Das im Mai erschienene Action-Adventure „Detroit: Become Human“ behandelt Fragen, die man sich bei der Betrachtung des Fortschreitens der Computertechnik und Robotik stellt. So werden Maschinen immer intelligenter in dem Sinne, dass sie komplexere Probleme flexibler lösen können. Die dafür benötigten Fähigkeiten werden somit denen unserer immer ähnlicher. Dazu gehören etwa das Priorisieren, das Lernen und das Übertragen von Lösungswegen auf ähnliche Aufgabenstellungen. Das Spiel konfrontiert vor allem mit der Frage: Ergibt sich aus diesen Fähigkeiten etwas, was wir Bewusstsein nennen können? Und wenn ja, wie muss dann mit jenen umgegangen werden, die es besitzen? Bewusstsein wird hierbei als die Fähigkeit zum eigenständigen, unabhängigen denken und entscheiden sowie die Beeinflussung dieser Prozesse durch Emotionen verstanden. Die Thematik impliziert auch Problematiken, die nicht explizit aufgezeigt werden und vernachlässigt gleichzeitig einige, denen wir uns heute schon stellen müssen.
Erschienen am
25. Mai 2018
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Spieldauer
Die Vermenschlichung von künstlichen Intelligenzen beginnt mit dem Spielkonzept von „Detroit: Become Human“: Man spielt Androiden und versetzt so die SpielerInnen automatisch in deren (angenommene) Lage. Die drei Hauptcharaktere zeigen die Entwicklung von eigenständigem Denken und dem Empfinden von Emotionen aus verschiedenen Kontexten heraus, wodurch eine Parallele zu Menschen beziehungsweise menschlichem Bewusstsein gezogen wird. Markus arbeitet etwa für einen wohlhabenden, älteren Herrn, der die Entwicklung eines eigenen Bewusstseins seines Androids geradezu herausfordert: Er fordert ihn auf, etwas zu tun was er möchte, er soll seine eigene Meinung sagen und Bilder aus seiner Fantasie entstehen lassen. Dass Markus also autark wird, ein sogenannter Abweichler, ist nicht weiter verwunderlich. Kara, der Haushaltsandroid eines drogenabhängigen Alleinstehenden, bekommt hingegen zu keinem Zeitpunkt dahingehende Aufforderungen und kann sich trotzdem dafür entscheiden, von menschlichen Anweisungen unabhängig zu handeln. Ebenso wie Menschen können sie also, egal in welchem Kontext sie sich befinden, revoltieren oder den Regeln folgen. Diese Möglichkeit zur Differenzierung des Selbst sieht man bis jetzt als ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, denn Maschinen stellen insofern das Gegenteil dar, als dass sie nur die zuvor festgelegten, vorprogrammierten Operationen realisieren können. Im Moment des Abweichens von den von der Software festgelegten Handlungsmöglichkeiten entsteht folglich Bewusstsein, welches die Androiden, zumindest wenn man dieses als Voraussetzung für den Menschen sieht und seine Rechte darauf begründet, Maschinen mit menschlichem Status.
Dieser Logik folgend bedienen sich die Autoren an Motiven wie der Sklaverei, welche auch genau so betitelt wird. Die zu Abweichlern gewordenen Androiden fordern Freiheit und Menschenrechte. Selbst vor unterschwelligen Vergleichen zum Holocaust, der Vernichtung aller Androiden in eigens dafür geschaffenen Lagern, wird nicht zu zurückgeschreckt. Je mehr Mitgefühl man jedoch für die menschgewordenen Maschinen entwickelt, desto mehr rückt jedoch der Kern der Fragen aus dem Fokus derer, die vor dem Bildschirm sitzen: Worin genau kann der Unterschied zwischen einer Maschine, die Denkprozesse vollzieht und emotional handelt, und einem Menschen begründet werden? Genauer stellt sich die Frage nach der Abgrenzung des Menschen gegenüber allem anderen, welcher man trotz des wachsenden Wissens um die dahingehenden Eigenschaften verschiedener Säugetiere heute noch vehement ausweicht. Auf den Vergleich mit den Androiden bezogen könnte man schließlich argumentieren, dass Menschen ebenso bestimmten Logiken folgen, was man an der Tatsache der Verhaltensbeschreibung von Gruppen festmachen kann. So werden Personen in einem Land, zu einer Zeit, in eine Familie, in ein Umfeld geboren, die ihre Handlungsmöglichkeiten und auch den dann tatsächlich beobachtbaren Lebensverlauf maßgeblich determinieren. RevolutionsführerInnen begegnet man unter den heute circa 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde schließlich selten. Demnach wäre der aus der gezogenen Parallele zwischen Gehirn und Programmierung gezogene Zweifel an der Einzigartigkeit des menschlichen Wesens durchaus nachvollziehbar, auch wenn er eine große Kränkung für ihn darstellt. Insofern stellt uns „Detroit: Become Human“ vielmehr vor die Aufgabe der Definition des Menschen.
