Es gibt kein Vertun. Ninja Theory demonstrierte von Anbeginn, dass die Marke „Hellblade“ versuchen wird, psychologische Phänomenologie spielerisch erfahrbar werden zu lassen. Eine überzeugende Begründung für diese Einschätzung liegt allein in den Kurzdokumentationen, die „Hellblade: Senua’s Sacrifice“ (2017) und „Senua’s Saga: Hellblade 2“ (2024) beigefügt wurden respektive auf dem offiziellen YouTube Kanal des Entwicklerstudios angesehen werden können. Dennoch übrigbleibende Zweifel werden spätestens mit dem Erlebnis beider Videospiele ausgeräumt. Und es beginnt ein Stirnrunzeln, sobald die initiale Begeisterung über die Spielidee verflogen und die Suche nach der Passung der beiden Begriffe „Leiden“ und „spielerisch“ beginnt. Vorallem, weil das Spielkonzept nicht alltägliche, sondern psychologische Störbilder taxiert, das heißt Extrembeispiele psychischer Zustände ins Zentrum stellt. Betrachtet man ausschließlich die genannten Kurzdokumentationen, klingt das Vorhaben der Entwickler von Ninja Theory nicht nur vielversprechend, sondern katapultiert sich schier automatisch in Richtung „Serious Games“, einem Genre, das sich gerne als Vorhof oder Teil des Bereichs „Bildung“ versteht.
Erschienen am
21. Mai 2024
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Senua ist der Name der Protagonistin, die unter Psychosen leidet. Der Name ist der keltischen Göttin entlehnt und mit der Geschichte Boudicas kombiniert, die in den frühen Jahren der römischen Besatzung Britanniens um 60 n.Chr. Widerstand leistete. Die Entwickler kreieren das Setting einer keltischen Kriegerin auf einer Reise ins Land der Wikinger, die wiederum für ihre Brutalität gegenüber fremden Völkern bekannt sind. Anführer bezwungener Stämme wurden den eigenen Göttern geopfert. Die brutalste Art war als Blutadler bekannt. Senuas Liebe namens „Dillion“ soll dieses Schicksal im Spiel erfahren, was wiederum einen peinigenden Zyklon aus Schuld, Scham, Angst, Traurigkeit, Schock, Rage und Verzweiflung hervorruft. Das bedeutet, dass ein fast generisches „Gut“ und „Böse“ für den Spieler (trotzdem) gesetzt wird. Die Identifikation mit der jungen, naiven Kriegerin Senua wird vorwiegend dadurch aufgebaut, nicht aber durch ihr psychisches Leiden, was laut den Dokumentationen im Zentrum stehen soll.
Eine zusätzliche heroische Aufwertung erhält Senua durch ihre Abstammung, die anhand ihrer Körperbemalung erkennbar ist: Als Teil des Stammes der Pikten, die nicht von den Römern bezwungen werden konnten und daher den Hadrianswall mitverursachten, wird Senua als eine unerschütterliche Seele charakterisiert, die zwar von Psychosen gepeinigt wird, diesen aber stets versucht bestmöglich kriegerisch zu widerstehen. In Summe wird eine klassische Heldengeschichte im Grundgerüst aufgebaut, die mit mythologischen und historischen Elementen geschickt jongliert. Und weil die Wikinger im späten 8. Jahrhundert auf den Orkney-Inseln landeten, während gleichsam die dort ansässigen Pikten verschwanden, drängte sich die nachspielbare Handlung nahezu auf.
