Viele Spielstunden später, in der das Emotionspendel zwischen den Polen Frustration und Gelassenheit energisch hin- und herschwang, sind die Ähnlichkeiten zu anderen Spielen wie „Dark Souls 3“ oder „Monster Hunter: World“ (Capcom, 2018), deren Zugang zu Geschichte und Spielwelt nicht sperrangelweit ausgestaltet sind, offenkundig: „Sekiro: Shadows Die Twice“, wie fast jedes FromSoftware Spiel, fordert vom Spielenden eine Investition in Form von Adaptivität und Akzeptanz, weil dessen metaphorisch gesprochene Taktung, der Spielrhythmus bis zur optisch-auditiven Tonalität ansonsten nicht gänzlich verstanden werden kann. Jede Partie um Frustration und der auf Spieldesignebene wohlkalkulierten Erleichterung, wenn eine knifflige, schwierige Stelle gemeistert wurde, ist wesentlich respektive Kern des Spiels. Scheitern ist wie im „Dark Souls“ Konzept die Ermutigung, es nochmals zu versuchen. Die Belohnung ist die Souveränität und die momentane Erleichterung, die sich bei erfolgreichem Beenden einstellt. Jeder (Zwischen-)Boss repräsentiert nicht sichtbare Hürden bis Meter hohe Wände, die abgewogen designt den Spieler ohne Wenn und Aber dazu zwingen, die grundlegenden Spielmechaniken zu meistern. Wer etwa vom Blocken und Parieren nicht viel hält, dessen Art und Weise zu kämpfen nicht mag, wird höchstwahrscheinlich mit diesem Videospiel nicht glücklich werden.
Erschienen am
22. März 2019
Entwickler
Plattformen
Spieldauer

Es transportiert, wie kaum ein anderes Spiel, mittelalterliche bis neuzeitliche, japanische Architektur, Vorstellungen, Mythen und Sagen furchteinflößender Gestalten, die von den Entwicklern in ein Sengoku-Szenario versetzt wurden. Sengoku (1477 – 1600) war ein bewegendes Zeitalter in der japanischen Geschichte, in der sich über 120 Jahre Krieg an Krieg reihte und in letzter Konsequenz das Land verwüstete. Streitereien und Unruhen wurden politisch zusätzlich aufgeheizt, was zur Auslöschung prominenter japanischer Familien führte und die Machstruktur nachhaltig völlig umgestaltete. Angesichts des enormen Ausmaßes der Kämpfe ist Sengoku eine beliebte Zeit, sowohl für Historiker in Form eines Untersuchungsgegenstandes als auch für fiktive Schriftsteller, die sich in der Regel auf die Schlacht von Sekigahara im Jahr 1600 und die darin verstrickten Hauptcharaktere konzentrieren. „Sekiro: Shadows Die Twice“ folgt dieser Neigung nicht, sondern erstellt eine fiktive Version von Japan und der Sengoku-Zeit, fügt mythische Elemente hinzu, wie eine ominöse, uralte Blutlinie und einen sagenumwobenen Drachen, um die Geschichte inhaltlich zu füllen. Allein deshalb empfiehlt es sich, das Spiel auf Japanisch mit Untertiteln zu spielen. Online-Guides sind womöglich nötig, weil das Spiel nicht linear in seiner Geschichte aufgebaut ist, sondern ganz im Gegenteil die Exploration als Gestaltungsmittel nutzt.

