Im November 2018 wurde Embark Studios mit Unterstützung Nexons von Magnus Nordin, Rob Runesson, Stefan Strandberg, Patrick Söderlund, Jenny Huldschiner und Johan Andersson gegründet. Sich alleine auf den bekannten Namen Söderlund zu versteifen wäre trotz seiner zeitweiligen Popularität falsch, denn letztendlich sind alle sechs Gründungsmitglieder ehemalige, erfahrene DICE Entwickler: Strandberg war Creative Director (2003 – 2018), Huldschiner Senior Director (2003 – 2018), Runesson Chief Content Officer (1998 – 2018) und Andersson Vizepräsident (2003 – 2018). Gemeinsam erschufen alle sechs Personen mit ihrem Team bei DICE unter anderem „Battlefield 3“ (2011), „Battlefield 4“ (2013) und „Battlefield 1“ (2016) sowie „Battlefield V“ (2018). Man könnte in diesem Zusammenhang von einem personellen Exodus sprechen, denn einerseits verlor das Stockholmer Entwicklerstudio insgesamt 65 Jahre an Entwicklererfahrung (vgl. LinkedIn Profile) innerhalb kurzer Zeit und andererseits verließ der größte Teil zeitgleich das Studio. Alle sechs Köpfe von Embark Studios schieden bei DICE am gleichen Tag, dem 1. Oktober 2018, auf der Suche nach kreativer Freiheit („creative freedom“) aus. Auch deshalb ist es wenig verwunderlich, wenn man in diesem Artikel bei der Betrachtung der Videos und Bilder eine familiäre Tonalität und ein reduziertes, sehr modernes, visuelles Design wiedererkennt, das seit „Battlefield 1“ auch bei DICE etabliert und verfeinert wurde.
Erschienen am
07. Dezember 2023
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Seit 2018 schwirrten ab und an kleine Informationsschnipsel durch die Presse; Embark Studios würde an einem Koop-Action-Spiel in der Unreal Engine 5 arbeiten. Vielmehr gab es nicht zu lesen oder zu sehen, ehe Anfang 2023 das ebenfalls in Stockholm ansässige Entwicklerteam startete, das Spiel von Shooter-Enthusiasten testen zu lassen. Eine kurze, unaufgeregte Berichterstattung folgte, das Spiel namens „The Finals“ verschwand wieder in der Versenkung. Die Ende Oktober gestartete Open-Beta erhielt kurzfristig Aufmerksamkeit.
Die Überraschung war perfekt, als am 08. Dezember 2023 während der Game Awards der Launch Trailer vorgestellt, das heißt das Spiel veröffentlicht wurde:
Das tatsächlich neuartige Spielkonzept
„The Finals“ ist absurd. Es spielt sich auf eine Art und Weise, die bis dato als einzigartig bezeichnet werden darf. Es ist nach „Apex Legends“ (Respawn Entertainment, 2019) im Shooter-Genre eine Spielidee, die sich sowohl im Konzept als auch in der Ausgestaltung von anderen Spielen im Markt deutlich abhebt. Tatsächlich bezieht es seine Spielidee durch die Vereinigung fünf verschiedener, bereits etablierter Konzepte. „The Finals“ ist definitiv ein sogenannter „high time to kill“ Shooter. Das heißt, dass viel Schaden ausgeteilt werden muss, ehe ein Gegenspieler besiegt wird. Dreiköpfige Teams rennen in einer übergroßen, modernen, dem Kolosseum in Rom ähnelnden Arena gegeneinander an, können sich wechselseitig unterstützen und wieder auf die Beine helfen, sofern sie als Team nicht vollständig besiegt wurden. „Apex Legends“ schwebt daher im Hintergrund als Spielidee mit. Allerdings wird an dieser Stelle die Orientierung am erfolgreichen Battle-Royal Spiel von Respawn Entertainment getrennt, weil keine vorgefertigten Charaktere beziehungsweise Helden auswählbar sind. Der Spieler hat stattdessen die Auswahl aus drei Klassen, die sich in Agilität und Beständigkeit unterscheiden. Welche Fähigkeiten, Waffen, Granaten und andere Hilfsmittel wie miteinander kombiniert werden, muss selbst bestimmt werden.
Klassische Waffentypen wie verschiedene Schusswaffen, Granatwerfer, Schwerter bis hin zum bekannten „Backstab-Messer“, das den Spion aus „Team Fortress 2“ (Valve, 2007) reinkarniert, bilden das Waffenarsenal in „The Finals“. Das bedeutet, dass die Entwickler versuchen, so viel Auswahl- und Anpassungsmöglichkeiten wie möglich anzubieten. Im Gegensatz zu vielen First-Person-Shootern (FPS), die ebenfalls diese Idee hatten, gehen Embark Studios einen Schritt weiter. Sie verzahnen die Anpassungsmöglichkeiten mit der Ausgestaltung der Spiellevel, denn das übergroße Arena-Spielfeld, in der eine Spielrunde stattfindet, ist komplett zerstörbar. „Bad Company 2“ (DICE, 2010) oder „Battlefield 4“ schwingen beim Spielen mit, weil Wände eingerissen, Dächer weggesprengt, Fenster zum Klirren oder gleich das gesamte Haus zum Einsturz gebracht werden kann. Was sichtbar ist, ist zerstörbar oder kann womöglich Feuer fangen. Die Entwickler betonen, dass es sich hierbei um kein Gimmick handeln soll. Sie ermutigen dazu, die herumliegenden und in Päckchen von der Arenadecke hängenden Brand-, Explosions- und Gaskanister zu verwenden, um das Level so umzugestalten, dass es den eigenen Zielen dienlich ist. Daraus resultiert das Hervorragende, weil Zerstörungsmechanismen als Spielmechanik seit langer Zeit kaum Beachtung in der Shooter-Szene finden.
