2018 Triple-A im Schleudergang

Hannes Letsch10 Minuten Lesezeit

Übersicht

Egal, ob man es mag oder nicht: Die Dominanz und Popularität, die „Fortnite“ (Epic Games, 2017) im Jahr 2018 besaß, ist nach „Minecraft“ (Mojang, 2009) und „Grand Theft Auto V“ (Rockstar Games, 2013) und anderen Spielen der Beweis dafür, dass in einer fast schon rhythmisierten Taktung Videospiele ein größeres Publikum außerhalb bereits Videospielaffiner für sich begeistern können. Allerdings bleiben dabei für gewöhnlich die hinter dem erfolgreichen Spiel stehenden, finanziellen Entwicklung von den großen Fachmagazinen unbehandelt. Sowohl Rockstar Games, Mojang oder Epic Games verdienten sich durch ihren jeweiligen Glücksgriff in der Einheit „Milliarde“ eine goldene Nase. Alle drei knackten den Jackpot, die Lotterie, die der Videospielmarkt ist. Mehr denn je wurde 2018 klar, dass Investoren wie auch Publisher den Zufall ignorierend von ihren Videospieltiteln erwarten, dass der jeweilige Titel ein „Fortnite“ oder „Minecraft“ in finanzieller Hinsicht wird. Ignoriert wird die Lotterie und die vielen hundert Spiele, die pro Jahr veröffentlicht werden, wovon nur ein gewisser Prozentsatz überhaupt in Hemisphären von Millionen verkauften Exemplaren wandeln kann. „Red Dead Redemption 2“ (Rockstar Games), „God of War“ (Santa Monica Studio), „Marvel’s Spider-Man“ (Insomniac Games), „Far Cry 5” (Ubisoft), „Monster Hunter: World“ (Capcom) und anderen erreichten dies, während PR- und finanzielle Enttäuschungen bis Desaster wie etwa „Fallout 76“ (Bethesda), „Battlefield V“ (DICE), Shadow of the Tomb Raider“ (Crystal Dynamics), „Metal Gear Survive“ (Konami), „The Quiet Man“ (Square Enix) und so weiter in einer nicht unerheblichen Anzahl zu verzeichnen waren. Selbst „Call of Duty: Black Ops 4“ (Treyarch) wurde und wird am Markt als Enttäuschung gewertet, weil 500 Millionen Dollar Umsatz nicht die Erwartungen der Investoren erfüllte. Was im Vergleich zu Konkurrenten schlechter abschneidet, stehe automatisch nicht für Wachstum und sei somit eine Verfehlung.

Das dominierende Problem

Die Entwicklungen der zweiten Hälfte des Jahres 2018 rüttelten ordentlich an der bestehenden Praxis vieler Triple-A Publisher und lassen in gewisser Weise an der Standhaftigkeit des Triple-A Segments der Videospielbranche zweifeln. Die goldene Mitte zwischen Systematik in Form eines bereits öfters geäußerten „Triple-A Crash“ und einer „momentanen, singulären Verstimmung“ deutet stark auf ein Problem, das von Activision Blizzard, Electronic Arts und Bethesda bis zu Capcom, Konami, Square Enix, Ubisoft und anderen grassierte. Es handelt sich um eine gewisse Ignoranz, die maßgeblich dazu beitrug, dass die genannten Unternehmen viel Vertrauen und somit finanzielles Kapital in Milliardenhöhe an den Börsen verspielten. Das Ignorante äußerte sich dabei in unterschiedlichen Formen: Konami war der Überzeugung, dass eine lausige, halbherzige Weiterführung der „Metal Gear“ Franchise ausreichen würde. Square Enix ritt ein 135 Millionen Dollar teures Pferd namens „Shadow of the Tomb Raider” und dachte, dass es im mit Hochkarätern vollgepackten Herbst 2018 das Rennen machen würde.

Capcom forcierte sogenannte „In-Game“-Werbung in „Street Fighter V“ (2016), das als vollwertiges 60 Euro teures Videospiel vermarktet wurde und mehr oder weniger die Spielenden dazu zwang, Werbung auf den Kostümen, Boxhandschuhen der verschiedenen Kämpfern und so weiter zu dudeln, weil andernfalls weiterer Inhalt nicht umgesetzt werden könnte. Nach mehr als 24 Stunden ruderte man vollständig zurück und lies die Idee einer „In-Game“-Werbung so leise in der Schublade wieder verschwinden, wie sie herausgezogen wurde. Ubisoft argumentierte lautstark, dass Videospiele, wie man sie bisher kennt, Geschichte seien und stattdessen Live Services der zukünftige Weg sein müssten. Diese Auffassung erklärte zumindest, warum sämtliche Spiele, die Ubisoft im Jahr 2018 veröffentlichte, Mikrotransaktionen beinhaltete und immer wieder die Frage aufrief, ob das Spielkonzept von Anfang an derart zeitintensive Sammeleiaufgaben beinhaltete, um durch wahrscheinlicher werdende Frustationsmomente Spieler dazu zu bewegen, eine Abkürzung per Geldbeutel zu nehmen.

