Ist es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, wenn ein Jahr 2021 sich kaum bis gar nicht durch Diskussionen über das Videospiel als komplexe Kunstform (z.B. Spielmechaniken, Spielideen, zukünftige Horizonte der Kunstform usw.) auszeichnet? Ist das Geschacher um kommerziellen Erfolg und Aufmerksamkeit Ausdruck einer Branche, die es sich erlauben kann, kontextuale Themen des Videospiels ins Zentrum zu ziehen? Das einunddreißigste Glashaus ist zum großen Teil durch zwei Triple-A Publisher, CD Projekt RED und Activision Blizzard, gekennzeichnet, die schier parallel von Krise zu Krise stolperten, ohne eine substanzielle Antwort darauf zu haben, wie sie langfristig effektiv den Ursachen und nicht den Symptomen ihrer Krise begegnen. Aktienkurse sind sicherlich keine objektiven Indikatoren für den Zustand eines Unternehmens oder eine Branche, dafür aber ein psychologisches Messinstrument (Ansehen, Vertrauen, Popularität usw.), um ein Gespür dafür zu bekommen, wie die Betroffenen als Repräsentanten einer Branche wahrgenommen werden.
The Wall Street Journal
„Discord“ hat als ein sogenanntes Chat-Startup in den letzten Jahren massiv an Popularität hinzugewonnen. Mittlerweile ist es eine der Anlaufstellen, um unabhängig von Videospielen sich in Voice-Chats zu unterhalten oder gar ganze Clan-Strukturen zu organisieren. Die steigenden Einnahmen und die hohe Bewertung an den Börsen sind Ausdruck eines gewissen Potenzials, obwohl es an dem fehlt, was andere Social-Networking-Plattformen so erfolgreich hat werden lassen: Werbung. Was also treiben denn die Nutzer von Discord überhaupt auf der Plattform, und wie bewertet Chief Exectuive Jason Citron das Ganze?
CBC News
Ein internes Unternehmensdokument soll beweisen, dass Triple-A Publisher Electronic Arts versucht, seine Kunden eine gewisse Art von Videospiel aufzudrängen, sodass diese unterbewusst ermutigt werden, mehr Geld auszugeben. Das durchgesickerte 54-seitige Dokument stammt aus der für Sportvideospiele verantwortlichen Abteilung in Burnaby. Das dort entwickelte FIFA-Fußballspiel ist eines der profitabelsten des Publishers. Als Präsentation umgesetzt werden auf zahlreichen Folien (Beispielfolie 1, Beispielfolie 2) Aspekte aufgelistet, die sich mit „FIFA 21“, dem aktuellen Titel der Videospielreihe beschäftigen.
BBC News
Der Zusammenhang zwischen sogenannten „Lootboxen“ und problematischen Glückspielverhalten kristallisiert sich immer stärker heraus. Der von Forschern der Universität Plymouth und Wolverhampton erstellte Bericht argumentiert, dass Lootboxen „strukturell und psychologisch dem Glücksspiel ähneln“. Auch aufgrund der Tatsache, dass viele Kindern „Lootboxen“ konsumieren, erwägt die britische Regierung, „Lootboxen“ in Glücksspielgesetze zu integrieren.
Eurogamer
Keine vier Monate nach einer verkorksten Veröffentlichung von „Cyberpunk 2077“ berichtete Jason Schreier davon, dass die Führungskräfte von CD Projekt SA trotzdem Millionenboni ausbezahlt bekamen. Der Rest des Personals würde zwar auch Boni erhalten, allerdings hätten etliche Entwickler mehr des in Aussicht gestellten Zusatzlohnes erhalten, hätte man die Veröffentlichung des Spiels verschoben, bis das Spiel komplett fertiggestellt wäre. Wenn die Entwickler mehr Zeit bekommen hätten, um alle Fehler zu beheben und Versprochenes zu integrieren, hätte CD Projekt SA wahrscheinlich mehr Spiele verkauft, was zu einem höheren Gewinn geführt hätte, das heißt die gesamte Belegschaft hätte davon profitiert. Emma Kent erweitert die Berichterstattung Schreiers nochmals.
