Dass meist hinter oder neben dem Wort „Blockchain“ Krypto-Währungssysteme stehen und dadurch eher mit Skepsis betrachtet werden, soll vorerst bei Seite geschoben werden. Denn grundsätzlicher bedeutet eine Videospielwelt auf Basis einer Blockchain Logik aufzubauen, mit vielem brechen zu müssen, das „klassische“ Videospiele charakterisiert. Während beispielsweise auf den bekannten Videospielplattformen wie Steam Lizenzen gekauft werden, die einem den Zugriff respektive die Nutzung einer Software gestatten, fragmentieren Blockchain-Systeme absichtlich ein Videospiel. Inhalte, die zusammengenommen ein Videospiel bilden, werden minutiös in einzelne, digitale Besitzeinheiten aufgesplittet. Das bedeutet, dass ein Spiel sich aus dem Beitrag vieler bildet. Alex Suárez und Patrik Müller geben hierzu einen Einblick, auf welchen Wegen auf Basis von Blockchain- und Krypto-Technologien Spielgebilde und Vermarktungsideen innerhalb des Videospielmarktes durch die YOURE Family designt und umgesetzt werden.
Wer spricht hier eigentlich?
Alex Suárez ist CEO der YOURE Family GmbH. Seit seinem 17. Lebensjahr entwickelt er Videospiele, ist studierter Diplom-Produktdesigner und seit 2018 daran Videospielwelten und Blockchaining zu verbinden. Der sogenannte GamesCoin wurde von ihm mit aufgebaut. Es handelt sich hierbei um eine Möglichkeit, NFT-Marktplätze für digitale Assets und spielübergreifende Funktionen anbieten zu können. Patrik Müller ist aktuell im Projekte- und Produktmanagement bei Massive LiNX tätig und besitzt Erfahrungen im Blockchain Bereich. Er hilft bei der Strukturierung des Teams und bezeichnete sich im Vorfeld des Interviews als „Mädchen für alles“.
Hannes Letsch Was ist eure Idee? Oder vielleicht etwas präziser gefragt, was erwächst aus eurem Entschluss, die Logik der Blockchain als Fundament des Videospielens zu setzen?
Alex Suárez Die ersten Konzepte stammen aus 2014. Seitdem ist viel passiert: Die Entwicklung mehrerer Spiele und Systeme, was schließlich zum Bau des GamesCoins und eines kompletten Gaming Ökosystems führte. In diesem Jahr sind wir stolz weitere Vorhaben zu präsentieren, die sich ebenfalls in der Entwicklung befinden. Die Idee ist der Aufbau eines Ökosystems. Daraus speist sich die von außen teilweise sich einstellende Komplexität. Das, was wir unter der YOURE Family zusammenfügen, sind verschiedene Vorhaben, die teilweise für sich funktionieren aber vor allem auch miteinander in Synergie stehen (sollen). Dieses Ökosystem erwächst aus Nutzern, die in diesem aktiv sind. Das sind zum Teil Partner aus verschiedenen „Brands“ und „Media“ Bereichen. Zusätzlich kommt über unser eSports Team eine weitere Nutzergruppe hinzu. Dann gibt es Personen, die unabhängig beziehungsweise selbstständig Videospielinhalte entwickeln, die sogenannten Indie Communities und es gibt Crypto Communities, die über ihr Interesse für Kryptowährungen unser Ökosystem interessant finden könnten.
Alex Suárez Diese verschiedenen Personengruppen versuchen wir auf drei Ebenen anzusprechen: „Play“, „Create“ und „Own“. „Play“ beschreibt klassische Businessmodelle aus der Videospielindustrie. Hierfür unterhalten wir auch eigene Entwicklerstudios. „Create“ ist das Thema „Massive LiNX“. Es handelt sich hierbei um eine eigene Firma, ein eigenes Team respektive eine eigene Technologie innerhalb der YOURE Family. Und bei „Own“ geht es um den echten Besitz von Items oder Spiele Assets.
