Uncharted: The Lost Legacy Handwerkliche Perfektion

Hannes Letsch12 Minuten Lesezeit

Übersicht
Sony PlayStation, 2017

Es ist nur in einem sehr begrenzten Rahmen sinnig, über „Uncharted“, dessen Spiele exklusiv auf Sonys Playstation zuhause sind, ausführliche Einblicke zu verfassen. Als Antwort auf Microsofts „Gears of War“ konzipiert, wurden insgesamt vier große Geschichten erzählt, die alle ähnlich Microsofts Spiel ein Deckungsshooter sind. Seit 2007 tummeln sich die verschiedenen Narrationen zu „Uncharted“ in der gleichen Ecke: Sehr viel Geballer und Explosionen, ein wenig Rätsel lösen und Klettern, eingebettet in ein Archäologieszenario, das man etwa von „Tomb Raider“ kennt, bilden die vordergründigen Komponenten des Spielkonzepts. Manch einer hielt „Uncharted“ deshalb auch für eine verkappte Neuauflage der „Tomb Raider“ Franchise, die eigentlich Eidos Interactive hätte bewerkstelligen sollen. Die Sinnkrise, dieses Vakuum, wenn man so will, sollte „Uncharted“ auffüllen. Dieb und Taugenichts Nathan Drake versucht dabei stets seine eigene, finanzielle Lage aufzubessern, in dem er Schätze aus deren Lagerungsstätten entwendet, um sie an den Meistbietenden oder andere zahlungskräftige Abnehmer zu verkaufen. Gegnerische Forscher, die nach denselben Rätseln und Zielen suchen, lassen stets ein Wirrwarr entstehen, sodass eine einfache Expedition zu einem gefährlichen Durcheinander von Interessensgruppen mutiert, das die Handlung beherrscht.

Uncharted: The Lost Legacy – Story Trailer
Sony PlayStation, YouTube, 2017

Das Entwicklerstudio Naughty Dog hat genau jenes sowie die Kunst der geplanten, drehbuchartigen Inszenierung eines Spiels laut vielen Kritikern perfektioniert. Seitdem ist „Uncharted“ ein Technikaushängeschild für den Konsolenmarkt. „Uncharted: The Lost Legacy“, das womöglich letzte Videospiel dieses Franchise, schließt in gewisser Weise verschiedene Kreise zu den vorherigen Spielen: Die leicht überhebliche Chloe Frazer, die Ex-Freundin Nathan Drakes aus „Uncharted 2“, ein farbenfrohes Dschungelsetting bekannt aus „Uncharted 1“ und der eingestreute Mystizismus sowie die actionlastige, dennoch flache Popcornunterhaltung machen auch dieses Spiel zu einem „Indiana Jones zum Selberspielen“. Wenn man die effektgeladene Inszenierung, die dahinterstehende Begeisterung für die Technik und die dargebotene Action abzieht, bleibt allerdings nicht viel von dem übrig, was man als herausragend gar alleinstehend für Naughty Dogs Werke verbuchen könnte. Allein deshalb, weil sich das Grundgerüst von Teil 1 nur in Nuancen verändert hat, muss der Fokus auf die beschriebene Inszenierung gelegt werden, um einen Erklärungsversuch zu wagen, warum das Spiel einen mitreißen kann, egal ob man nun Popcorn Action mag oder nicht.

Skripts und Filmsequenzen: Reines Zuschauen in einem Videospiel

Auf die Spitze getrieben ist „Uncharted: The Lost Legacy“ eine sieben bis zehnstündige Kette aus zwei Gliedertypen: Dem eigentlichen Spielen und den eingestreuten Filmsequenzen. Das handwerkliche Können des Entwicklerteams spiegelt sich in diesem, auf den ersten Blick widersprüchlichen Gebilde aus zwei Gestaltungselementen. Widersprüchlich deshalb, weil Filmsequenzen meistens den Spielfluss vollständig zum Erliegen bringen. Zuvor noch gebannt mit dem Controller einen engen Kampf gefochten oder eine herausfordernde Kletterpassage gemeistert, entsteht durch die Filmsequenz ein Entspannen und Zurücklehnen, das abseits der Hinführung zum Abspann selten wirklich gewollt ist. Der Spieler wird fast gänzlich aus der Dynamik herausgedrückt, die Distanz zwischen Spielgeschehen und Spielendem wird klar erfahrbar. Die Lösung dieses Immersionsproblems setzt in „Uncharted: The Lost Legacy“ auf mehreren Ebenen an: Die Charaktere führen ständig Dialoge während der Spieler selbst damit beschäftigt ist, die ihm gestellten Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Auf eine manchmal platte, in jedem Fall aber unterhaltsame Art und Weise, wird das Geschehen in einer amüsanten Action Spielfilmart kommentiert. Selbst wenn es Kugeln hagelt, die Umgebung explodiert oder ein Unfall selbstverschuldet passiert, ist eine der beiden Protagonistinnen, Chloe Frazer oder Nadine Ross, nicht um einen Spruch verlegen. Diese kleinen, kohärenten mehrzeiligen oder -seitigen Dialoge bilden ein schwingendes Miteinander von Filmsequenz und dem eigentlichen Spielen beziehungsweise dem Spielfluss. Ehe man sich versieht, treibt man von einem der vielen im indischen Dschungel verorteten Schauplätzen zum nächsten und vergisst die Zeit, die man in das Spiel investiert.

