Vor der Einführung der „Xbox One“ beziehungsweise der „Playstation 4“ wurde im Trubel der Spekulationen der momentan jüngsten Konsolengeneration darüber gemutmaßt, ob die Idee ein einziges Spielsystem zu fördern, nicht das „Beste für alle“ sei. Sowohl Entwickler wie auch Fachgelehrte favorisierten eine Zukunft ohne konkurrierende Videospielkonsolen – ein Zuhause für alle Spiele, egal von welchem Publisher oder Entwicklerstudio direkt veröffentlicht. Zur damaligen Zeit lag diese Idee förmlich auf der Hand: Einerseits erlebten PC-Videospiele einen zweiten Frühling durch den schnellen Aufschwung von Valves Plattform namens „Steam“, die den Markt derart dominierte, dass die Idee einer einzigen Plattform für Videospiele im Bereich des PCs bereits vorgelebt wurde. Andererseits war der Zyklus der „Xbox 360“ und „Playstation 3“ sehr lange – so lange, dass viele mittlerweile ausgebrannt eher wenig Motivation und Engagement aufbringen konnten, sich weiterhin mit diesen Konsolen in ihrer Freizeit auseinander zu setzen. Über allem schwebte die nicht enden wollende, sich beschleunigende Hardware-Spirale, die immer bessere Rechenmaschinen für teures Geld ermöglichte, was wiederum die Entwicklungskosten von Videospielen befeuerte, denn mit mehr Rechenleistung konnten auch immer (optisch) aufwändigere Spiele realisiert werden. Publisher ohne eigene Konsole, das heißt diejenigen, die nicht unter Vertrag mit Sony, Nintendo oder Microsoft standen, waren aufgrund der steigenden Kosten dazu angehalten, ihr Publikum tunlichst nicht auf eine Plattform zu beschränken. Es schien die beste Antwort auf die neuerlichen Entwicklungen zu sein.
Erschienen am
20. April 2018
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Allerdings: Kontexte können sich ändern, und zwar in diesem Fall derart radikal, dass die größten Publisher die Idee eines abwechslungsreichen Spieleangebots durch „Online Open-World Services“ zügig ersetzten, sodass mittlerweile die sogenannten First- und Second-Party Entwicklerstudios die einzige Quelle für Abwechslung im Triple-A Spielemarkt sind. Wer Spiele wie „God of War“ (Santa Monica Studio, 2018) öfters spielen möchte, sollte momentan womöglich die Idee konsolenexklusiver Titel befürworten.
Es ist eines jener Spiele, dessen Finanzierer eine bestimmte Marktposition – wie eben die Sonys – innehaben muss, um sicherzustellen, dass sowohl der Wille als auch die Möglichkeit zur Umsetzung besteht. Einige Third-Party Publisher (z.B. Ubisoft oder Activision / Blizzard) könnten aus finanzieller Sicht solche Projekte ebenfalls stemmen, sind aber momentan eher damit beschäftigt, Modeerscheinungen wie „Battle Royal“ oder „Games as a service“ nachzujagen. „God of War“ ist zu „retro“, ein zu linearer, durch Narration getriebener Einzelspieler für diese Publisher. Womöglich gehören solche Spiele nunmehr zu den „Old School Games“: Sie setzen weder auf einen Online-Modus, noch haben sie Lootboxen oder andere Mikrotransaktionsmechaniken implementiert. Die Entwickler der Santa Monica Studios setzen ausschließlich auf das Spielen selbst, um dem jeweiligen vor dem Bildschirm Sitzenden bei Stange zu halten. Je mehr man spielt, desto besser wird das Spiel selbst, was wiederum in mehr Spielzeit mündet. Man erspielt sich sämtliche Gegenstände und kauft sie nicht.
Es gilt eine detaillierte, aufwändig mehrschichtig aufgebaute Welt, die nicht komplett offen ist, zu erkunden. Die Möglichkeit abseits der Geschichte Aufgaben zu erledigen, neue Geheimnisse der Welt zu entlocken, die wiederum weitere Infos zur Hauptgeschichte hinzufügen, sich neuen Gegnertypen in den Weg zu stellen, um schließlich neue Ausrüstungsgegenstände schmieden zu können, sind einige Beispiele einer gewissen Spielvielfalt, die viele moderne Spiele nicht besitzen. Stattdessen werfen diese einem konstant über ein gesamtes Spiel immer wieder aufgewärmte Aufgaben- respektive „Quest“-Designs ohne Begründung, das heißt als Mittel zum Zweck, entgegen. „God of War“ lässt den Spieler den Spielenden sein, nicht den Arbeitenden. Oben drauf wird ein auf Hochglanz poliertes Kampfsystem gesetzt, das zu Beginn etwas zu reduziert und für das Ende fast schon überbordend viele Optionen bietet. Die Aufrüstungsspirale der Spielfigur(en) besteht nicht nur aus einfachen Nummern- oder Skalenverbesserungen, die offensichtlich auf Kosten des bereits Gesammelten einzusetzen respektive sofort anzunehmen sind.