Alex Suárez Ein Beispiel aus diesem Ideenkonstrukt ist „LootBoy“. Als Plattform forciert es Anreize, sich für verschiedene Spielinhalte zu interessieren und zu entdecken. Der Kunde ersteht und öffnet Lootpacks zu verschiedenen Videospieltiteln, mit denen wir eine Kooperation eingegangen sind. Es geht dabei nicht ausschließlich darum, reihenweise Lootpacks zu öffnen, sondern es gibt für dich die Möglichkeit als Verdienender zu partizipieren. Denn es ist möglich als Spieletester über deine Spielzeit ein Punktekonto aufzubauen, um mit diesem wiederum beispielsweise Käufe von Lootpacks durchzuführen. „LootBoy“, das 22 Millionen registrierte Kunden hat, wird nun zu einer Marketingplattform ausgebaut, auf der wir Marken (Brands) und Videospiele zusammenbringen. Das bedeutet, dass ein Sportartikelhersteller beispielsweise ein Lootpack aufsetzen könnte, um damit in einem Videospiel wahrgenommen zu werden.
Alex Suárez Wir ermöglichen Nutzern und Entwicklern Zugang und Besitz im Games Ökosystem. So wie beispielsweise Google, Apple oder Facebook besitzt unser GamesCoin ebenfalls einen Login, was wir als YOURE.ID bezeichnen. Diese ID bietet SSO (single sign-on), das heißt eine sogenannte Einmalanmeldungsstruktur, die bis zur geldwäschegeprüften Identität etwa per KYC (know your costumer) reicht. Jeder Nutzer erhält ein eigenes „Wallet“, ohne dass der jeweilige Nutzer den zugehörigen Secret Key kennen muss. Es gibt ein Zahlungs-Gateway, um mehr oder weniger auf Enterprise Level operieren zu können. Beispielsweise planen wir hierzu in Kooperation mit Visa eine Gamer Debitkarte.
Hannes Letsch Und weil es doch immer mehr oder weniger um Videospielen geht, bleiben wir stets im rein Digitalen …
Alex Suárez Exakt. Wir haben für die diesjährigen Gamescom extra Lootpacks herstellen lassen. Allerdings handelt es sich hierbei um Werbegeschenke. Physische Lootpacks sind nicht das Ziel der Idee. Im Grunde ist das Vorgestellte vergleichbar etwa zur Idee von Panini, allerdings komplett digitalisiert. Das bedeutet gleichsam aber auch, dass wir immer eine Anbindung an die verschiedenen Videospielentwickler und Publisher haben. Der Gründer von „LootBoy“ ist Teil des YOURE Teams und kümmert sich zusätzlich um den Bereich „eSports“. Der Grund, warum sie Teil unserer Familie sind, ist, dass „LootBoy“ derart schnell gewachsen ist, dass das Team mit ungefähr 45 Mitarbeitern nicht mehr ausreichte. Wir sprangen ein und übernahmen das Unternehmen, um die zukünftig notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen.
Hannes Letsch Du nanntest den Begriff „eSports“. Wie passt das zu eurem Plan?
Alex Suárez „Aight“ heißt unser eSports Team, das die Fortnite Champions Series auch 2023 jüngst für sich nach 2021 und 2022 entscheiden konnte. Wir integrierten dieses Team, um ihnen dabei zu helfen, sich besser zu vermarkten. Zum einen engagieren wir uns, weil um dieses eSports Team eine Community existiert, die wir gerne ansprechen wollen. Und zum anderen ist das Thema „digital Merchandise“ für uns ebenfalls interessant. Die einen nennen es „Fortnite Creator Economy 2.0“, im „business to business” Bereich nennt man es „UEFN“ (Unreal Editor für Fortnite). Ein Vermarktungsbeispiel wäre etwa die Aight UEFN Champions Map für „Fortnite“, die das Team mit dem eSportler „Flickzy“ entwickelt.
