immer reifen Videospiele genauso gut, wie es etwa Wein nachgesagt wird: Während die erste Hälfte einem entspannten Road-Trip gleichkommt, ist die zweite Hälfte der Handlung gezwungener und galoppiert nur so davon ohne die vorherige, gemächlichere Erzählgeschwindigkeit zumindest in einem Übergang aufzunehmen. Außerdem fordert das Spiel uns indirekt auf, eine kurze Animeserie und einen ganzen Kinofilm namens „Kingsglaive: Final Fantasy XV“ (2016) anzuschauen sowie ein Prequel-Buch zu lesen, um Schlüsselszenen und Charaktere in Gänze verstehen zu können. Und all das, obwohl der leicht durchschaubare Noctis und seine Crew mit der Zeit den Spieler langweilen werden, weil sie keinerlei optische oder nur wenig charakterliche Entwicklungen durchleben. Square Enix ist die Problematik offenbar bewusst und man spricht von kurz- wie langfristigen Verbesserungen, wobei die Ankündigung mit Vorbehalt gelesen werden sollte, denn schon viele Publisher nach Veröffentlichung große Supportpläne versprochen aber nicht wirklich eingehalten. Wirtschaftlich gesehen dürfte sich die Frage dahinter verbergen, warum man ein Produkt langfristig und kostspielig unterstützen sollte, wenn man es bereits erfolgreich verkauft hat?

Soldaten und wichtige Personen des Imperiums: Verspielte Chancen eines interessanten Designs
Square Enix, 2017

Welch immensen Schaden diese Flickschusterei anrichtet, zeigt sich erst zum Schluss: Zum Spielende wurden zwei Twists integriert, sowohl was den Bösewicht und dessen Genese angeht als auch die Aufgabe, die Noctis versucht, zu erfüllen. Im Grunde ist die Idee innovativ, weil das Spiel es allerdings nicht versteht, auf diese Twists hinzuführen, die Charaktere vernünftig vorzustellen, fliegt es damit komplett auf die Nase. Die Idee, aus der man eine spannendes Narrativ hätte stricken können, ist an sich grandios. Sie wird aber an zu vielen Stellen durch fehlende Erklärungen, Informationen und Zwischensequenzen regelrecht verbockt, sodass nichts Anderes übrigbleibt als sie für nichtig zu erklären. Es ist zu befürchten, dass „Final Fantasy XV“ der Flickenteppich beziehungsweise Strudel aus diversen für sich stehende Ideen bleiben wird, das es im Moment ist: Kapitel 13 wurde beispielsweise bereits überarbeitet. Square Enix gelobt im selben Artikel Besserung, indem sie weitere Geschichtselemente zur Haupthandlung hinzufügen wollen. Abseits dieses indirekten Eingeständnisses eines narrativen Flickwerks spiegelt es die Probleme wieder, die das Spiel im Kern betrifft: Motivationen einiger Charaktere ändern sich in der zweiten Hälfte des Spiels ohne erkennbare Entwicklungen. Beweggründe, Erklärungen und neue Charaktere ploppen förmlich auf, werden als Schlüsselelemente in der Haupterzählung präsentiert, um eine Stunde später wieder im Nirvana zu verschwinden.

Square Enix, 2017

Zum Beispiel ist Ravus Nox Fleuret eine in Ansätzen interessante, düstere Figur, kann aber ihr Potential nicht entfalten, weil sie viel zu wenig Szenen spendiert bekommt. Square Enix sieht es ähnlich und verspricht auch hier Besserung in Form von zusätzlichen Sequenzen. Dabei ist Ravus aber nicht der einzige, der Tiefe und Motivationsmuster dringend gebrauchen könnte: Zieht man den vorgestellten Patch-Plan hinzu, entsteht ein Bild von einem nicht allzu kompletten Spiel: Weitere, spielbare Charaktere, anpassbare Avatars, Game-Plus Inhalte, alternative Spielmodi, Bosskämpfe und zusätzliche Nebenmissionen. Dies klingt auf den ersten Moment nach einem Rundum-Sorglos-Verbandskasten, lässt aber gleichzeitig Zweifel daran aufkommen, wieviel Konzept hinter dem Spiel bisher wirklich steckt. Böse gesprochen gelingt es „Final Fantasy XV“ nach zehn Jahren Entwicklungszeit, den schwer von der Hand zuweisenden Eindruck zu erwecken, weitere drei Jahre zu benötigen. Die Hoffnung stirbt selbstverständlich immer zuletzt: Sollte es den Entwicklern gelingen, endlich zu erklären, was Ravus antreibt, welche Historie und Philosophie das Imperium Niflheim antreibt, um Struktur und Kohärenz in die zweite Hälfte der Geschichte zu bringen, dann könnte die dargebotene Fantasie tatsächlich so eindringlich sein, wie man es in der PR-Abteilung beschwört.

Totaler Autounfall? Nicht ganz.