Anstelle des modernen Begriffs „Psychose“ wird das Wort „Gealt“ gesetzt, das historisch zutreffend die differenzierte, keltische Perspektive auf psychisch abnormes Verhalten widerspiegelt. Sühne, Strafe und Läuterung sollte in den Wäldern gesucht werden, um anschließend sprichwörtlich natürlich geheilt wieder Teil des Stammes sein zu können. Senua ist solch eine „Gealt“. Weil sie auf sich allein gestellt ist, trat sie monologisierend im ersten Teil, „Hellblade: Senua's Sacrifice“, in einen inneren Dialog mit „Druth“, das heißt demjenigen, der göttliche Worte spricht. Druths animalisches Erscheinungsbild eines wahnsinnigen Sünders soll in den Augen Senuas kontraintuitiv Erlösung bringen. Und auch hier lädt Ninja Theory die Handlung des Spiels zusätzlich heroisch auf, weil sie sich hierbei ebenso offensichtlich der Geschichte Findans beziehungsweise Fintan von Rheinau bedienen, der den Erzählungen nach von den Wikingern gefangen genommen und in Versklavung geriet, allerdings von den Orkney Inseln flüchten konnte und in der Zuflucht in Schottland ein Mönch wurde. Kenner der Serie „Vikings“ (2013) werden schmunzeln und sich an das Schicksal Athelstans erinnert fühlen.
„Senua's Saga: Hellblade 2“ setzt auf dem Beschriebenen auf: Senua wird zur Retterin ihrer von den Wikinger auf Island versklavten Stammesmitglieder. Der Ausbruch des Askja-Vulkans reißt die Mauern zwischen Midgard (die Erde) und Jötunheim (die Welt der Riesen) ein, was den Riesen den Zutritt zur Welt ermöglicht. Zur Besänftigung dieser werden Sklaven, das heißt Senuas Stammesmitglieder, geopfert. Und weil die Stimmen hörende Senua aufgrund ihres Verhalten einer Seherin gleicht, wird sie auf die Suche nach den Verborgenen (gottähnlichen Wesen) geschickt, die im Untergrund leben und möglicherweise die Schwäche der Riesen kennen. Abermals sollen Prüfungen bestanden werden, sodass Senua ihren Wert für ihren Stamm beweisen kann. Das Narrativ verkommt langsam aber sicher im komplett Generischen.
Für das erste wie das zweite Videospiel kommen Psychosen dem narrativen Design sehr gelegen, da sie zum einen eine Leidensgeschichte quasi entstehen lassen, ohne eine komplett ausstaffierte Vorgeschichte präsentieren zu müssen. Zum anderen ermöglicht ein Teil des Störungsbildes, dass jegliche geschichtliche Entwicklung umgesetzt werden kann, weil die fehlende Fähigkeit zwischen Realität und Fantastischem scharf zu trennen jegliche Bilderwelt zulässt. Senuas Kopf entscheidet, die psychotische Störung wabert und dirigiert im Mittelpunkt des Spiels.
Der leicht effekthascherische Buzz
Ninja Theory betitelt sein Vorhaben gerne marketingwirksam als ein Tabu, was zumindest in modernen Gesellschaften kritisch hinterfragt werden kann. Ein erstes Argument wären Beispiele sowohl aus Film (z.B. „No Country for Old Men“) wie Literatur (z.B. „Das Parfüm“), die ebenfalls abnormes Verhalten und die dahinterstehenden Persönlichkeiten ins Zentrum stellen. Ein weiterer Aspekt wären die nachhör- und lesbaren Debatten in Talkshows, Podiumsdiskussionen und Zeitungsartikeln, die immer wieder und anlassbezogen verknüpfte psycho-soziale Problemstellungen explizit behandeln.
Nachvollziehbarer wäre ein Stigma, denn Psychosen und Psychopathie werden öfters von Gesellschaften „alltagspsychologisch“ mit Defiziten, beispielsweise einem „Mangel an Empathie“ verbunden. Es beschreibt eine wiederkehrende Beobachterreaktion, die sich daraus speist, dass das beobachtete, intransparente, womöglich bedrohlich wirkende Verhalten nicht durch das eigene Erfahrungswissen erklärt werden kann. Die dadurch entstehende Distanzierung zum eigenen Schutz gegenüber dem Fremden ist allerdings nicht auf derartige Verhaltensmuster wie etwa Psychosen beschränkt. Ein weiteres Beispiel wäre alterspezifisches aggressives Verhalten, dessen Ursachen nachweislich und überwiegend (circa 90-95% aller Fälle) nicht in psychische Erkrankungen liegen. Aber auch hier wird oft rein aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfend argumentiert, dass in derartig agierenden Personen Defizite schlummern müssen. Nebenbei bemerkt läge hierin ein Ansatzpunkt für Ninja Theory, ihre selbstgesteckten Ziele im Abgleich mit den Anforderungen eines „Serious Game“ zu erreichen. Allerdings wird dieser eher sozialpsychologische Prozess, das heißt die Funktionsweise des Kontexts, indem sich von Psychosen Betroffene bewegen und behaupten müssen, recht kryptisch und nicht interaktiv erfahrbar gemacht.