CBR
Noch Ende Mai 2021 war für CD Projekt RED nicht klar, ob und wann das von Sony aus dem PlayStation Store verbannte „Cyberpunk 2077“ wieder zur Verfügung stehen würde. Laut Video Games Chronicle, gestand Co-CEO Adam Kiciński während einer Aktionärsversammlung des Unternehmens, dass die Zukunft von „Cyberpunk 2077“ auf der PlayStation ungewiss sei.
We are still in discussions and with every patch the game gets better and there is a visible progress, but as we said the decision is an exclusive decision of Sony, so we are waiting for the information about the fact that they took the decision to bring back this game. Until then I am not able to tell you anything more.
– Adam Kiciński, 25.05.2021
Gamerant
Seit der Veröffentlichung von „Cyberpunk 2077“ musste sich CD Projekt RED mit verschiedenen Problematiken auseinander setzen, die nicht direkt mit der Videospielentwicklung verbunden waren: Beispielsweise muss sich der polnische Entwickler mit zahlreichen Sammelklagen auseinandersetzen sowie den Diebstahl des Quellcodes für „The Witcher 3“ und „Cyberpunk 2077“ und dem Verkauf im Dark Net aufarbeiten. Laut einer Zusammenfassung des Twitternutzers „Nibel“ sank der Nettogewinn des Unternehmens im ersten Quartal 2021 um 64,7% und verfehlte damit die Markterwartungen. Und trotz des Nettoverlustes bleibt das Studio kündigte das Studio an im Jahr 2022 „high-budget“ Projekte zu starten.
PcGamesN
Im Juli 2021 geriet EAs „Apex Legends“ in Visier der Berichterstattung, als es Hackern gelang das Spiel für sich zu benutzen, um auf die Missstände der „Titanfall“ Franchise, aus dem „Apex Legends“ erwuchs, aufmerksam zu machen. Vielen Spielern war es über längere Zeit nicht möglich zu spielen, weil abseits ständig angezeigter Nachrichten, die den jeweiligen Spieler auf die Webseite der Hacker umleitete, kein Spiel initiiert werden konnte.
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Mit „Congrats Titanfall Hackers, You Made A Bunch Of Devs Work On A Sunday” reagierte Eric Switzer in einem Artikel auf die Vorkommnisse, um zu argumentieren, dass die Aktion seiner Ansicht nach gewiss nicht das erreichen wird, was die Hacker intendierten.
The hack on Apex Legends is a desperate attempt to draw attention to savetitanfall.com — whose staff has publically disavowed the hack — and the Titanfall community that is fed up with hackers in the game. While the stunt has certainly brought a lot of attention to the issue, it will no doubt fail in its ultimate mission to eliminate cheaters from Titanfall. The only thing this example of extreme gamer entitlement will accomplish is getting a bunch of devs to work overtime on a holiday weekend.
– Eric Switzer, The Gamer, 04.07.2021
GamingIntel
Electronic Arts „Cyberpunk 2077“ ist definitiv „Battlefield 2042”, das technisch und spielerisch unausgereift auf den Markt geworfen wurde. Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung war die Anzahl der aktiven Spieler halbiert, und kassierte massenhaft negative Wertungen beispielsweise auf Steam.
Bloomberg
In den letzten Jahren hat ein großer Anteil an etablierten Entwicklern und Führungskräften Blizzard verlassen, um entweder ihr eigenes Studio zu gründen oder mehr kreative Freiheit und Autonomie zu gewinnen, die ihrer Meinung nach in einem Unternehmen, das Wirtschaftlichkeit als oberste Priorität setzt, nicht mehr möglich ist.
In Irvine, Kalifornien, entstand ein Blizzard-Alumni-Netzwerk, das von einigen als „Blizzard 2.0“ betitelt wird. Nicht nur, weil es in der gleichen Stadt, in der Blizzard einen weitläufigen Campus hat, gegründet wurde, sondern auch weil hunderte von ehemaligen Mitarbeitern, darunter der jahrzehntelange Mitbegründer und CEO des Unternehmens sich zusammenfanden, um ihr halbes Dutzend unabhängiger Studios zu organisieren.
