Rayman Origins von Ubisoft Montpellier brach vor gut zwei Jahren wie eine Horde amphetamingetränkter Kleinmonster über das „Jump ’n’ Run“-Genre herein. Das Studio überraschte mit einem Spiel, für das das Wort „wundervoll“ passend erscheint: „Rayman Origins“ (Ubisoft, 2012) ist Spielspaß, ein zeitloser Klassiker, der dem Platzhirsch „Super Mario“ (Nintendo, zuletzt 2013) die Stirn bietet. Rayman könnte eines der neuen Schwergewichte im Bereich des „Jump ’n’ Runs“ sein. Nur zum Teil ist dieser Titel bereits verdient. Die Vorschusslorbeeren, die die Entwickler aus Montpellier mit ihrem Konzept bisher einheimsen konnten, werden erfreulich durch „Rayman Legends“ entgültig begründet.
Erschienen am
20. Februar 2014
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Optische Backpfeiffe bitte
Der narrative Kontext des Spiels ist schnell erzählt: 100 Jahre sind seit den Ereignissen aus „Rayman Origins“ vergangen. Rayman und Kollegen haben die Zeit genutzt, um im wahrsten Sinne des Wortes ausgiebig zur Ruhe zu kommen. Sie haben die gesamte Zeit über geschlafen. Während dieser schier endlosen Siesta haben sich die besiegten Albträume erneut zusammengeschlossen, vermehrt und sich zusätzlich neue Welten unter den Nagel gerissen. Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten ist die Aufgabe des Spielers. Die Geschichte ist folglich nicht sonderlich komplex oder ausgefeilt; Für ein sogenanntes „Jump ’n’ Run“ ist die Handlung allerdings ausreichend, denn solch ein Spielkonzept generiert den Unterhaltungsfaktor in ganz anderen Bereichen.

„Rayman Legends“ bombardiert das Auge in einer geradezu verschwenderischen Art mit Farbexplosionen auf dem Bildschirm. Die künstlerische Gestaltungen zählt zum Besten, was bisher an Spielen auf der aktuellen Konsolengeneration genossen werden kann. Egal, ob man unter Wasser schwimmt, den mexikanischen Tag der Toten feiert oder sich durch die antike, griechische Sagen- und Götterwelt schlägt, es gibt mehr künstlerische Feinheiten zu bestaunen, als der zerebrale Aufmerksamkeitspuffer überhaupt ins Langzeitgedächtnis durchsickern lassen kann. Der handgezeichnete, zweidimensionale Stil überzeugt aber nicht nur durch Phantasie beziehungsweise Kreativität, sondern auch spieldynamisch und -mechanisch hat das französische Studio weitere Feinheiten eingeschleust: Dynamische Beleuchtungen und dreidimensionale Effekte sowie eine überaus präzise Steuerung fügen sich in das farbenfrohe Spektakel ein.
Spielspaß par excellence
Im Vergleich zum Vorgänger hat sich die grundsätzliche Steuerung nicht geändert. Springen, hüpfen, ordentlich zuhauen und mit Propellerhaaren herumgleiten ist immer noch genauso möglich wie bisher. Die Entwickler ruhen sich löblich nicht auf den bereits verdienten Lorbeeren aus: Mit genug Anlauf rast Rayman Wände entlang und kann neuerdings auch schleichen. Dies ist manchmal sogar notwendig, um im Spielverlauf fortzuschreiten. Die stilechten Musiklevel sind die populärste Neuheit des Spiels. Sie vereinen das Guitar-Hero Prinzip mit „Jump ’n’ Run“ Elementen und sind genauso unterhaltsam, wie es sich liest.Die Verbindung von Hören (Rhythmik) und Sehen (Prozesshaftes) schafft ein symbiotisches Spielgefühl. Mit ein bisschen Übung und einem guten Gehör ist es sogar möglich, einige Level komplett mit verbundenen Augen durchzuspielen, so präzise sind die Steuerung und das Timing der Sprünge auf die zugehörige Musik abgestimmt. Später freischaltbare 8-Bit Interpretationen einiger Level fordern sogar ein, dass man sich eher auf das Gehör als auf die Augen verlässt.