Die Herausforderung wurde stattdessen während der gesamten Entwicklungsdauer im psychologischen Konstrukt „Psychose“ gesucht, die beispielsweise im ersten Teil durch die nordische Unterwelt Hel repräsentiert wird. Es ist ein großes Risiko sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, denn wie soll etwas dargestellt werden, von dem die Wissenschaft nur Bruchstückhaftes aber gewiss kein allumfassendes Verständnisgefüge anbieten kann? Der beschreibende Begriff „Psychose“, der den Kontaktverlust mit der Realität beschreibt, mündet in Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Beides und nur dies wird in „Hellblade“ umgesetzt. Es bedeutet aber auch, dass die im Spiel erfahrbaren Eindrücke vornehmlich auf der Fantasie der Entwickler und Interpretationen des bruchstückhaft existierenden Wissens beruhen. Eine Sensibilisierung des Zuschauers oder Spielenden für das Thema wird daher möglich, allerdings kann nicht von „umfänglicher Aufklärung“ gesprochen werden – auch deshalb, weil sehr wahrscheinlich derartige emotional ergreifende Erlebnisse sehr subjektiv sind, und damit schwerlich verallgemeinert werden können. So spannend und attraktiv das Thema aus psychologischer Perspektive auch erscheint, empfiehlt es sich das Videospiel distanziert/abgekoppelt zu betrachten und nur sporadisch objektivierte Verbindungen zum dahinter schwelenden Thema „Psychose“ zu ziehen.
Symptome in einem Videospiel
Stimmen hören ist ein Element, das in beiden Videospieltiteln simuliert wird. Um möglichst authentische Stimmgebilde unterschiedlicher Lautstärke, Lagen und räumlicher Distanz aber aus dem eigenen Kopf stammend umzusetzen, verwenden die Entwickler binaurale Mikrofontechnologie, die den dreidimensionalen Raum aufnimmt und die Wahrnehmung des menschlichen Ohrs imitiert. Durch die aufgenommene Dynamik entsteht im Gehörten der Eindruck, dass die jeweils sprechende Person nahe herantritt oder direkt neben dem Zuhörer steht. In den ersten zehn bis zwanzig Minuten ist der auditive Effekt beeindruckend und lässt einen ständig stoppen und zuhören, wenn einmal mehr verschiedene Stimmen beginnen, etwas einem einzureden.
Senua bewegt sich durch schlauchige, grafisch sehr ansprechende Umgebungen. Die mehr oder weniger ständig hörbaren Stimmen werden zusehends zum nervigen Problem. Erkundung und Neugier, das heißt der Wille sich aufmerksam mit der Spielwelt auseinanderzusetzen, wird ständig durch das Gebrabbel der Stimmen durchstochen. Das Spielen wird Minute für Minute anstrengender, was einerseits als Passung zu einer Psychose verargumentiert werden kann, andererseits aber Spielspaß verhindert. Es ist ein erster Hinweis darauf, warum das Konzept „Hellblade“ nicht ganzheitlich als Videospiel funktioniert, womöglich aber als Demonstrationssoftware besser vermarktet werden könnte.