Hannes Letsch Und „Play“ bedeutet demnach, dass ihr auch Videospiele entwickelt?
Alex Suárez Wir sind tatsächlich auch entwicklungstechnisch aufgestellt. Der letzte Zukauf war im ersten Quartal 2024 etwa Crayon Games. Ein Unity Engine Entwickler, mit dem wir bisher über 250.000 registrierte Spieler aufgebaut haben. Im Gegensatz zu manch anderem Studio verfolgt das Team den interessanten Ansatz der iterativen Entwicklung. Damit meine ich nicht den standardmäßig zu denkenden Entwicklungsprozess bis zur Veröffentlichung eines Videospiels. Es geht darum, dass die Entwickler messen können, welche Spielinhalte gut ankommen. Und wenn etwas gut ankommt, dann verfolgen sie diese Entwicklungsrichtung verstärkt. Dadurch, dass sie zusätzlich schnell in der Umsetzung sind, passte deren Entwicklungsphilosophie zu uns.
Alex Suárez Der gesamte Spielekatalog summiert sich auf einem Spieleportal namens YOURE Games. Sowohl im Web als auch auf Smartphones kannst du analog zu anderen Anbietern deinen Katalog verwalten und darauf zugreifen. Einer der Spiele, das wir gerade entwickeln, ist etwa „Screen Play“. Das zugehörige Team namens „Comico Games“ besteht zum Teil aus ehemaligen Crytek Mitarbeitern und ist bereits im Early Access auf Steam gestartet. Als Kartenspiel kannst du dir sicherlich vorstellen, dass diese Spielinhalte, das heißt Karten, sich wunderbar auf eine Blockchain bringen lassen.
Hannes Letsch Bisher haben wir uns eher in der Peripherie des eigentlichen Videospielens aufgehalten. Wie übersetzt ihr „Videospiel“ in eurem Gesamtvorhaben?
Patrik Müller Da kommt Massive LiNX ins Spiel. Grundsätzlich bieten wir verschiedene Spielmodi an. Einer davon nennt sich „Communication“. Es handelt sich hierbei auf Servern betriebene Online-Instanzen, auf denen sich Menschen mit ihren Spielfiguren digital begegnen. Dieser Spielmodus ist beispielsweise dafür gedacht, dass YouTuber oder Streamer sich mit ihren Abonnenten oder Ähnlichem treffen können. Alternativ sind exemplarisch digitale Messen vorstellbar. Einbeschrieben ist eine sogenannte Text- und Voice-Chat-Solution, mit der du nahezu wie in der Realität kommunizieren kannst. Wenn also beispielsweise eine Wand digital zwischen dir und anderen Personen besteht, dann hörst du dadurch auch nichts. Bei einer Glasscheibe hingegen müsste man sehr nahe ran gehen, um dumpf etwas hören zu können. Das Team, das daran arbeitet, hat bereits zuvor mit Massensimulationen Erfahrungen gesammelt, auch im militärischen Bereich. Das heißt, dass wir technisch sehr genau wissen, wie wir viele Spieler auf einem Server sich tummeln lassen können. 16.000 gleichzeitige Spieler auf einem Server und 3.600 Spieler davon simultan im Sichtfeld sind ein paar Richtgrößen dazu.
Patrik Müller Spielmodus und damit auch die Spielkarte können gewechselt werden. Die Idee dahinter ist, dass wir ähnlich zum Apache Webserver jedem die Möglichkeit geben möchten, eigene Spielwelten zu betreiben. Das kann eine Welt wie die gerade erwähnte sein, die auf Kommunikation setzt. Es kann aber auch eine kleine, instanziierte Welt sein, in der ich ein Appartement oder andere Bauten erstelle, eine Rennstrecke im Rennspielmodus aufbaue oder einen „Jump ‚n‘ Run“ Parkour hochziehe. Was hier also passiert, ist, dass nach einem kurzen Benchmark Test der Server mit deiner Spielfigur gewechselt wird. Dieser Server kann von einer dritten Partei betrieben werden. Bist du auf einem Server, der dir selbst gehört, dann kannst du den zugehörigen Level-Editor öffnen und anfangen alles so umzubauen, wie es dir gefällt. Dies greift wieder in den „Own“ Gedanken ein. Besitzt du Spiele Assets, kannst du sie platzieren. Weitergehend geht es aber auch darum, dass Content-Creator ihre eigenen Assets, sofern sie es möchten, ins Spiel konvertieren können. Dadurch entsteht ein Wirtschaftssystem, in dem Leute Assets für andere entwickeln. Die Besonderheit hierbei ist, dass es sich nicht nur auf grafische Assets beschränkt, sondern es können auch Spielmechaniken erstellt werden.