Anstatt an diesem Punkt sich abermals zu sehr an einem bereits existierenden Videospiel festzuhängen, wird auf die beschriebene Basis ein dafür ungewöhnliches Spielszenario gesetzt. Die Aufgabe besteht für alle Teams darin, vorgegebene Tresore auf der Karte zu finden, zu aktivieren, aufzunehmen und an kleinen, auf der Karte verteilten Einzahlautomaten abzugeben sowie zu verteidigen, bis der Einzahlvorgang abgeschlossen ist. Tresore verhalten sich dabei wie Objekte. Sie können getragen oder geworfen werden. Die anderen Teams versuchen schneller zu sein oder das Vorhaben anderer Teams zu vereiteln, indem sie zielsicher, koordiniert und gewieft tresortragende Spieler abfangen, Einzahlungsvorgänge abbrechen respektive zur eigenen Einzahlung umwandeln. Es ist daher möglich, im letzten Moment den Einzahlungsvorgang eines gegnerischen Teams umzuwidmen.
Das Spiel hilft den Jagenden zusätzlich, indem es die Position des jeweiligen Tresors sowie (aktive) Einzahlautomaten anzeigt. Dasjenige Team, das versucht, das gesammelte Geld einzuzahlen, hat den jeweiligen Automaten für Minuten zu verteidigen. Im ersten Moment liest sich dies wie ein unfaires Szenario, in dem Verteidigende immer den Kürzeren ziehen werden. Embark Studios gelingt es allerdings ihr Spiel so zu rhythmisieren, dass Angriffe auf die eigene Einzahlung immer in Wellen passieren: Wird beispielsweise ein Team vollständig besiegt, muss dieses eine halbe Minute warten, ehe es in die Arena zurückgeworfen einen weiteren Angriff starten kann. Das heißt, dass ein kurzweiliger Überlebensmodus initiiert wird, sobald das jeweilige Dreierteam versucht, das gesammelte Hab und Gut zu sichern. Diese Spielidee wird variiert, um verschiedene Spielmodi anzubieten respektive daraus Turniere, bestehend aus mehreren Spielrunden entstehen zu lassen. In jedem Fall gilt immer, dass dasjenige Team gewinnt, das nach einer vorgegebenen Spielzeit das meiste Geld extrahiert hat.
Startpunkt eines sich etablierenden Shooters?
Man wickle schlussendlich um alle vorgestellten Aspekte Verpackungsmaterial, um ein Gesamtpaket im free-to-play Format entstehen zu lassen, das im momentan existierenden Videospielmarkt einzigartig ist. Und weil es kostenlos für alle spielbar ist, sind die Spielerzahlen wenig verwunderlich:
So überraschend für viele „The Finals“ Anfang Dezember in einem Launch Trailer während den Game Awards 2023 auf dem Bildschirm erschien, so nachvollziehbar ist dessen Erfolg angesichts des wohlkalkulierten Vorgehens von Embark Studios. Anstatt abermals einen Remix bestehender Spielideen zu produzieren, um womöglich über opulente Grafik allein die Konkurrenz auszustechen, werden Spielmechaniken, Grafik- und Audiodesign neu aufeinander bezogen. Wenig wird iteriert. „The Finals“ ist nach „Valorant“ (Riot Games, 2020) kein weiteres „Counter-Strike“ (Valve, 2000). Es ist nach „Overwatch“ (Blizzard Entertainment, 2016) nicht noch ein „Team Fortress 2“. Es versucht sich daran etwas Neues zu kreieren, indem es möglichst viele verschiedene, Spielspaß generierende Ideen harmonisiert.