Uncharted: The Lost Legacy - Helicopter Fight Scene
Sony PlayStation, YouTube, 2017

Die eigentlichen Filmsequenzen, „Mini-Cutscenes“ genannt, sind bis ins letzte Detail ausgearbeitet: Akribisch, handwerklich perfektionistisch sind Mimik, Gestik, Sound und Kamerawinkel aufeinander bezogen. Die daraus resultierende Dynamik der Szene passt sich in Kombination mit den im Spielfluss eingestreuten Dialogen nahtlos ein. Sie laufen organisch ineinander. Ein Stopp zwischen Geschichte und Spielfluss ist nicht bemerkbar, obwohl man der Szene nur beiwohnt. Außerdem kommt hier zum ersten Mal die technische Komponente des Spiels zum Tragen, denn die Grafik und das Auditive haben ein hohes Produktionsniveau, sodass der Unterschied zwischen Filmsequenz und Spielpassage nicht spürbar existiert. Das Narrativ hinter „Uncharted: The Lost Legacy“ ist wie jede „Uncharted“ Geschichte nicht wirklich herausragend noch ist sie schlecht geschrieben. Sie rangiert fast traditionell in einem Mittelmaß. Allerdings ist die Dialogregie innerhalb der Filmsequenzen so auf den Punkt gestaltet, das Timing handwerklich perfekt gesetzt, dass jeder Satz im Kontext des Spiels funktioniert. Sätze, so plump sie für sich stehend sind, funktionieren, während sie in anderen Spielen hochgradig dysfunktional wären. Die abwechslungsreichen Kamerawinkel, die auch während des Spielgeschehens so gewählt werden, dass die Action vollends zu Tragen kommt, unterstützen die beschriebene Verwobenheit von Film und Spiel. Das daraus entstehende Actionfilm-Feeling funktioniert, weil es jede Sekunde unterhaltend genug ist, um als Spieler bei der Stange zu bleiben.

Panoramas und Umgebung: Hübsche Spielplätze ohne viel Gestaltungsmöglichkeiten

Es ist nicht das erste Mal, dass Naughty Dog ein gutes Händchen für ansprechende Setdesigns beweist. Die Panoramen und Umgebungen, die „Uncharted: The Lost Legacy“ bieten, sind farbenfroh, einladend und versprühen im Vergleich zu den meist markanten Gesichtern des Antagonisten sowie Spielhandlungen eine fast schon weichen, in sich ruhenden, sanften Gegensatz.

Sony PlayStation, 2017

Die Gestaltung und das Effektgewitter, das den Umgebungen einbeschrieben ist, stellt den zweiten großen Faktor dar, der „Uncharted: The Lost Legacy“ reizvoll macht. Die Entwickler verfielen hierbei in eine fast schon übermannende Detailversessenheit, die sich allerdings nicht verliert, sondern auszahlt: Das Hinterlassen von Fuß- und Reifenspuren im Matsch, die über eine Spielinstanz hinweg nicht verschwinden, das Hinterlassen von nassen Tropfspuren auf trocknen Steinen und so weiter zeugen von einer Detailplanung und Arbeitsmethodik, die sehr nahe an andere handwerkliche Berufe heranrückt, die für Gebäude wie etwa den Kölner Dom oder die Kathedrale von Winchester verantwortlich sind. Es beeindruckt und setzt auf ein Element, das der Mensch zwar erdulden kann, generell aber eigentlich ablehnt: Chaos. Die Entwickler stellen eine gewisse Natürlichkeit her, indem sie Scherben, Vasen, Holzkisten, Bretter, Gestrüpp, einzelne Mauerfragmente, Moos und Rinnsale überall so verstreuen, dass man kein Muster erkennen kann. Anstatt auf Texturgrößen zu setzen verzieren die Leveldesigner den definierten Spielraum mit viel Liebe zum Detail und einer unterstellten Ruhe, um ein realistisches Bild zu erschaffen.