Hannes Letsch Das heißt, dass euer „Spielen“ eigentlich mit einem Sandboxgedanken gleichzusetzen ist?
Patrik Müller Ja. Stell dir das Vorgestellte wie ein Webbrowser vor. Die Assets, die du siehst, sind nicht im Spiel. Diejenigen, die du siehst, werden wie bei einer Webseite geladen, wenn sie gebraucht werden. Genau das gleiche passiert bei der Gameplay-Logik. Anstatt JavaScript lädt unser „Browser-like“ Lua Skripte beziehungsweise Visual Skripte und führt diese in der Sandboxumgebung aus; ziemlich genauso wie es JavaScript macht, um zu verhindern, dass Cross-Site-Scripting (XSS) und andere Attacken gefahren werden können. Das heißt, wenn du dich an unsere Standards hältst und unsere Open-Source Technologie nutzt, dann wirst du in der Lage sein, diese Welten komplett eigenständig zu bauen. Du musst am Anfang entscheiden beziehungsweise während der Spieleserver läuft, welchen Spielmodus du aufsetzen möchtest.
Patrik Müller Wir wollen eine Interoperabilität sicherstellen. Das heißt, dass die Assets beispielsweise in der Unreal Engine nutzbar sind, aber genauso in einer Web GPU Engine oder einer Unity Engine Anwendung finden können. Es soll die Wahlmöglichkeit bestehen, wie wenn ich mich entscheide, ob ich Chrome, Edge, Firefox oder einen anderen Webbrowser verwende, um durch das Internet zu surfen. Plus: Auch wenn es nicht ganz so hübsch aussieht, wie in der Unreal Engine, so soll WebGL mir die Möglichkeit geben, allein mit meinem Browser in diese dreidimensionalen Umgebungen einzutauchen.
Hannes Letsch In letzter Konsequenz ladet ihr dadurch auch andere große Unternehmen ein, zu partizipieren.
Patrik Müller Korrekt. In diesen dreidimensionalen Umgebungen können sogar Webseiten eingebunden werden. Ich erwähne das explizit, weil momentan existierende Produkte geschlossen sind. Nehmen wir etwa „Fortnite“ als eine Sandbox. Ich kann dort als Werbetreibender, als Brand, noch nicht einmal eine Verlinkung positionieren. Ich bekomme keine Daten zurück. Ich kann zwar Branding Kampagnen fahren, aber ich kann keine sogenannten Performance Kampagnen durchführen. Ich verliere die Spieler in einer Sackgasse und muss diese über Umwege wieder akquirieren. Das soll hier nicht der Fall sein. Wir wollen ein offenes System sein, was sowohl interoperabel im Sinne von verschiedenen Engines und Assets ist als auch was andere Systeme angeht. Wir bezeichnen uns deshalb als Web 3 Anwendung. Das heißt aber nicht, dass Web 2 keine Daseinsberechtigung mehr habe.
Hannes Letsch Innerhalb Sandbox-Ideen sind Ressourcen eine wesentliche Säule. Dadurch, dass ihr alles digital anbietet, ist es möglich, unendlich viele Einheiten einer Ressource im Handumdrehen entstehen zu lassen. Wie soll daraus ein veritables Wirtschaftssystem entstehen?