„The Finals“ bedeutet Komplexität, die viele Entwicklungsprobleme mit sich bringen kann. Das grundlegend Absurde, sich die Aufgabe zu setzen, trotz aller Entwicklungshürden das beschriebene Konzept exakt umzusetzen, lässt das Vorhaben so interessant und spaßig werden. Die große Vielfalt an Spielstilen ist das Interessanteste. Offensive Teams, die sich auf die Zerstörung beziehungsweise Umformung der Level konzentrieren, können das Extrahieren gesammelten Geldes anderer Teams stark verkomplizieren und die eigenen erleichtern, sind aber sogleich anfällig für diejenigen Teams, die den Kampf außerhalb von (zusammengebrochenen) Gebäuden suchen. Defensiv operierende Gruppierungen können effektiv Kämpfe so lange hinauszögern, bis weitere Teams erscheinen, sodass im Gerangel, wer wen am schnellsten ausschält vergessen wird, dass währenddessen ein sehr defensiv agierendes Team mehr oder weniger unbehelligt das gesammelte Geld extrahiert. Hochmobile Teams würden hingegen idealerweise versuchen die gesamte Arena zu kontrollieren, um gegnerische Teams auf den Routen zwischen den verschiedenen Zielen zu überfallen. Womöglich wird sich längerfristig herausstellen, dass ausbalancierte Teams die beste Siegeschance haben. Nichtdestotrotz ist es interessant zu sehen, dass derart viele Stärken und Schwächen auf einer gemeinsamen Spielkarte gewollt(!) qua Spieldesign zum Tragen kommen. Kombiniert man die Vielfalt möglicher Spielstile mit der Möglichkeit verschiedener Ausrüstungen dreier Charakterklassen und der Möglichkeit ein Level komplett umzugraben, dann landet man zwangsläufig oft in Spielsituationen, die sich einzigartig anfühlen.
Jede Spielrunde entwickelt sich nuanciert oder spürbar anders, was die grundsätzliche Stärke von „The Finals“ ist. Jeder Spieler wird immer wieder in absurde Situationen geraten, die in keinem anderen Shooter-Spiel auf dem Markt beobachtbar sind. Allerdings ist das größte Problem dieser Absurdität einbeschrieben: die Nachvollziehbarkeit des Kampfgeschehens. Die Lesbarkeit eines Kampfes muss für jeden Spielenden sichergestellt sein, weil ansonsten die Möglichkeit zur Adaption fehlt, sodass unweigerlich Frustration sich Bahn brechen wird. Weil alles explodieren und in sich zusammenfallen kann, entsteht immer wieder ein wilder Mix verschiedener Texturen und Farben auf dem Bildschirm ohne Objekte oder die eigene Position erkennen zu können. Wenn gleichzeitig ein Gegner temporär unsichtbar mit einem Schwert versucht anzugreifen, während im Hintergrund sein Teamkollege mit einem Scharfschützengewehr auf eine günstige Gelegenheit wartet, dann kann „The Finals“ unübersichtlich werden.
Das zweite Problem wird klassisch aus der hohen Varianz verschiedener Ausrüstungssetups resultieren: „Balancing“. „Apex Legends“ oder „Valorant“ versuchen über die feste Vorgabe von Helden und der Steuerung, wo auf der Karte welche Waffe gefunden werden kann, Fairness und Nachvollziehbarkeit für Spieler wie Entwickler zu garantieren. „The Finals“ wird hingegen wie „Overwatch“ durch die gewünscht große Anzahl verschiedener Spielstile viel komplexer. Es generiert oder provoziert gar Spielstile, die nicht klassischen First-Person-Shootern entsprechen. Kleine Veränderungen können daher ungewollt übermächtige Teamkonstellationen provozieren, die den Spielspaß anderer ruinieren. Allein die Kombination der Charakterklassen und möglichen Fähigkeiten ergibt 27 unterschiedliche Konstellationen. Rechnet man die verschiedenen Waffen und zusätzlichen „Gadgets“ hinzu, landet man schnell in den Tausendern.
Die Grundlagen des Spiels sind solide, aber noch nicht optimal. Sowohl das Schießen wie auch das Parkour ähnelnde Springen, Klettern und Rennen funktionieren auf einem akzeptablen Niveau. Weil man sich hierbei an Ideen der direkten Konkurrenz orientiert – wie etwa der Greifhaken des Charakters „Pathfinder“ aus „Apex Legends“ – sind direkte Vergleiche möglich. Die Präzision in den verschiedenen Bewegungsabläufen sind im Vergleich zu „Overwatch“ oder „Apex Legends“ noch nicht auf gleichem Niveau. Ebenso hängt sich an das Lob, derart viele verschiedene Waffengattungen anzubieten, die Kritik, dass momentan sich ohne Expertenwissen zum Spiel klare Präferenzen herauskristallisieren. Anstatt die hohe Varianz verschiedener Waffen im Spiel wieder zu erleben, beobachtet man häufig bekannte Strategien und Ausrüstungszusammenstellungen. Die Problematik liegt womöglich darin, dass beispielsweise die Funktionsweise eines Granatwerfers im beschriebenen Spielszenario eindeutig, aber auch stark begrenzt ist. Wenn gleichzeitig klassische Maschinen- oder Sturmgewehre keine spürbaren Rückstoßschemata aufweisen, die man erst beherrschen lernen muss, dann erscheint die Wahl der besten Waffe klar. Dass Verbesserungen längerfristig erwartbar sind, lässt sich anhand der Informationen seitens der Entwickler von Embark Studios nachlesen. Weil aber das Spielprinzip einzigartig ist und das Etikett „neue Spielweise“ verdient, dürften die schwedischen Entwickler genug Zeit haben, um die richtigen Entwicklungsschritte zu unternehmen, ohne die Geduld der eigenen Spieler zu stark zu strapazieren.