Die Spielwelt ist vollgestopft mit Nobunaga (1534 – 1582) und Tokugawa (Shogun-Dynastien, 1603 – 1868) Referenzen. Im Gegensatz zu früheren Werken liefert FromSoftware die Geschichte des Spiels auf eine einfachere Art und Weise. Einerseits durch die gespielte Hauptfigur mit dem Kosenamen „Wolf“, die sich selbst äußert und im Laufe der Zeit charakterlich leicht weiterentwickelt und andererseits durch viele selbstgeführte oder beobachtete Dialoge auf dem Weg des Abenteuers, die Perspektive liefern und rahmengebend zwischen vereinzelten Zwischensequenzen sind. Alles wird mehr oder weniger klar zumindest in Textform erklärt, zumal Dialoge so oft wie gewünscht abermals angehört werden können. Somit entwickelt sich die Geschichte kohärent und nicht derart fragmentiert, wie es das „Dark Souls“ Konzept favorisiert und dadurch ohne nötiges Hintergrundwissen oftmals verschlossen bleibt. „Sekiro: Shadows Die Twice“ ist japanische Folklore und neue Interpretation der Yokai, Figuren des japanischen Volksglaubens, die am ehesten mit Monstern vergleichbar sind und den Stoff für sämtliche Bosskämpfe bilden, um FromSoftwares Idee einer Shinobi Fantasie zu komplettieren.
Die endlose Debatte um etwas Substanzloses
„Sekiro: Shadows Die Twice“ benötigt gewiss keinen, sogenannten „Easy Mode“, wie es so manche Kreise aus dem Umfeld der am Spiel Interessierten fordern. FromSoftware scheint aufgrund seiner Spielphilosophie ungewollt Personen daran zu erinnern, die immerwährende, gleiche Schallplatte mit dem Titel „Ist das Spiel zu schwer?“ abermals aufzulegen, um eine bereits aufgeheizte Konversation um „Gatekeeping“ und Profilierung, die längst die Substanz missen lässt, noch weiter ins Ungeheuerliche zu verschieben. „Dark Souls 3“ (FromSoftware, 2016), „Cuphead“ (Studio MDHR, 2017) und nun „Sekiro: Shadows Die Twice“ sind Spiele, die bezüglich ihres herausfordernden Schwierigkeitsgrades vermarktet wurden. Die dahinterstehende Verkaufsstrategie scheint womöglich Ursache für dieses Schlamassel zu sein.
Are people really incapable of any sort of difficulty? So what if a player struggles? It’s the only way they’ll get good.
An beide Fragen sei mit einer Gegenfrage angeschlossen: Und was ist, wenn ein Spieler nicht am Controller zu kämpfen hat? FromSoftwares Konzept, wie auch alle anderen Spiele ähnlicher Machart, sind diese Fragen egal, weil sie die Eigenheiten des Konstrukts Motivation respektive Herausforderung unter Inkaufnahme von Frustration (be)nutzen. In diesem Zusammenhang wäre die Frage, was Menschen, getrieben von einer diffusen Besorgnis vor Exklusion und dem Verlust von Exklusivität automatisch dazu antreibt, solche Debatten immer und immer wieder für interessant zu halten, zielführender. Die grundsätzliche Frage, worin die Problematik liegt, wenn jemand Unterhaltung darin findet, ein Spiel in einem Unbesiegbarkeitsmodus zu genießen, bleibt - weil rein subjektiv geführt - unbeantwortet. Mit Perspektive auf die momentane Videospielindustrie im Triple-A Segment wirkt die Diskussion noch deplatzierter. Die zurzeit wirkenden Überzeugungen in wesentlichen Bereichen der Videospielindustrie, in der es immer schwerer wird, spaßige Spiele zu finden, die nicht versuchen, die dem Spielspaß inhärenten, psychologischen Mechanismen auf wirtschaftlicher Ebene zu ge- beziehungsweise missbrauchen, darf nicht ignoriert werden.
The goal that I had in bringing a lot of the packaged goods folks into Activision about 10 years ago was to take all the fun out of making video games.
– Bobby Kotick
Koticks Hinweis darauf, dass man versucht, Videospiele weniger spaßig zu gestalten, um den fehlenden Spielspaß gegen verschiedenste, zusätzliche Obolusse einzutauschen, war nicht die Aussage eines Spinners, sondern womöglich ein zu selbstsicherer Versprecher tatsächlicher Denkweise und Überzeugung. Die Videospielindustrie arbeitet viel zu hart daran, Videospiele weniger Spielspaß einzuhauchen. Derartige Diskussionen um „Easy Modes“, die kaum inhaltliches transportieren, sind destruktiv, weil von der Community aufgenommen, eigenverschuldet der Spielspaß gegenseitig on-top reduziert wird.

„Sekiro: Shadows Die Twice“ steht dem entgegen, auch wegen seiner Herausforderungen, die durch rigorose Bestrafungen bei Scheitern und den ausgeklügelten Bosskämpfen entstehen. Offensichtlich hatte FromSoftware ein durchdachtes Balancingsystem im Kopf, als das Studio in Tokio begann, das Spiel vor circa vier Jahren zu konzipieren. Das Totschlagargument, die „kreative Visionen der Entwickler“ zu respektieren und Spielmodi gen „Leicht“ nicht einmal in den Mund zu nehmen (vgl. z.B. Business Insider), würde all jenen wieder auf die Füße fallen, wenn die Entwickler von sich aus nachträglich doch noch Erleichterungsmodi einbauen würden: Denn schließlich gilt nach der Überzeugung derart Argumentierender, dass die kreative Vision des Entwicklers zu wahren ist.

Sobald ein Spiel wie „Sekrio: Shadows Die Twice“ auf seine Schwierigkeit reduziert vermarktet wird, scheinen „Mods“ nicht länger akzeptiert zu werden (vgl. z.B. PC Gamer), im Gegenteil: Geklagt wird, wenn solch ein Werk verschiedene Schwierigkeitsmodi besitzt, genauso wenn sie fehlen. Sollte jemand versuchen das Einzelspielererlebnis zu modifizieren, resultiert die gleiche, ablehnende Reaktion. Das Nirvana des „geskillten“ Spielers scheint das einzige, geteilte Akzeptable zu sein. Solange der Weg dorthin ein spaßiger ist, ist diesem Ziel nichts hinzuzufügen. „Sekiro: Shadows Die Twice“ möchte das Lernen und Besserwerden spaßig gestalten. Die höchstwahrscheinlich seitens des Marketings des Publishers angestoßene, von einer seltsamen, kompetitiven Überzeugung geleitete Diskussion leistet dem Ganzen einen Bärendienst. Die Konzentration auf die emotionale Achterbahnfahrt um die Geschichte des Wolfs geht im Gemenge gegenseitiger Vorwürfe und Scheinargumentationsketten zu sehr unter. Selbst wenn das Spiel womöglich nicht die Diversität eines „Dark Souls 3“ reproduzieren kann, so ist es für sich stehend in der Entwicklung des vorgestellten Spielkonzepts bemerkenswert und sollte dafür primär Aufmerksamkeit in sämtlichen Diskussionsforen, Magazinen, Blogs und so weiter erhalten.