Patrik Müller Es ist möglich auf einem Server vom Inhaber einen Ressourcenextractor zu positionieren. Über die Zeit hinweg werden kontinuierlich Ressourcen bereitgestellt, die dann im Spiel wieder verwendet werden können, um Dinge zu bauen oder seiner Community zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann der eigene Server beziehungsweise Planeten umgebaut werden. Andere Spieler können zusätzlich händisch Ressourcen sammeln, die sie dann für ihre Zwecke auf ihren gewählten Servern einsetzen können.
Hannes Letsch Alle existierenden oder gebauten Einheiten haben folgerichtig einen Wert …
Alex Suárez … sofern es jemanden gibt, der das jeweilige Asset haben möchte.
Hannes Letsch Aber an diesem Punkt wird es doch ungleich komplexer, weil Währungen, Wertschöpfung und Ökonomie aus der Realität in eine rein digital erstellte und aufrechterhaltene Welt übertragen werden.
Alex Suárez Genau. Wir haben Ökosystem-Tokens (GamesCoin, GC-Elements). Hinzu kommt eine eigene Blockchain, die sogenannte GamesChain, sowie APIs, die alles verbinden. Und wir arbeiten mit der Münchner Firma Tangany GmbH, die von der BaFin beaufsichtigt wird. Damit ist es sogar möglich in den angesprochenen Wallets ethereum Einheiten aufzubewahren. Obwohl die Wallet nicht primär deshalb existiert, um sie außerhalb unseres Systems zu nutzen. Weil es aber trotzdem passiert, brauchst du sowohl einen Custody (Verwahrung und Verwaltung von Effekten im Auftrag des Kunden) als auch einen Non-Custody Ansatz. Dort wo eine Kryptoverwahrlizenz notwendig ist, stützen wir uns auf Tangany. Non-Custody bedeutet, dass wir alle Keys so aufbewahren, dass der Nutzer zwar Zugang hat, aber eben wir nicht. Der Gesetzgeber gibt uns hier klar zu verstehen: Wenn du Werte aufbewahrst, dann musst du dich mit der BaFin einlassen. Wie eine Bank muss man sich schlussfolgend durch die verschiedenen Prozesse der BaFin begeben.
Alex Suárez Alles in unserer Welt ist in Besitz und auf Basis eines Multichainansatzes (Polygon, GamesChain usw.) in klare Besitzeinheiten umgewandelt. Daraus ergibt sich vor allem im Bereich „Create“, das heißt dem Bereich, den Patrik vorher angesprochen hat, eine eigene Ökonomie aus der Nutzbarkeit der Dinge. Es gibt hierbei interessante Kombinationen von Tokens, die durch „Burning-Mechanismen“ oder anderem im Wert steigen können.
Alex Suárez Im Grunde existieren verschiedene Gattungen: „Ownables“ sind Dinge, die du bei einem Entwickler oder anderen Spielern kaufen kannst. Das heißt, dass durch die Spielenutzung eine Ökonomie entsteht. Da vieles in gewissen Grenzen engine-agnostisch ist, dürfte der Wert auch genau dann hoch sein, wenn er möglichst universell einsetzbar ist. Ein Schwert beispielsweise findet in einem Rennspiel sicherlich wenig Gebrauch. Das bedeutet, dass es zwar interoperabel ist, aber nur beschränkten Nutzen hat.
Alex Suárez Deshalb gibt es zusätzlich „Elemente“, die sogenannten GC-Elements eine weitere Ebene unseres sogenannten Metaversums, das ein digitales Universum darstellen soll. Die grundlegendsten Spielelemente bilden diese Einheiten wie Gold, Silber, Helium und so weiter. Sie sind, wie aus dem Periodensystem entnommen, basal und ebenfalls übertragbar als ERC-20 Tokens. Wir vermarkten tatsächlich sogar Sterne und Planeten in diesem Zusammenhang. Wir haben beispielsweise bereits über 20.000 Planeten und momentan über 1.000 Sterne verkauft. Sie sind ein Quell für diese Elemente. Das heißt, dass ein Entwickler keine Möglichkeit hat, Elemente selbst zu kreieren. Nur wenn du dir eine Quelle kaufst, kannst du derartige Elemente anhäufen. Die Planeten haben eine Preisspanne von 50 bis 10.000 Dollar, wobei der Durchschnittswert eher oben liegt. Sterne beginnen bei circa 1000 Dollar. Diese geben tatsächlich Helium ab, dessen Wert schwankt.