Und dennoch: Wenn das Ziel der Entwickler eine möglichst detailgetreue Abbildung psychotischer Zustände ist, die nachempfunden und nicht nur miterlebt werden sollen, dann darf sogar logisch schlussfolgernd Spielspaß nicht entstehen. Optische Visionen und Flashbacks versuchen den Spieler am Bildschirm zu halten, während das Gerede einen ständig vom Bildschirm wegzudrücken scheint. Die intensiv erlebte Realität innerhalb einer psychotischen Episode ist schwerlich mit Kreativität zu illustrieren, weil sie die Sprengung des Rahmens normaler Vorstellungskraft einfordern. Das Spiel mit Farben, Dimensionen, der Unschärfe, Physik, Distanz und Nähe, Symbolik und Perspektive ist so orchestriert, dass ständig und graduell abgestuft zwischen Fantastischem und Tatsächlichem hin- und hergeschwenkt wird. Es ist diskutabel das wahre Glanzstück beider „Hellblade“ Videospiele.
Die Entwickler können sich allerdings glücklich schätzen, dass die psychologische Abgrenzung zwischen dem Spielenden und dem Geschehen im Videospiel beständig wirkt, sodass maximal ein Nachempfinden aber kein Mitleiden gegeben ist. Andernfalls würde man spätestens nach fünf Minuten das Spiel beenden, weil es enervierend Energie raubt, ohne etwas als Belohnung zurückzugeben. Denn dafür sind die Kämpfe und Puzzle nicht spannend genug, als dass nach Meisterung ein hohes Belohnungsempfinden einsetzen würde.
Der Versuch Wahnvorstellungen in Puzzle zu übersetzen, funktioniert nicht wirklich. Es wird im Spiel nicht ersichtlich, dass Senua immer wieder Muster in der Welt erkennt und fast schon zwanghaft verstehen will, die geläufig nicht wahrgenommen werden. Dadurch, dass Wahnvorstellungen als (visuelle) Puzzle implementiert werden, wird die Mustersuche zur Aufgabe des Spielers, nicht aber Senuas. Die Schulterperspektive und die fehlenden Monologe, die erkennen lassen, dass es aus Senuas Sicht keine Zufälle sind, sondern Regelhaftes ist, was unbedingt gelöst werden muss, wirken in Summe kontraproduktiv zur Spielidee. Denkbar wäre der Kniff, dass Senua in einen Dialog mit dem Spieler tritt, um diesen in der Rolle des Lösers neben alle anderen Stimmen zu setzen, um die beschriebene Problematik etwas aufzufangen. So aber fehlt die Erkenntnis, dass es sich bei Wahnvorstellungen um keine Hirnfehlfunktion handelt, sondern um äußerst kreative Prozesse, in die die betroffene Person unreflektiert eintaucht. Die dunkle Fäulnis, die sich langsam von innen heraus auf Senuas Körper ausbreitet und die herumschwebenden Götterrunen, die den Weg nach Helheim versperren, wirken daher symbolisch mystifiziert. Sie besitzen vergleichbar zu anderen Videospielen keine zusätzliche psychologische Tiefe, sondern stehen alleinig und fast zu oberflächlich für „Bedrohung“.
Die für den Zustand Senuas ursächliche Einsamkeit und die schlechte Behandlung von Seiten ihres Stammes sind wie bereits angedeutet kryptisch umgesetzt, obwohl in diesem Bereich erhebliches Entwicklungspotenzial schlummert, das authentisch und effektvoll umgesetzt werden könnte: Ihr Leben gleicht den Erzählungen vieler Schicksale, die von unsichtbaren Freunden in der Kindheit erzählen und von einer Mutter berichten, die ebenfalls Stimmen hörte und Visionen hatte. Der Aberglaube, der ihren Vater Zynbel durchs Leben führte, ist ein ständiger Unruheherd, aus dem Psychosen in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter erwuchsen. Stigmen und ablehnendes Verhalten der anderen Klansmitglieder verstärkten zusätzlich. Dass ihr Freund barbarisch hingerichtet wurde, scheint das Fass zum Überlaufen zu bringen. Senuas Schicksal ist besiegelt, der mitfühlende Spieler eilt zur Hilfe. Dass diese Perspektive auf das Leiden Senuas nicht vollends von den Entwicklern ausgebaut wurde, ist schade.