2K Games kam mit „NBA 2k19“ (Visual Concepts) in Erklärungsnöte, weil die Gier mehr und mehr Geld aus einem jährlichen Reboot zu pressen zu offensichtlich wurde. Deren virtuelle Währungssysteme seien eine Reaktion auf den immer ungeduldiger werdenden Spieler, der mit Kauf des Spiels sofort dominant sein möchte und keine Lust hätte, sich nach oben zu arbeiten. Eine „unglückliche Realität“, die es zu respektieren gelte. Kein Wort davon, dass der Weg das Ziel sein könnte respektive den Spielspaß ausmachen müsste. Das kürzlich geschlossene Telltale Games Studio ist im Zuge dessen eine Metapher der aufgezählten Überzeugungen und Ansichten, eine Summe, die in Emily Grace Bucks Resümee zum Scheitern des Studios unmissverständlich klar und deutlich beschrieben wird.

SGC18: Emily Grace Buck - The Human Cost of Game Development: A Former Telltale Dev's Post-Mortem
Sweden Game Arena, YouTube, 2019

Überbordende Monetarisierung, Gier, unterdurchschnittliche finanzielle wie spielmechanische Leistungen oder gar ganze Spiele als wertlose Mogelpackungen und eine Unmenge an verlorenem Kapital zeichneten das Triple-A Segment der Videospielbranche, das in Gänze im letzten Quartal einen kontinuierlichen Abschwung an der Börse verzeichnete. Modellhaft anhand elf dotierter Triple-A Publisher ist abzulesen, dass sich der kumulierte Wert aller Aktien um ein Viertel verringert hat. 2018 in diesem Zusammenhang als „Jahr der Empörung“ seitens der Konsumenten zu bezeichnen ist somit nur die oberflächliche Charakterisierung einer sich durch äußerst fragwürdige Geschäftspraktiken zuspitzende Situation, die bereits 2014, spätestens Ende 2017 absehbar war.

Zwei Schlaglichter

Activision Blizzard, das bis Ende 2018 weitestgehend unter dem Radar fliegend sich unbeschadet davonstehlen konnte, wenn konsumentenfeindliche Praktiken in der Öffentlichkeit publik wurden, hat das Megafon, das Blizzard darstellt, unterschätzt. Es wird zerstört, was Blizzard als Entwicklungsstudio einst erfolgreich werden ließ. Rigoros werden im Sinne eines für die Branche unlogischen betriebswirtschaftlichen Dogmas Kosten gekürzt und gleichzeitig die Anforderung gestellt, in erhöhter Schlagzahl Spiele zu veröffentlichen. Letztendlich wird die Quantität über die Qualität gestellt, obwohl Blizzard für letzteres schon immer stand und genug Beispiele bereits existieren, die das vernichtende Resultat dieser Strategie aufzeigen. Womöglich als kompensatorische Reaktion auf die eigens verursachten Verfehlungen mit „Destiny 2“ (Bungie, 2017) und dem Machtvakuum, das mit dem Abgang von Blizzards CEO Michael Morhaime entstand, versuchen die Verantwortlichen in Aktionismus flüchtend das Ruder herumzureißen. Dass in diesem Zusammenhang Entwickler Bungie mit seiner Arbeit zufrieden ist, Publisher Activision Gegenteiliges äußert oder „Call of Duty: Black Ops 4“ Kritik einheimst, weil es trotz Vollpreistitel ohne Einzelkampagne versucht ein lukratives Free-to-Play Konzept namens „Fortnite“ schamlos zu kopieren, lässt die Gesamtsituation nicht gerade einfacher werden.