Hannes Letsch Oh?! Gibt es da keine Spekulationsgefahr?
Alex Suárez Inhaber eines Sterns können ihr Helium verkaufen, das ist korrekt. Uns geht es darum, dass Videospielentwickler, sofern sie optional derartige Elemente benötigen, diese erstehen können. Beispiel: Alchemisten. Diese haben die Fähigkeit Blei in Gold zu verwandeln. Als Spielentwickler kannst du deinen Spielern diesen Alchemisten anbieten. Wie etwa in einem RPG kannst du auf Free-to-Play Basis Eintritt zu deinem Spiel mit dem Alchemisten gewähren. Du erstehst als Entwickler zusätzlich den notwendigen Alchemie Baukasten für deinen Alchemisten in deinem Videospiel. Ein Spieler erscheint, und gibt deinem Alchemisten 10 Bleieinheiten, was in ein Goldstück umgemünzt wird. Da du das Blei als Element verkaufen kannst und das Gold einkaufen musst, ist reine Mathematik notwendig, damit du abwägen kannst, ob dieser Tauschkurs Sinn macht.
Alex Suárez Wie in einem Ökosystem werden Abhängigkeiten, das heißt Systeme geschaffen. Auf einem Planeten gibt es Bodenschätze, die man schürfen kann. Dafür ist aber womöglich etwa ein Bagger oder ein Bohrer notwendig. Derart kann in diesem Universum und den „Create“ Tools ein Entwickler bestimmen, ob er sich diesem Elementsystem aussetzen möchte oder nicht. Einigen ist das womöglich zu kompliziert, andere wiederum überlegen sich, was sie im Tausch anbieten oder ob sie direkt Elemente kaufen möchten. Schritt für Schritt entsteht eine echte Ökonomie.
Hannes Letsch Mich erinnert das alles sehr stark daran, im Grunde die Geschichte der Menschheit auf ökonomischer Ebene digital abermals nachzustellen.
Alex Suárez Sicherlich haben wir derartige Systemideen nicht erfunden, sondern ahmen sie nach. Wir ahmen die Natur nach. Das, was wir erstellen, sind in der Tat Volkswirtschaften, die sich langsam entwickeln sollen. Es gibt hierfür ein paar Tricks, damit diese Volkswirtschaften nicht kaputt gehen. Du hattest etwa bereits zuvor nach der Werthaltigkeit gefragt. Wäre es möglich, dass unbegrenzt Elemente erstellt werden können, dann wäre die Werthaltigkeit unlimitiert, also würde der Wert zwangsläufig gen Null gehen. Habe ich aber nur Emittenten, wie einen kaufbaren Stern oder einen Planeten, der ein Element kreieren darf, dann ist eine Limitierung allein darüber schon eingebaut. Ein Videospielentwickler kann on-demand etwa Gold kaufen. Er kann sich dazu den Goldkurs anschauen und gegenrechnen, wieviel Blei er dafür durch seinen Alchemisten einsammeln kann und in wieviel Free-to-Play Momentum das Ganze sich übersetzt. Handelt es sich hierbei um eine One-Man-Show wie etwa der Erfinder von „Minecraft“, dann kann man derart kalkulieren, dass das Unterfangen insgesamt für einen tragbar bleibt. Ist es hingegen eine größere Firma, die vor allem auf Spielerzahlen fokussiert ist, dann kann über die anvisierte Spielerzahl berechnet werden, wieviel in Elemente investiert werden muss. Damit Partizipation auf dieser Ebene stattfindet, bekommen Entwickler von uns ein Tool Set bestehend aus Editoren und anderen Möglichkeiten, um Nutzer anzuziehen. Es steht ihnen jederzeit frei, ob sie die angesprochenen, basalen Spielelemente Teil ihres Projektes werden lassen oder nicht. Insgesamt entstehen dadurch neue Businessmodelle.
