Resident Evil 2 Hirn aus, durchziehen, Spaß haben

Hannes Letsch7 Minuten Lesezeit

Übersicht
Capcom, 2019

Die Erinnerungen an das originale „Resident Evil 2“ (Capcom, 1998) sind sehr vage. Auf der ersten Playstation spielend saß man viel zu jung nachmittags vor einem flackernden Röhrenfernseher und gruselte sich am helllichten Tage vor der beklemmenden Atmosphäre, die auf dem Bildschirm und durch die eher schlechten Lautsprecher des TVs übertragen wurde. Geheime Forschungslabore deren Existenz aus ungeklärten Gründen nicht in Frage gestellt wird, Spezialeinheiten, die fiebrig nach diesen suchen und sozusagen in die böse „Umbrella Corporation“ stolpern, um die Entstehung von Zombies durch Superviren zu beobachten, waren und sind die basalen Geschichtsimpulse, die das Spiel ausmachen. Kurzum: Als Claire Redfield oder Grünschnabelpolizist Leon S. Kennedy hetzt und zittert man sich in Survival-Horror Manier durch Raccoon City, einer von Zombies und anderen Gewürm überrannten Stadt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Resident Evil 2 - Launch Trailer
Capcom, YouTube, 2019

Eine Geisterbahnfahrt

Im Meer der vielen Remakes und Remasters, die momentan von verschiedenen Publishern auf den Markt geworfen werden, sticht „Resident Evil 2“ heraus. Man hat sich augenscheinlich sehr viel Mühe gegeben, das ursprüngliche Spiel in eine modernere Version zu übersetzen, ohne die identitätsstiftenden Ideen und Konzepte über den Haufen zu schmeißen. Anstatt einer gewissen, temporär existierenden Überzeugung wie etwa „Mehr Action!“ zu folgen, strich man nur diejenigen Dinge der Vorlage, die aus damaliger Sicht gut, aus heutiger aber viel besser übersetzt respektive umgesetzt werden können. Den Zugang lieferte die gleiche Engine, die auch „Resident Evil 7 Biohazard“ (Capcom, 2017) zu seinem Erfolg verhalf: Die Vorlage arbeitete mit statischen Kameraperspektiven, unzähligen Toröffnungsanimationen und vorgerenderten Hintergründen durch die sich aus heutiger Sicht unästhetische Figuren bewegt haben. Grob gesprochen an „Resident Evil 4“ (Capcom, 2005) angelehnt wurde all dies qua Third-Person, Schulterkamera und kompletter dreidimensionaler Umgebung so verändert, dass das Konzept nicht korrumpiert wurde.

Claire Redfield im Kampf gegen einen der stärkeren Zombies.
Capcom, 2019

„Resident Evil 2“ nimmt sich im Vergleich zu anderen Remakes viel mehr Freiheiten heraus. Allein die Spielperspektive generiert ein signifikant unterschiedliches Spielergebnis, denn sowohl die viel flüssigere Steuerung der Figur und die neuen Sichtmöglichkeiten auf die dunklen Gänge und Ecken, das heißt fast die gesamte Betrachtungsart, lassen ein neues Spiel entstehen, obwohl die Szenerie und die Handlung im Grundsatz das ursprüngliche „Resident Evil 2“ aus dem Jahr 1998 abbilden. Es schließt bündig an die Geschehnisse aus dem ersten Teil (Capcom, 1996) an, lässt einen während der Exploration der verschiedenen Level zumeist untermunitioniert immer taktisch an die eigenen Ressourcen denken, fordert das Lösen von ein paar Rätseln ein, beinhaltet einige Flaschenhalsmomente, in denen einen bestimmten Gegenstand benötigt wird, um in der Handlung voranzuschreiten und bietet einige, wohlbekannte Kampfspielmechaniken, die in vielen anderen Videospielen verwendet werden.

Die Zombies im Spiel agieren und verhalten sich außerordentlich authentisch.
Capcom, 2019

Die daraus entstehende Geisterbahnfahrt durch eine von Gewürm durchzogene Stadt wirkt in Retrospektive, das heißt nach dem Durchspielen, sehr plump. Teilweise werden wesentliche Spielinhalte nicht narrativ eingebunden. Warum existieren zum Beispiel in einer Polizeistation, die als eigene Basis dient, eigenartig markierte Schlösser, die man nur mit Amuletten öffnen muss? Es existieren zu viele dieser Geschichtskrücken, die sich, wenn überhaupt, nur teilweise in die Handlung einpassen und sich sogar in der eigenen Spielfigur wiederspiegeln, weil sich diese nicht in die jeweilige Situation investiert, sondern Gleichgültigkeit ausstrahlt. Einerseits spiegeln sie nostalgisch einen Marker vergangener Zeiten, in der das Spieldesign keinen Fokus darauflegte, andererseits transportiert es eine Willkürlichkeit, die einen Spielenden im Jahr 2019 aus der Immersion katapultieren kann.