Insgesamt sechs Spielwelten werden durch Gemäldegalerien dargestellt und jede dieser wird durch solch ein Musiklevel gekrönt. Einige Level sind anspruchsvoll(er) gestaltet, sodass man sich auf eine etliche Anzahl von Neuversuchen einstellen muss. Die Frustration bleibt aber trotz des Trial & Error Prinzips begrenzt, weil es die Entwickler verstehen in den entscheidenden Momenten die Frustrationsquelle zu kappen und durch Musiklevel, neue, auswechselbare, charismatische Charaktere und anderes zu belohnen. Jedes einzelne Musiklevel passt sich thematisch in die optische wie auditive Tonalität der jeweiligen Galerie ein.
Ebenfalls neu dabei ist der herumschwirrende, grinsende Murphy, ein kleiner Helfer, der, wenn man so will, sich durch die Levelarchitektur frisst. Seile zerbeißen, um Fallen auszulösen oder zu entschärfen, Gegner kitzeln, sodass diese keine Gefahr mehr darstellen; all das leistet Murphy, damit man sich leichter durch die Welten boxt. Murphy selbst war zunächst als ein Wii U exklusives Feature geplant. Nach längerem Hin und Her und der Erkenntnis, dass es sich hierbei um ein spielmechanisch wichtiges Element handelt, entschied man sich Murphy auch für die Xbox und PlayStation umzusetzen. Allerdings wurde primär die Wii U Konsole inklusive des recht globigen Touchbildschirm-Controllers gedacht. Weder die Xbox noch die Playstation bieten ähnliche Controller an. In letzter Konsequenz geht die Idee, die Murphy spielmechanisch verkörpern soll, in den Adaptionen für Sonys und Microsofts Konsole fast gänzlich verloren. Anstatt auf dem zusätzlichen Bildschirm Murphy eigenständig steuern zu können, wird dieser vom Spieler mehr oder weniger nur hinter sich her geschleppt.
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
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Ubisoft, 2014
Die dritte und letzte Neuerung nennt sich „Kung Foot“ und ist das Anhängsel des Spiels. Das Konzept ist simpel: Man tritt in Zweiermannschaften gegeneinander an und versucht den Ball in diesem Mini-Fußballspiel ins gegnerische Tor zu bugsieren . Mehr als ein Bonbon ist dieser Modus nicht, puscht maximal das Gesamtwerk in eine gewisse kompetitive Dimension und dürfte gelegentlich für Abwechslung im stetigen Hüpfen und Rennen sorgen.
Kleinlinge und Lums
Um weitere Level spielen zu können, müssen sogenannten Kleinlinge gesammelt werden. Bis zu acht Stück sind in jedem Level versteckt zu finden. Allerdings hat der Spieler nicht immer Zeit sich ganz genau umzusehen, um die um Hilfe rufenden Kleinlinge in der Nähe aufzuspüren. Das Spiel bietet stellenweise echte Hektik, sodass man sich in einem stetigen Voranhetzen wiederfindet. Ab und an ist die Abfolge der Knopfdrücke so rasant, dass man im Nachhinein kaum glauben kann, dass man den Parcours, seine Hindernisse und Gegner eigenhändig durch exakte Knopfdruckabfolgen gemeistert hat. Entweder sitzt einem ein großer, Bildschirm füllender Gegner im Nacken, oder der Spieler darf einem Fiesling hinterherjagen. „Rayman Legends“ spielt sich flott, was dem Aufspüren der versteckten Kleinlinge gelegentlich schadet. Sammeln oder besser Befreien kann man nicht nur die erwähnten Kleinlinge, sondern auch sogenannte Lums. Sind genug gesammelt worden, schalten sich neue spielbare Charaktere frei und für Kleeblätter als Belohnung am Ende jedes Levels bekommt man Rubbellose spendiert, die uns mit etwas Glück weitere 50 angepasste Level aus „Rayman Origins“ bescheren. In diesen darf man sich dann nochmals in den Originalen austoben.

Bis zu drei Spieler können sich im laufenden Spiel ein- und ausklinken. Diese Unterstützung ist vor allem beim Sammeln sehr willkommen oder bewahrt den sonst allein Spielenden vor so manchem Tod. Die Murphy Level fallen dagegen etwas komplizierter aus: Spielt man zu zweit auf der Wii U, kann einer der zwei Spieler die Rolle von Murphy übernehmen, was in Sachen Teamwork und Mechanik hinsichtlich des Spielkonzepts passend ausgestaltet wurde. Abseits der Wii U oder mit mehr als zwei Spielern kann jeder Murphy befehligen, was zu einem gewissen Chaos führen kann. Ab und an schickt man sich somit gegenseitig reihenweise in den Tod, was dann für Erheiterung sorgt, wenn man nicht gerade Rekordzeiten im Bewältigen der Level nachjagd.
Abseits des Schwärmens
Über „Rayman Legends“ zu schwärmen ist für „Jump ’n’ Run“ Affine kein Problem. Die halsbrecherische Abwechslung, ein gelungener Soundtrack und packende Bosskämpfe zeichnen das Spiel aus, weil sie sowohl abwechslungsreich als auch harmonisiert inszeniert sind. Das Spiel kann jedem Interessierten ans Herz gelegt werden: Es ist ein Muss für alle, die Hüpfen und Springen als Spielmechanik mögen. Es verkörpert in dieser Hinsicht die Definition von Spielspaß und obendrein ist „Rayman Legends“ nach langer Zeit ein ernstzunehmender Konkurrent zu Nintendos „Super Mario Bros.“. Das bringt zumindest gefühlt etwas mehr Dynamik in die fast schon tot geglaubte Genre des „Jump ’n’ Runs“. So einfach das Spiel auch in seiner Grundmechanik ist, ist es ein schlüssiges, rundes, vollkommenes Spiel, das all das, was es verspricht, auch hält. Langfristig dürfte das Werk optisch wie auditiv und spielmechanisch nicht substanziell altern.