Keinen Deut weniger zu kämpfen hat Bethesda mit „Fallout 76“, das trotz des desaströsen technischen und spielmechanischen Zustands veröffentlicht wurde und somit die Schlussfolgerung zu lässt, allein zur Gewinnung des schnellen Geldes und faul die eigene Anhängerschaft melkend entwickelt worden zu sein. Die zugehörige Liste kritikwürdiger Aktionen hat mittlerweile eine stattliche Länge angenommen. Ein Auszug dieser:

  • Realisierung von Vorbestellungen ohne wirkliche Informationen, was das Spiel außerhalb eines „Country Roads“ Trailers leisten wird
  • Eine als „Beta-Test“ getarnte Demo wenige Wochen vor Veröffentlichung
  • Unzählige, teilweise spielbrechende Fehler, die Monate, wenn nicht Jahre an Entwicklungszeit bedeuten
  • Eine lächerliche „Bethesda.net“ Rückerstattungspolitik, die zum Beispiel eine Rückerstattung ausschließt, sofern das Spiel einmalig auf digitalem Weg installiert wurde
  • Eine potentielle Konsumententäuschung bezüglich der 200 Euro teuren Collector‘s Edition des Spiels, die durch eine 5 Euro In-Game-Währung Kompensation abgefrühstückt werden sollte
  • Datenlecks während den durch starke Proteste initiierenden Kompensationsmaßnahmen zur Auslieferung einer qualitativ hochwertigeren Tasche als Teil der Collector’s Edition
  • Der von Geldgier durchzogene Mikrotransaktionsshop von „Fallout 76“, der unangetastete Spielobjekte aus „Fallout 4“ (Bethesda, 2015) zu aberwitzig hohen Preisen anbietet.
  • Code-Schnipsel im Spiel, die beweisen, dass Bethesda zumindest plante Lootboxen ins Spiel zu integrieren, obwohl im Vorfeld felsenfest versprochen wurde, keine Lootboxen oder anderes anzubieten, das einem „Pay-to-Win“ Schema gleichen würde.

All dies mündete in stark reduzierten Umsatzzahlen. Bethesdas Muttergesellschaft ZeniMax ist ein Privatunternehmen, was tiefergehende Einsichten in die finanzielle und strukturelle Gesundheit erschwert. Allerdings kann aufgrund der Entwicklungen seit 2016 geschlossen werden, dass mit „Dishonored 2“ (Arkane Studios, 2016), „Prey“ (Arkane Studios, 2017), „The Evil Within 2“ (2017, Tango Gameworks) und „Wolfenstein 2“ (MachineGames, 2017) nicht der erwartete Umsatz erzielt wurde. „Fallout 76“ konnte die Finanzlücken der vorherigen Jahre jedenfalls auch nicht schließen. Bethesda scheint langsam aber sicher in ernste Schwierigkeiten zu kommen, sollte die finanzielle „Flaute“ weiterhin anhalten.

Ein mögliches Fazit

Gier ist nicht über lange Zeit hinweg lukrativ. Zumindest dies dürfte seit dem Ende des Jahres 2018 klar sein. Die scheinbar unumstößliche Fixierung von Geldgebern auf Wachstum, die Electronic Arts oder auch Activision durch zwielichtige Monetarisierungsschemata innerhalb eines Jahrzehnts an die Spitze der wachsenden Videospielbranche katapultierte, fordert nach dem kurzfristigen Erfolg die mittelfristigen Konsequenzen ein. Die gleichsam immer wieder les- und hörbaren Beschwerden seitens der Entwickler und vor allem Publisher, dass sowohl das Steigen der Entwicklungskosten bei konstantem Verkaufspreis für Videospiele als auch Einzelspieler immer schwieriger an den Konsumenten zu bringen die Praxis zusehends erschweren würde, erscheint im Zuge der Entwicklungen von 2018 in einem anderen Licht. Offensichtlich diktieren Geldgeber, das heißt nicht die Entwickler den Markt und somit auch die Qualität und Produktausrichtung im Triple-A Segment. Das Problem ist entgegen den Wünschen manch einer PR-Abteilung inhärent und nicht auf den Konsumenten abwälzbar. Wie sonst wären die im Kontrast dazu stehenden Erfolge eines „God of War“, „Marvel's Spider-Man“, „Horizon Zero Dawn“ (Guerilla Games, 2017) und anderer zu erklären?

Der Lehrsatz, dass die Gier nach den kleinen bunten Scheinchen die Qualität von Videospielen im Handumdrehen zerstören kann, wurde durch die Entwicklungen der letzten 12 Monaten manifestiert. Nicht jedes Spiel kann ein Milliardenwunder werden und dennoch wird genau auf diese Utopie beharrlich gebaut, anstatt beispielsweise risikoärmer kleinere Videospiele mit hoher Qualität zu veröffentlichen. „Red Dead Redemption 2“ dominierte die zweite Hälfte des Jahres 2018 nicht deshalb, weil die Ansprüche an ein riesiges Spiel im Vordergrund standen. Das Image Rockstar Games, Qualität zumindest in technischer Form zu liefern, war Basis des Käufervertrauens. Das Gleiche galt für „Marvel’s Spider-Man“ und „God of War“. Quantität war noch nie Argument langfristig erfolgreicher Videospielunternehmen. Viele Triple-A Unternehmen sehen das momentan trotz blauem Auge immer noch anders.

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