Patrik Müller Ich hatte vorhin bereits angesprochen, dass die Server nicht von uns betrieben werden müssen. Wer auch immer kann unserem Netzwerk beitreten. Das bedeutet, wir brauchen dezentrale Lösungen für Probleme, die zentralisierte Netzwerke bereits abgebildet haben. Beispielsweise, dass Person A Person B bezahlt, obwohl beide sich gar nicht kennen und keinen Vertrag miteinander schließen wollen. Und deshalb bieten wir diese Tools in Form von Elementen an. Wie diese Elemente genau genutzt werden, werden wir zusammen mit der Community noch herausfinden. Es gibt volkswirtschaftliche Grundsätze und denen werden wir folgen.
Patrik Müller Genau das Gleiche machen wir auch mit den Spiele Assets. Du kannst dir vorstellen, dass ein Sportartikelhersteller nicht begeistert davon sein wird, wenn du dir digital bei diesem einen Schuh kaufen würdest, dann als Belohungen den physischen Schuh nachhause geschickt bekommst, diesen aber ohne Lizenz im Digitalen vermeintlich willfährig nutzt. Deshalb bauen wir ein DRM-System (digital right management) mit ein, was aber ebenfalls dezentral sein wird, weil die Parteien sich im Zweifel untereinander nicht kennen. Die Assets liegen auch nicht auf einem zentralen Speicher, sondern auf einem dezentralen. Das heißt, wenn du als Spieler ein gekauftes Asset in deiner Welt benutzen möchtest, dann lädst du dieses herunter und stellst es selbstständig im IPFS-Netzwerk (InterPlanetary File System) bereit, sodass andere darauf zugreifen können.
Hannes Letsch Im realen Wirtschaftssystem gibt es aufgrund der Kaufkraft und Größe an Unternehmen eine klare Hackordnung. Ihr versucht euer eigenes System aufzubauen, das eine andere Strukturierung, eine andere Hierarchisierung durchgehen soll. Inwiefern kann sich das, was im Realen hierarchisch gilt, mit dem, was in eurem System existieren soll, beißen? Oder anders gefragt: Wie sehr hättet ihr kein Problem damit, dass monopolähnliche Strukturen der Realität sich in euer System übertragen, das heißt die Geschichte sich sozusagen wiederholt?
Alex Suárez Anders als im richtigen Leben ist die Motivation an unserem System nicht die Sicherung der Existenz, sondern der Spielspaß ist wesentlich. Wir bauen eine Spaßumgebung. Sicherlich ist unser Vorhaben breitgefächert, wenn man sich etwa anschaut, was Massive LiNX leistet, weil es bis in den eCommerce Bereich hineinragt. Eigentlich ist die digitale Incentivierung (Anreiz und Ansporn geben) das Spielen. Und es gibt, meiner Meinung nach, kaum einen Trieb, der besser im Digitalen befriedigt werden kann als das Gaming. Dadurch sollten sich andere Systeme ausbilden als in der echten Wirtschaft. Nichtsdestotrotz entsteht ein Werteaufbau. Ich würde es zum Blockchain Bereich vergleichen wollen. Sogenannte „Whales“ sind dort eher diejenigen, die „Early Adapters“ waren als diejenigen, die mit vielen finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Diejenigen, die frühzeitig mit wenig Geld Konten aufgebaut haben, haben im Laufe der Zeit ungleich mehr profitiert. Die Ersten, die in unser System eintreten, sind wahrscheinlich diejenigen, die die größte Community, die größten „Clans“ haben werden.