Was fehlt, um vollständig zu überzeugen?
Man kann sich trotz aller visuell-auditiver Kniffe einer gewissen Distanzierung zur Spielhandlung nicht erwehren, weil alle Symbolik zu keinem Zeitpunkt von Senua so eindrücklich monologisiert wird, dass der Spieler kontinuierlich nachempfinden kann. Das heißt, dass man über ein sporadisch gegebenes Mitfühlen nicht wirklich hinauskommt. Wer keinerlei Erfahrungen mit derartigen Gedankenmustern hat, fühlt sich etwas abgehängt, konzentriert sich reduziert auf das, was bekannt erscheint und beginnt seine eigene Geschichte zu erstellen, die nicht alles, was die Entwickler intendierten, beinhalten wird. „Hellblade“ ist eines derjenigen Konzepte, das fast ausschließlich designte Geschichte (embedded story) sein will. Damit muss aber ein sehr enges, effektvolles Führen des Spielers gegeben sein. Es muss eine Erzählsprache gefunden werden, die wegen des komplexen Unterfangens in Trippelschritten das Gesamtszenario immersiv entfaltet. So, wie das Spielkonzept in „Hellblade: Senua’s Sacrifice“ und „Senua’s Saga: Hellblade 2“ umgesetzt wurde, wird das selbstgesteckte Ziel von Ninja Theory teilweise erreicht, teilweise aber nur gestreift.
Professor Paul Fletcher von der Cambridge Universität, der für beide Spiele beratend den Entwicklern zur Seite stand, beschreibt das eigentliche Ziel sehr eindrücklich, wenn er sagt:
[Psychosis] is a loose description of a shift in one’s experience of reality. A person with psychosis might experience changes in their perceptions and their beliefs. For example, they might see or hear things that other people can’t, and they might come to believe things that are quite uncharacteristic for them […]. To the person it feels like their reality, just as everything around me feels like my reality to me.
– Prof. Paul Fletcher in „Senua's Psychosis Feature | Senua's Saga: Hellblade II“
Was Fletcher beschreibt, spricht eher für ein demonstriertes als ein spielbares Erlebnis. Jede Art von „Spiel“ respektive Austesten in einer vorgefertigten Erzählung würde dazu führen, dass das Erlebnis einer sich selbst überzeugten Realität nicht eintritt. Spielmechaniken können schwerlich daraus abgeleitet werden, sehr wohl aber eindrucksvolle Präsentationen.
Allerdings liefert Fletcher noch einige Eindrücke, die Spielmechaniken trotzdem möglich werden ließen:
I, like many people, feel that in order to even begin to understand psychosis, we have to start with thinking about how the brain works in general, how it makes sense of the world around it. And when we do that, we’re repeatedly confronted with evidence that actually it doesn’t just rely on the evidence of our senses, but it actually relies on what it already knows, on its predictions, its anticipations and its expectations.
– Prof. Paul Fletcher in „Senua's Psychosis Feature | Senua's Saga: Hellblade II“
Das Problem ist, dass die von Fletcher erwähnte Jonglage mit Vorhersagen, Antizipation und Erwartungen nicht primär im Spiel geschaffen wird. So harmlos und prototypisch „Superliminal“ (Pillow Castle, 2019) im Vergleich auch erscheint, erreicht es auf spielerischer Ebene viel eher das, was Fletcher beschreibt. Es macht genau jene verwirrende, bedrohliche Charakteristik einer Psychose erlebbar und ist damit näher an einem Nachempfinden als beide „Hellblade“ Videospiele. Es spielt gekonnt mit dem Wissen des Spielers über seine Umwelt und setzt immer wieder knallharte Veränderungen durch, die überraschend die eigenen Vorhersagen, Antizpationen und Erwartungen tropediert. Kurzum: Das Spiel mit Wahrnehmungsillusionen fehlt zu sehr, was angesichts der hochqualitativen Designelemente viel Potenzial verspielt.