Dennoch besteht eine Verbindung zwischen der Idee des chaotischen Anordnens und einer Regelhaftigkeit. Die Terrains spiegeln zwei grundsätzliche Charakteristiken wieder, die die im Spiel behandelten indischen Gottheiten Ganesha und Shiva verkörpern sollen. Komplette Willkür würde das Auge überfordern, weshalb sich die Entwickler dafür entschieden, optische Grundregeln einzuführen: Ganesha Schreine sind sehr kopflastig, schließen immer mit einem runden Blockdach ab, sind horizontal dominant. Bäume und Gesteinsformationen verzichten auf eckige, scharfe Kanten. Alles wirkt abgerundet und massiv. Shivas Architektur ist das blanke Gegenteil: Spitz, scharfkantig, in die Höhe ragende Gebäude. Wie überdimensionale Pfeilspitzen stehen die Türme der Shivas Schreine in der Landschaft. Einheitlichkeit im Wirr Warr entsteht auf zweiter Ebene, grenzt das Chaos auf die Detailebene ein und erzeugt somit ein Ambiente, das weder visuell überfordert noch so generisch, menschenhandwerklich erscheint, dass jegliche Natürlichkeit verschwinden würde. Naughty Dog beherrscht dies perfekt, und protzt damit in „Uncharted: The Lost Legacy“ an allen Ecken und Enden.

Sony PlayStation, 2017

Rate mal mit Rosenthal: Minispiele und deren Einbettung

Sony PlayStation, 2017

Das monotone Geballer und Deckungssuchen, die ständigen Klettereien und das Hin- und Hergeschwinge zwischen Schluchten, Abgründen und steilen Felswänden würden nach spätestens drei Stunden jeden Spieler ermüden. Es spielt sich zu einfach, zu generisch aber derart solide, dass man nicht frustriert, sondern aus Langeweile das Spiel bei Seite legen würde. Umso geschickter und durchdachter sind die zahlreichen Rätsel im Spiel, die punktuell im linearen, teilweise offenen Spielgeschehen so gesetzt sind, dass der aufkommenden Langeweile rechtzeitig etwas entgegengestellt wird. Die Spielmechaniken sind das Gegenteil der optischen Vielfalt: Man schiebt oder dreht an Hebeln um Bilderrätsel oder kleine Animationsketten so zu manipulieren, dass ein sinniges Gesamtbild beziehungsweise ein zu bewältigender Hüpfparkour entsteht.

Sony PlayStation, 2017

Der Zugang zur Idee hinter jedem Rätsel ist klar, eine Anleitung wird trotzdem nicht präsentiert. Die Balance zwischen Heraus- und Überforderung funktioniert, zumal Kumpanin Nadine Ross ab und an hilfreiche Hinweise gibt. Die Integration ist ebenso nahtlos, wie die bereits beschriebenen Filmsequenzen: Die vorgegebenen Kamerawinkel, die ihre Stärke eigentlich in der Präsentation der Actionfilmelemente ausspielen soll, wird hier ebenfalls verwendet, um einen fließend Übergang zu schaffen. Jedes Rätsel ist Teil der Architektur, des Raumes, in dem alles stattfindet. Anstatt einem harten Schnitt im Spielfluss, der immer durch einen Szenenwechsel getriggert wird, und dem dadurch ins Bewusstsein gerufenen Eindruck, dass nun (abermals) ein Rätsel gelöst werden muss, lässt man sich als Spieler unreflektiert, weil im Geschehen auf dem Bildschirm gefangen, treiben und akzeptiert, freut sich sogar über die Abwechslung, die das Spiel einen bereit hält.

Sich einlullen lassen ist nicht immer negativ

„Uncharted: The Lost Legacy“ versprüht die gleiche jugendliche Leichtigkeit, wie zu Beginn im ersten Teil der Spielereihe. Das Werk erweckt den Eindruck, als hätte ein junges, talentiertes Studio sich daran versucht, mit mehr Witz und Unterhaltung eine Alternative zu den „Tomb Raider“ Titeln zu entwickeln. Jung deshalb, weil nicht alles perfekt ist, gar generisch und für sich stehend langweilig, wie etwa das Schießen und Klettern, das zu genüge im Spiel an fast jedem Punkt der Handlung einem abverlangt wird. Das Talent liegt in der raffinierten, tiefgründigen Ausgestaltung der amüsanten Dialoge, der dahinterstehenden charismatischen Charakter sowie den detailversessenen Umgebungen und Panoramen, die ähnlich zu sämtlichen, erfolgreichen Actionspielfilmen, die gleichen Unterhaltungsfacetten bedienen. Der Videospieler wird durch ein perfektioniertes Wechselspiel von Filmsequenzen und Spielpassagen erfolgreich in eine mittelprächtige Geschichte hineingezogen, die aber so natürlich und authentisch präsentiert wird, dass man sich zu jedem Zeitpunkt gut unterhalten fühlt. Wer Lust hat, zu erleben, was es bedeutete, zum sich Treiben lassen animiert zu werden, sollte sich „Uncharted: The Lost Legacy“ genauer anschauen. Naughty Dogs Kniff, der seit „Uncharted 1“ integriert ist, funktioniert besser denn je. Die Entwickler beweisen somit, dass sie das Umgarnen des Interesses des Spielers perfektioniert haben, indem sie optisch wie visuell eine handwerkliche Perfektion an den Tag legen, die bisher seines Gleichen sucht.

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