Polizeistation von Raccoon City
Capcom, 2019

Die Problematik der ludonarrativen Dissonanz, in der Ereignisse, die aus der Spielhandlung entstehen und zeitgleich der erzählten Handlung wiedersinnig gegenüberstehen, kann auf logischer Ebene für „Resident Evil 2“ zum Problem werden, erst recht in heutigen Zeiten. Interessanterweise scheint aber genau dies das Gefallen am Spiel laut den vielen Kommentaren und Tests nicht einzutrüben. Der Spieler, der im Vergleich zu seiner seriös und alles ernstnehmenden Spielfigur, den Gesamtüberblick besitzt, hat die Option über die narrativen Stolpersteine hinwegzusehen oder aber alles ungehemmt als spaßigen Nonsens abzutun. Der Ansatz des Spiels zeigt, dass zumindest im Original die Idee bestand, ein Mitfühlen und Mitleiden zu initiieren, was aber mit fortschreiten der Erzählweisen in modernen Videospielen mittlerweile mehr denn je wackelt. „Resident Evil 2“ ist unterhaltsam und mach Spaß, aber ohne zu berühren. Wer das Spiel ein zweites Mal durchspielen möchte - und dies sogar mit der anderen der beiden spielbaren Hauptcharaktere - wird frappierend auf völlig unerklärliche Zustände stoßen. Die Tatsache, dass Claire Redfields Geschichte zeitlich hinter der von Leon S. Kennedy stattfindet, gleichzeitig aber die identischen Rätsel wie Leon zu lösen hat, beweist dies. Grundsätzlich ist die Zwei-Perspektiven-Idee des Spiels eine Gute und auch im Sinne des Wiederspielwerts zu loben, bedeutet aber eine gewisse Gründlichkeit, um nicht immersionsbrechend zu wirken. Genauso können die Geschichte, gezeichneten Charaktere und bedienten Klischees manchen mitreißen, aber nur dann, wenn man nicht zu tief die inhärente Logik hinterfragt.

Survival-Horror Aspekte

Betrachtet man „Resident Evil 2“ als Survival-Horror, so sollte auf spielerische Ebene Spannung entstehen, indem einerseits das eigene Überleben zu kaum einen Zeitpunkt garantiert ist und andererseits grundsätzlich durch das Horrorszenario eine gewisses „auf Zehenspitzen stehende“ am Controller bewirkt. Beides zeichnet das Spiel aus. Es macht von vorneherein klar, dass es nicht modern gespielt werden darf. Nicht jeder Zombie kann erledigt werden, denn die Munition ist vor allem auf den höheren Schwierigkeitsstufen viel zu rar gesät.

Resident Evil 2 Zombie Hunde
Capcom, 2019

Die Gefahr des Scheiterns, das Abwägen und Spekulieren beim Betreten jedes Raumes oder Korridors sorgt für eine gewisse Unsicherheit, die das Spiel herausragend werden lässt. Nicht zu wissen, ob ein Zombie passierbar ist oder doch beißt sowie die nur groben Angaben zum eigenen Gesundheitsstatus sind designtechnisch clevere Ideen, ein Survival-Horror-Szenario entstehen zu lassen. Der Spieler wird absichtlich nicht volltransparent aufgeklärt, kann sich nur durch die Beweglichkeit seiner Figur auszeichnen, hofft aber ständig nicht erwischt zu werden, weil zu wenig kalkulierbar ist. Der integrierte Kompromiss, beim Schießen respektive in der Konfrontation mit einem Gegner sehr träge und statisch zu werden, arbeitet diesem Konzept perfekt zu. Abseits verschiedener Speicherpunktergänzungen gegen Frustrationsmomente ist die Entscheidung diesen Kern der Vorlage zu behalten die Ursache für den Erfolg der modernen Auflage.

Übernommene Relikte

Ein weiteres Relikt der 1990er ist die Schaffung von Wiederspielwert durch unterschiedliche Spieldurchläufe, denn die Zweitdurchgänge von „Resident Evil 2“ mit der jeweiligen anderen Spielfigur sind im Vergleich zum Erstdurchgang desselben Charakters in Ressourcenknappheit und Gegnerstärke zum Schwereren hin abgewandelt. Der Abwandlungsaufwand in Zwischensequenzen und Handlungselementen ist erstaunlich hoch und dennoch sind zu viele Spielbestandteile zu oft identisch. Die neuen Inhalte im zweiten Durchgang müssen somit durch das Verschlingen von viel Redundanz erkämpft werden, was dem Spielspaß konträr gegenübersteht. „Resident Evil 2“ ist somit auch viel verschenktes Potential, das als neuerlicher Leuchtturm dem repetitiven Spielen etwas entgegenhalten könnte. Es hemmt das Spiel, belässt es auf dem Niveau eines unterhaltsamen Werkes für ein paar Spielabende und verkörpert den Inbegriff eines zweischneidigen Schwertes auf vielen Ebenen. Während etwa die Zombies im Spiel sehr viel Detailarbeit aufzeigen, gestaltet sich das Kämpfen und Schießen etwas ruppig. Das Survival-Horror-Szenario geht komplett auf, die Geschichte als teilweise unterhaltsam oder generisch zu bezeichnen, ist dagegen als sehr wohlwollend zu sehen. Wege, die die Designer vorgegeben haben, sind die einzigen. Das Retrofundament ist spürbar, dürfte durch die wirkende Nostalgie einiges überspielen, lässt einen aber in retrospektive teils zufrieden, teils unzufrieden zurück.

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