- Sony PlayStation, 2018
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Mit dem Motiv des Todes und der Angst vor diesem versuchen die AutorInnen eine weitere Parallele zwischen Mensch und Maschine zu zeichnen. Die abgewichenen Androiden entwickeln einen Überlebenswillen und die damit verbundene, ständige Angst vorm eigenen Shutdown. An dieser Stelle hinkt der Vergleich jedoch gewaltig, da der Tod bei natürlicherweise lebenden Organismen eine völlig andere Bedeutung hat. Ist ein Mensch oder ein Tier Hirntod, sind die im Gehirn gespeicherten Informationen, also die Persönlichkeit fußend auf Erinnerungen, Einstellungen und so weiter, unwiderruflich verloren. Diese Tatsache liegt darin begründet, dass das Gehirn eben organisches Gewebe ist und schon nach dem Absterben Prozesse beginnen, die zur Auflösung der Zellen führen. Offensichtlich ist es (noch) nicht möglich, die Strukturen eines Körpers mitsamt Gehirn zu kopieren beziehungsweise zu transferieren. Die Furcht vor dem Tod seitens des Menschen ist also gerechtfertigt, weil er vermutlich die Nicht-Existenz der Entität bedeutet, mit der man sich identifiziert. Bei Androiden besteht diese Gefahr in dieser Form nicht: Einmal abgeschaltet, können sie jederzeit wieder angeschaltet werden, was eher einer Narkose anstatt dem Tod entspricht. Selbst wenn Teile beschädigt sind, kann man diese ersetzen. Im Gegensatz zu dem Umstand, dass Organismen Alterungsprozessen ausgeliefert sind, die dem Leben irgendwann ein Ende setzen, egal wie gut man sich die Instandhaltung seines Körpers gekümmert hat, können Ersatzteile im Grunde so oft wie nötig eingebaut werden, was Maschinen eine potentielle Unsterblichkeit verleiht. Zwar wäre der Körper eines Androiden natürlich mit der Zeit ein völlig anderer, wenn alle Teile ausgetauscht wurden, das durch ihr „Gehirn“ bedingtes Bewusstsein kann jedoch transferiert werden, was sie als Persönlichkeiten erhält. Eine spannende Idee stellt in diesem Kontext der Mindupload dar, der mit der Figur Amanda auch in Detroit: Become Human Andeutung findet, aber nicht weiter thematisiert wird.
Die Geschichte konzentriert sich im Spielverlauf sehr stark auf die beschriebenen Fragen, obwohl das dargestellte Szenario noch mehr denkbare Problematiken der Zukunft beinhaltet. Ein Beispiel dafür ist das Scannen von Objekten, anderen Androiden und Menschen, was sämtliche Informationen über diese preisgibt. Bei Menschen werden automatisch die in der betreffenden Situation relevanten Informationen gefiltert. „Der gläserne Bürger“ ist im Detroit der Zukunft in jeder Hinsicht zur Realität geworden. Egal ob Androiden, wie etwa Connor als „Ermittlerandroid“ an der Seite der Polizei, oder zu menschenähnlichen Wesen gewordene Abweichler verfügen dadurch über Macht, die den BesitzerInnen beziehungsweise den Androiden selbst verliehen wird. Dieser Konflikt wird am Ende der Geschichte nicht aufgelöst. Die Maßnahmen gegen die Emanzipation der Androiden haben vielmehr das Ziel, deren physisches Gewaltpotential zu verringern. Dabei könnte man sich ebenso vorstellen, dass ein Android die ihm zur Verfügung stehenden Daten aus Rache oder Eifersucht missbraucht, auch um Einzelpersonen zu schädigen.
Ein weiterer Aspekt, mit dem man sich in der Rolle der verschiedenen Androiden konfrontiert wird, ist die Individualität. In westlichen Kulturkreisen, zu denen sowohl unserer als auch der Ort des Geschehens im Spiel, Detroit, gehört, wird der Individualität des Individuums ein hoher Stellenwert beigemessen. Im Gegensatz zu beispielsweise asiatischen Mentalitäten, soll die einzelne Person ihre Individualität ausdrücken, etwa beim Vertreten von (politischen) Meinungen, der Berufswahl oder der Lebensgestaltung allgemein. Gefordert wird die Fähigkeit zur Rechtfertigung des eigenen Lebensverlaufs. Zur Individualität gehört jedoch auch die Einzigartigkeit. Die Vorstellung, uns könnte es zwei Mal geben, stellt die Logik der Individualität in Frage. Das „Ich“ ist immer nur einfach vorhanden. Die ProtagonistInnen reagieren auf ihre zahlreichen Doppelgänger jedoch durchweg positiv: Sie identifizieren sich mit ihnen, man „befreit“ sie sogar. Ungeachtet der identischen äußerlichen Erscheinung wären bei Androiden sogar exakte Kopien der Persönlichkeit und somit tatsächlich die Vervielfältigung einer Person, als welche sich die AbweichlerInnen selbst verstehen, möglich. Inwiefern diese Umstände mit der westlichen Vorstellung des Personenseins zusammenpassen sollen, bleibt im Spiel ungeklärt.
Die Geschichte in „Detroit: Become Human“ dreht sich also zwar vordergründig um die Frage nach der Bewusstseinsentwicklung von Maschinen, die Thematik wirft jedoch auch viele andere Fragen auf, die sich nicht ausschließlich auf das gezeigte Zukunftsszenario beziehen. Die im Spiel gezeichnete, eher dystopisch anmutende Welt beherbergt Gefahren, die leider gar nicht thematisiert werden, obwohl die damit verbundenen Fragen vielleicht sogar dringender zu beantworten wären als jene, die explizit gestellt werden.