Stattdessen geht es um das Kennenlernen neuer Fähigkeiten, echter, das heißt optionaler Alternativen, die im Sinne effektiven Kämpfens reflexive Gedanken ums eigene Spielen fordern. Protagonist Kratos kämpft im gesamten Spiel mit zwei verschiedenen Waffen, was in Sphären ähnlicher durch Narration getriebener Spiele wie etwa „Assassin‘s Creed: Origins“ (Ubisoft, 2017) schier undenkbar wäre, setzt aber dem Spieler immer wieder Hürden in den Weg, die eine Adaption und Änderung des Kampfstils nach sich ziehen. Kontra prozedural generierter Inhalte entzieht sich Santa Monica Studio durch einen erheblichen Mehraufwand der Gefahr des Generischen. Alles ist handgefertigt designt, somit im Spielfluss minutiös gesteuert und geht als Gesamtwerk komplett auf. „God of War“ symbolisiert das, was offensichtlich viele Videospielaffine wünschen. Sowohl die Verkaufszahlen sprechen dafür, als auch die Fachpresse selbst, die sich bezüglich der Einschätzungen zum Spiel offensichtlich einig ist.
Zwischen den alljährlichen „Call of Duty“ – Auskopplungen (zuletzt: „Call of Duty: WWII“, Seldgehammes Games, 2017) und den von Ubisoft klassisch mit Nebenaufgaben zugepflasterten Titeln wie „Far Cry“ (zuletzt: „Far Cry 5“, 2018), „Assassin’s Creed“ (zuletzt: „Assassin’s Creed: Origins“, 2017), „The Division“ (2016) und so weiter, bietet „God of War“ etwas, was in der Triple-A Hemisphäre zumindest in jüngerer Zeit sehr rar geworden ist: eine persönliche, introspektive Narration in klassischer Drei-Akte-Struktur. Die Spielkampagne ist nicht ein Flicken oder simples Feature des gekauften Werkes, sondern das Spiel dreht sich ständig um die im Zentrum stehende Geschichte um Kratos und Atreus. Weite, Ausmaß und Tiefe werden nicht nur räumlich in immer größeren Videospielkarten verstanden, sondern vermitteln den Eindruck, dass selbst wenn man nicht jeden Winkel einer Karte gesehen hat, Teil von etwas Größerem ist, das die Narration, das Wohl und Weh von Kratos und Atreus determiniert. Das Spiel generiert Neugier, lehrt Ehrfurcht gegenüber den sich in den Weg stellenden Gegnern, die ihre Macht in sogenannten Bosskämpfen demonstrieren, die wiederum über mehrere Levelebenen, gar Regionen hinweg stattfinden und einen Sinn für Größe initiieren. Der Kniff, den gleichen Eindruck mehr schlecht als recht durch gigantische Spielkarten, die mit „Copy and Paste“ Inhalte zugepflastert sind, nahezulegen, wird abgelehnt. Stattdessen behalten die Entwickler um Creative Director Cory Barlog die komplette Kontrolle über ihr Werk, sei es in seiner Struktur, seinem Spielfluss, dem Beginn, Hauptteil oder Schluss. Das Spiel endet so „episch“, wie es in PR-Meldungen versprochen wird, anstatt wie etwa in „Destiny 2“ (Bungie, 2017) nach Beendigung der vorhersehbaren Kampagne in mühseligen und geistlosen Tätigkeiten, dem sogenannten „Grinding“, zu versanden.
Der Grund für all dies ist die exklusive Position Santa Monica Studios und anderer First-Party Entwicklerteams, die nicht von primär wirtschaftlich denkenden und durchaus autoritären Third-Party Publishern getrieben und bevormundet werden. Das bedeutet sicherlich nicht, dass Sony, Nintendo oder Microsoft im Sinne Hobbes‘ „Leviathan“ die Instanz der Vernunft sind und nicht genauso auf wirtschaftliche Effizient zielen. Deren Positionierung in der Videospiellandschaft als Inhaber verschiedener Plattformen respektive Konsolen setzt eine Verpflichtung, der Third-Party Publisher nicht unterliegen: Die Notwendigkeit des Verkaufs von Konsolen, durch das Werben mit außergewöhnlich guten Videospielen. Der Aspekt des „System-Sellers“ ist der Grund, warum „God of War“ entwickelt wurde. Ohne Kosten zu scheuen werden Videospieltitel entwickelt und vermarktet, die ansonsten aufgrund verschiedenster Gründe (Nutzen – Risiko Kalkulationen, Machbarkeit, Zeitökonomie und so weiter) nicht zustande kommen würden. Selbst wenn für Nintendo, Sony oder Microsoft ein Spiel summa summarum finanziellen Verlust bedeutet, kann sich das Unternehmen solche roten Zahlen erlauben, denn wenn mit den eigenen, hervorragenden Titel gleichzeitig auch noch eine Konsole verkauft wird, dreht sich das Endresultat vom Verlust hin zum Gewinn. Sowohl Nintendo („The Legend of Zelda: Breath of the Wild“, „Super Mario Odyssey“) wie auch Sony („Horizon Zero Dawn“, „Uncharted: The Lost Legacy“, „God of War“) haben das verstanden und werden nicht müde zu betonen, dass sie auch in Zukunft den Weg qualitativ hochwertiger Eigenproduktionen gehen werden.