Patrik Müller Die „First Mover“ gibt es immer und diese partizipieren auch. Aber spinnen wir das Ganze ein Stück weiter: Ich glaube, dass eine Segmentierung stattfinden wird, genauso wie aktuell in der Wirtschaft. Denken wir etwa an die bekannten Goldfarmer im Videospielsektor: Ich kann in den Philippinen oder dort, wo der Niedriglohnsektor herrscht, sehr viel günstiger Gold für das Spiel „World of Warcraft“ kaufen als hier in Deutschland. Das hat unterschiedliche Gründe. Sprach- und kulturelle Barrieren, Paymentprobleme und so weiter. Diese Segmentierung wird auch im Digitalen stattfinden, auch wenn die Landesgrenzen in diesem Sinne keine Rolle spielen.
Patrik Müller Es hört sich in gewisser Weise größenwahnsinnig an, was wir vorhaben. Gerade der Open-Source Ansatz ist zu nennen. Ich hätte ordentlich Bammel, wenn wir nicht CEO Royal O‘Brien an Bord hätten, der mit der Linux und der Metaverse Foundation bereits sehr viel Erfahrung im Open-Source Sektor gesammelt hat. Ihm haben wir es nebenbei bemerkt auch zu verdanken, dass Amazon die Open 3D Engine zur Open-Source gemacht hat.
Hannes Letsch Soweit ich das alles richtig verstanden habe, versucht ihr quer zur momentan bestehenden Struktur der Videospielindustrie etwas aufzubauen, das breitgefächert verschiedene Bereiche anvisiert und versucht zu verbinden.
Alex Suárez Weil es interoperabel ist und über Plattformen und Videospieltitel hinweg funktioniert. Die Zugänglichkeit wird gewährleistet, weil wir keine Programmierkenntnis als Hürde einbauen, dem Open-Source Gedanken Rechnung tragen, skalierbare Architekturen anbieten und Anreize zur Partizipation schaffen. So wie Gaming mit seinen digitalen Inhalten zur Blockchain passt, so passen die digitalen Inhalte auch sehr gut zu unserem „Create“ Gedanken.
Hannes Letsch Inwiefern ist das, was ihr vorhabt, echtes Videospiel und inwiefern ist es Gamification?
Alex Suárez Ich denke, man kann das, was wir tun, als die nächste Generation des Internets bezeichnen. Neben reinen Spiele ansetzen, kannst du bei uns auch andere Inhalte vorfinden: von Serious Games über Infotainment und e-learning bis hinzu E-Commerce und werbegetriebener Unterhaltung.
Hannes Letsch Will YOURE in Konkurrenz zu Steam und anderen Plattformen treten oder versucht ihr einen noch nicht erschlossenen Markt, das heißt primär noch nicht aktive Spieler anzusprechen?
Patrik Müller Ich würde unsere Plattform eher als eine soziale Plattform mit einem starken Fokus auf Videospiele beschreiben. Es wäre nicht zutreffend, uns als nur ein einziges Videospiel zu bezeichnen. Vielmehr sind wir ein Netzwerk aus vielen verschiedenen Spielen und Spaces, die von unseren Nutzern selbst erstellt und betrieben werden können.
Alex Suárez Wir sehen uns nicht als Konkurrenten von Steam oder anderen Plattformen. Natürlich kämpfen alle um die Gunst Videospielender. Aber anders als Steam, verfolgen wir den Ansatz des echten Eigentums. Außerdem glauben wir an die Interoperabilität von Nutzern, von Spielen, Spielinhalten und allem, was im Ökosystemen existiert. Und nicht zuletzt verfolgen wir den Open Source Ansatz. Ich denke, das ist etwas, was uns von allen kommerziellen Plattformen stark unterscheidet. Denn wir glauben, dass auch Web3 und Online-Welten sowie -Spiele nicht von einzelnen Firmen dominiert sein dürfen, sondern frei wie das Internet sein müssen.