Activision Blizzard Inc. kam spätestens Ende Juli 2021 in Erklärungsnöte, als die Vorwürfe um eine sogenannte „Frat-Boy Culture“ im gesamten Unternehmen, publik wurden. Weibliche Angestellte sollen laut Bericht und Anklage der kalifornischen Abteilung für faire Beschäftigung und Wohnungswesen ständiger sexueller Belästigung, ungleicher Bezahlungen und Kompensationszahlungen ausgesetzt sein.
Eine zweijährige Untersuchung der staatlichen Behörde ergab, dass das Unternehmen weibliche Angestellte hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen, einschließlich Vergütung, Abtretung, Beförderung und Kündigung, systematisch diskriminierte. Die Unternehmensleitung habe es konsequent versäumt, Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung, Belästigung und Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, teilte die Agentur mit. Laut der Anklage, die am Dienstag den 20. Juli 2021 beim Los Angeles Superior Court eingereicht wurde, machen weibliche Angestellte etwa 20 % der Activision-Belegschaft aus und sind einer „pervasive frat boy workplace culture“ ausgesetzt.
Wenige Tage später, am 03. August folgte eine der vielen absehbaren Konsequenzen: Präsident J. Allen Brack musste das Unternehmen verlassen, nachdem die Muttergesellschaft Activision Blizzard Inc. Vom Staat Kalifornien aufgrund sexueller Diskriminierungs- und Belästigungsvorfälle verklagt wurde.
Destructoid
Axios
Die geplante Einigung zwischen dem Unternehmen Activision Blizzard und der US Employment Opportunity Commisson fand im September ein jähes Ende, weil ein Teil der Belegschaft von Activision Blizzard den Entschädigungsfond in Höhe von 18 Millionen US-Dollar für Mitarbeiter, die belästigt oder diskriminiert wurden, nicht ausreiche.
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Dass Activision Blizzard und CD Projekt RED keine Ausnahmen im Umgang mit der eigenen Belegschaft sind, sondern vielmehr Indikator für ein systemisches Problem, zeigt etwa der Artikel von Evgeny Obdekov, der das Unternehmen Xsolla im August 2021 berichtete, das 150 Beschäftigte mit einem Schlag entließ. Für Kontroversen sorgte der Personalabbau per se nicht, sondern ein Schreiben des Vorstandsvorsitzenden, in dem er den Grund für die Entscheidung zu erläutern versuchte.
The Verge
„Grand Theft Auto V“ (Rockstar Games, 2013) Leistung ist wie gut das Videospiel das südkalifornische Los Angeles neu interpretiert respektive kopiert. Ein neues KI-gestütztes Projekt von Intel Labs hebt diesen Aspekt des Spiels nochmals auf eine neue Ebene. „Enhancing Photorealism Enhancement“ könnte echten Fotorealismus möglich werden lassen. Drückt man Rockstar Games Werk durch die von Stephan R. Richter, Hassan Abu Alhaija und Vladlen Kolten erstellten Prozesse, entsteht das, was man ansonsten nur mit bloßem Auge oder guten Kameras einfangen kann.
Kait Sanchez rekapituliert, inwiefern Videospiele zugänglich sind und welche Lösungen denkbar sind, um sie noch barrierefreier für alle Interessierten werden zu lassen. „The simple solutions to better games“ versucht dabei den Ist- und Soll-Zustand gegenüberzustellen, um Anhand einiger Beispiele zu illustrieren, wie weit Videospiele vom Optimum entfernt sind.
Games Wirtschaft
Während 4Players am ersten 1. November 2021 seine redaktionelle Tätigkeit einstellte, wurde einen Tag später darüber berichtet, dass das Spielemagazin GEE am 17. Februar 2022 in den Zeitschriftenhandeln zurückkehrt. Nach neuen Jahren Pause wird unter der Leitung von Jörg Luibl, dem ehemaligen 4Players Chefredakteur, der einstige Konkurrenz der GameStar, PC Games oder ComputerBild Spiele wiederbelebt.