Die Abenteuer der Junggesellenabschiedsentourage „Noctis & Co.“ in ihrem Nobelschlitten hinterlässt viele innerliche Konflikte. Eine wunderschöne Welt, überraschend sympathische Charaktere mit einem Hang zu fehlenden Emotionen in schweren Krisen zeugen davon, dass die Entwickler Großes vorhatten. Wirklich rund, das heißt vollendet, ist das immens auf das Narrativ bauende Kunstwerk hingegen nicht. Es ist ein ewiges Hin und Her zwischen den Polen „Klasse“ und „Unsinn“. Seit dem Abgang von Hironobu Sakaguchi (zuletzt „Final Fantasy X“) schwächelt die Geschichtserzählung merklich. Es ist erschreckend, dass die für die Spielereihe bekannten, pompös fantastischen Zwischensequenzen fast gänzlich verschwunden sind und somit gleichzeitig jegliches Verständnis für die neu präsentierte Welt zu Nichte machen. Stattdessen werden plakativ seltsam statische Dialoge zwischen zwei Spielfiguren geführt, die genauso ahnungslos wirken, wie der Spieler vor dem Bildschirm selbst. Wie kann es sein, dass ein viel zu schnell ablaufender Zusammenschnitt aus einem CGI-Kinofilm das sogenannte „Storytelling“ vollwertig ersetzen soll? Völlig kontextlos werden in einem Staccato wichtige Informationen verschwiegen und dies ohne triftigen Grund.

Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei oder, wie in diesem Fall, entstand – überspitzt gesagt – ein Bruch auf spielerischer wie geschichtlicher Ebene. Während die erste Hälfte des Spiels in einer Open World stattfindet und einem Road-Movie nachempfunden ist, verbleibt die zweite Hälfte in einem schlauchartig linearen Setting, dem Überbleibsel von „Final Fantasy Versus XIII“ beziehungsweise der Arbeit um Tetsuya Nomura. Es ist ein Novum, dass ein Spiel ab einem gewissen Speicherstand per Einblendung fragt, ob der Spieler die offene, aufwendig generierte Welt zurücklassen möchte. Bestätigt dieser, ist Zurückreisen nur in Form einer „Erinnerung“ gegeben. Dieser Bruch ist tiefgreifender als gedacht, denn in der ersten Hälfte ist die Geschichte nicht wirklich existent und nimmt erst nach der erwähnten Dialogbox, erst nach dem Zurücklassen der offenen Welt in der zweiten Hälfte Fahrt auf, obwohl offene Spielwelten eigentlich nur dann funktionieren, wenn sie mit Leben, das heißt mit Geschichten gefüllt sind. Das Konzept, das einst eine Trilogie beinhaltete, wird in sechs Stunden in einer Erzählgeschwindigkeit durchgespult, die dem Spiel schadet. Man könnte zwar argumentieren, dass es doch ein interessanter Aspekt sei, wenn aus einer zusammenhaltenden Viererbande in der ersten Hälfte ein Disput in der zweiten Hälfte entsteht, doch der Bruch in der Tonalität ist viel zu hart, viel zu abrupt. Die Krise der Vier findet in einem Vakuum statt, ohne dem Spieler genug Entwicklung und Fortschritt in der Erzählung zu vermitteln.

Cookies! Diese Seite verwendet Cookies zur Darstellung und für Funktionen aller angebotenen Inhalte. Bevor es weitergeht, stelle bitte alles nach deinen Wünschen ein. Nutzt du hingegen diese Website einfach ohne selbst zu konfigurieren weiter, erklärst du dich mit den gesetzten Einstellungen einverstanden. Ausführliche Informationen und Hinweise sind unter Datenschutz beziehungsweise im Impressum nachlesbar.

Datenschutzeinstellungen

Einige Cookies sind essenziell und können nicht deaktiviert werden. Ohne diese würde die Webseite zu keinem Zeitpunkt funktionieren. Andere hingegen helfen zwar zur Optimierung, können allerdings nachstehend per Klick aktiviert oder deaktiviert werden.

Notwendig

Notwendige Cookies können nicht konfiguriert werden. Sie sind notwendig, damit diese Webseite überhaupt angezeigt werden kann.

Schriftgrößen

Konfiguriere, ob die Option zur Änderung der Schriftgröße auf Artikelseiten gegeben sein soll oder nicht.

Details

Cookies sind kleine Textdateien, die von Webseiten verwendet werden, um die Benutzererfahrung effizienter zu gestalten. Laut Gesetz können Cookies auf deinem Gerät gespeichert werden, wenn diese für den Betrieb dieser Seite unbedingt notwendig sind. Für alle anderen Cookie-Typen kann deine Erlaubnis gegeben oder entzogen werden.

Notwendige Cookies

Name Anbieter Zweck Ablauf Typ
PHPSESSID Pixelwarte Dieses Cookie ermöglicht es, die Onlineaktivitäten einer einzelnen Browser-Sitzung bzw. einen Nutzer eindeutig zuordnen. Sitzungsende HTTP
cookieApprovement Pixelwarte Speichert, ob der Nutzer den Konfigurationsprozess der Cookies bereits abgeschlossen hat oder nicht. 30 Tage HTML
cookieColorMode Pixelwarte Hiermit wird gesteuert, in welcher Farbpalette die Inhalte der Webseite angezeigt werden. Ohne dieses Cookie würde nichts sichtbar sein. 30 Tage HTML
cookieFontSizeApprovement Pixelwarte Speichert, ob der Nutzer generell die Schriftgrößenfunktion nutzen möchte oder nicht. 30 Tage HTML
cookiePrivacyTwitter Pixelwarte Speichert, ob nach Wunsch des Besuchers Twitterinhalte automatisch angezeigt werden sollen. Sitzungsende HTML

Artikelfunktionen

Name Anbieter Zweck Ablauf Typ
cookieFontSize Pixelwarte Hiermit wird gesteuert, in welcher Schriftgröße die Inhalte der Webseite angezeigt werden. Dieses Cookie wird erstellt, sobald eine Änderung der Standardschriftgröße vom Besucher der Webseite initiiert wird. 30 Tage HTML

Ausführliche Informationen und Hinweise zum Datenschutz, Impressum