OkCool
„Anno 1800“ (Blue Byte, 2019) bedient sich in vielerlei Hinsicht historischer Vorlagen des 19. Jahrhunderts. Die damals gegenwärtige Sklaverei ist allerdings nicht im Spiel integriert. Für Dom Schott ist dies bemerkenswert, obwohl es in ebendieser historischen Epoche die Wirtschaft bestimmte. Wie also kann eine Wirtschaftssimulation darauf verzichten?
Frankfurter Allgemeine
Die Videospielbranche boomt, aber nicht alle können daran teilhaben. Für Melanie Eilert ist es Zeit, dass sich daran was ändert; insbesondere für Menschen mit Behinderungen
Superbowl 2019, ein einminütiges Werbevideo zeigt Kinder, die allein oder in kleinen Gruppen an einer Konsole spielen. Die Kinder haben nicht nur den Spaß am Spiel gemeinsam, die meisten von ihnen sind auch körperlich behindert. Das Werbevideo stellt den Xbox Adaptive Controller vor, ein individualisierbares Gamepad, als Eingabegerät, für Xbox-Konsolen oder Windows-PCs, das behinderten Menschen das Spielen erleichtern kann. Es endet mit dem Slogan „When everybody plays we all win“: Wenn jeder spielt, gewinnen wir alle. Durch dieses Video wird das Thema „Gaming mit Behinderung“ zum ersten Mal einem großen Publikum von mehr als neunzig Millionen Menschen präsentiert.
– Melanie Eilert, Frankfurter Allgemeine, 20.05.2021
Polygon
Im April 2019 brach in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ein Feuer aus. Die Flammen verschlangen die Turmspitze und das Holzdach, schwächten das Steingewölbe und gefährdeten die massiven Glocken der Westtürme. Nach dem Brand wurden mehrere Artikel veröffentlicht, die darauf hindeuteten, dass das viel geschmähte Videospiele von Ubisoft aus dem Jahr 2014 namens „Assassin’s Creed Unity“ einen simulierten Weg böten, die alte Kathedrale weiterhin besuchen zu können. Ubisoft hätte eine detaillierte 3D-Nachbildung der Kathedrale erschaffen, die doch bestimmt Architekten und Historiker sowie Handwerker nutzen könnten, um detailgetreu zu restaurieren. Jenes nahm Simone de Rachefort zum Anlass zu argumentieren, dass die Einstellung zu historischer Akkuratheit in Videospielen grundsätzlich überdacht werden muss.
Wasted
Eine Erfolgsgeschichte des Jahres 2021 ist sicherlich die Netflix Adaption von „League of Legends“ (Riot, 2009). Alice Wilczynski webt den Erfolg der Serie in den „Gaming-Diskurs“ um Massenphänomen, Aufmerksamkeit, Aufgaben und Ziele von Videospielen und so weiter ein.
Klar, nicht jede Person, die durch ein Massenphänomen auf das Thema Gaming stößt, wird direkt zum Fan des Mediums. Aber vielleicht können diese neuen Augenpaare den Blick, wie wir Spiele wahrnehmen, verändern? Es kann ziemlich spannend sein, mit Leuten über Dinge zu sprechen, die sie gerade zum ersten Mal entdecken.
– Alice Wilczynski, Wasted, 03.12.2021
YouTube
Im Zuge der Veröffentlichung von „Cyberpunk 2077“ bekam einen handvoll an Influencer und Journalisten die Gelegenheit das Spiel vorab zu testen. Eine dieser Personen war YouTuber YongYea, der das Spiel empfahl, obwohl sich nicht viel später herausstellen sollte, dass „Cyberpunk 2077“ nicht das ist, über was YongYea in seinem Video sprach. Die Aufarbeitung dessen kam sechs Monate später.
Activision Blizzard isn't going to let a massive scandal over its work culture get in the way of some good old fashioned layoffs, and it won't let human decency get in the way of making those layoffs cruel as possible.
– Jim Sterling, 06.12.2021