Nimmt man das Wort „Halo“ in den Mund, so ist im selben Atemzug das Wort „Bungie“ zu nennen, ist das Spielestudio aus Chicago nicht nur der Gründer beziehungsweise Erschaffer der Reihe, sondern auch mit und dessen Spielkonzept und dem vor allem daher rührenden Erfolg des Titels eng verbunden. Über 65 Millionen Exemplare der verschiedenen Serienteile wurden mittlerweile an die Spielerschaft gebracht - der Erfolg des Franchise‘ verlief über die Zeit hinweg kontinuierlich und ist mit dem der Xbox eng verbunden. Nicht nur an den nackten Verkaufszahlen lässt sich die Bedeutung von „Halo“ ablesen, denn genau wie „Quake“ oder andere Klassiker darf sich „Halo“ laut den mehrheitlichen Einschätzungen der Videospielgemeinde in diese elitäre Riege einreihen.
Seit dem Jahr 2007 ist allerdings nicht mehr die Mutter Bungie für die Entwicklung verantwortlich, sondern 343 Industries, das zumindest mit dem letzten Titel mehr Kritik als Lob aufgrund von eklatanten Fehlern und Problem in der Konnektivität- und Spieletechnikeinheimste („Halo – The Master Chief Collection“, 2014), sodass das „Halos“ Image anfing, beträchtliche Risse zu bekommen. Bungie hingegen widmete sich „Destiny“, seinem zweiten, jüngeren Kind, das vergangenen Herbst debütierte und genauso so groß werden sollte wie zuvor „Halo“. Leider wurde es den zuvor überhöhten Erwartungen nicht gerecht: Mit „Destiny“ wurde und wird immer noch eine große Kontroverse verbunden, versprach das Videospiel Innovatives, lieferte allerdings nebst schöner Grafik und guter – durch die Arbeit an „Halo“ bereits perfektionierter Spielmechanik eher langweilige Szenarien, Einschränkungen und kaum nachvollziehbare, weil irrational anmutende, Belohnungs- und Itemsysteme.
Das neue Kind
Bereits vor der Veröffentlichung im September 2014 wurde über „Destiny“ heiß diskutiert: Die Frage, ob all das, was im Vorfeld seitens der Entwickler versprochen oder angedeutet wurde, auch einhaltbar sei, wurde von einigen skeptisch betrachtet, von anderen hingegen euphorisch herbeigesehnt. Falsche Erwartungen wurden in jedem Fall gehegt, da Bungie wie auch Publisher Activision relativ vorsätzlich ein Science-Fiction Szenario vermischt mit Fantasy Inhalten in Teasern und Präsentationen verkauften, was sich danach aber als ein reines „Loot and Shoot“ Spiel, ein „Grind Fest“ entpuppte. Vage Andeutungen, kaum Geschichte, gute Shooter-Spielmechanik und eine schöne Kulisse, das war es, was Bungie letztlich mit „Destiny“ lieferte.
Das Wesen von Destiny
Der Spaß am Schießen war wie erwartet gegeben: Wohlmöglich kann in dieser Hinsicht „Destiny“ als das griffigste Ballerspiel bezeichnet werden, das seit Jahren veröffentlicht wurde – und nicht dem Halo-Franchise entstammt. Abseits dieser Spielmechanik lässt sich darüber debattieren, ob Bungies neues Werk Fortschritt oder Rückschritt ist, denn es liefert zum Beispiel vergleichsweise wenige Genre-Standards: Keine Scharfschützenmissionen, keine Geschützsequenzen, keine wirklichen Escort- oder Jagdmissionen. Das Spiel bleibt stets irgendwo im Ansatz stecken und zeigt meist eher nur den Funken der Absicht, sowohl was das Narrative betrifft, wie auch in erweiterten Spielvariationen. Die bisher veröffentlichten DLCs bilden dabei leider keine Ausnahme.
Bekannt ist, dass das Studio aus Illinois Shooter-Spielmechaniken exzellent beherrscht aber noch Schwierigkeiten hat, mit „Destiny“ ein Universum aufbauen, um interessante Geschichte erzählen zu können. Diese Diskrepanz zwischen Exzellenz und Mangel dürfte sich aus der Historie des Studios speisen: Zumeist bot jedes Spielkonzept des Studios eine recht solide Grundlage, auf der es sich aufbauen ließe, nur blieb das Konzept meist nur Kulisse. Die Entwickler nutzen schlichtweg das Grundkonzept nur für die Shooter Spielmechaniken, sodass Tiefgang, Charaktere und Geschichte auf der Strecke bleiben. Zu Gute halten muss man Bungie, dass „Destiny“ zumindest vor einiger Zeit eine viel komplexer machte und eine richtige Geschichte implementiert hat. Laut Recherchen von Michael Obermeier (Redakteur der GameStar) wurde „Destinys“ Geschichte zum Spiel Mitte 2013 massiv gekürzt, was sich anhand von Gerichtsdokumenten belegen lässt.
Auch für das angekündigte, große MMO Shooter Spektakel sind die bisher 20 bis 30 Stunden Kampagne eher dürftig. Die Spielwelt an sich funktioniert: Jeder Planet sieht faszinierend aus, ist bildhübsch gestaltet und man kann die Kulisse auf sich wirken lassen. Allerdings spielen sich nicht viele Geschichten in diesem Kontext ab – wenn überhaupt, dann nur im Kopf des Konsumenten.
Die erwartete Rollenspielerzählweise gab es bisher nicht und man muss wohl auch bezüglich der ersten großen Erweiterung „The Taken King“ eher reserviert bleiben: Standards wie etwa NPCs oder Journale, die einem Geschichten erzählen, gibt es im Spiel bisher nicht und die proklamierte Lösung namens „Bungie.net“ kann nur als eine schwammige Geschichtssammlung bezeichnet werden, die nicht einmal ins Spiel integriert ist und auf höchst unbequeme Art und Weise überhaupt mit dem Spiel zusammenwirkt.
Seit „Halo: Combat Evolved“ (2001) verfolgt Bungie das Prinzip des sogenannten „30-Sekunden-Gameplays“, wie die Entwickler es selbst ab und an nennen. Darunter ist eine Sequenz zu verstehen, die maximal dreißig Sekunden anhalten soll und wie eine Kette repetitiv immer wieder von neuem beginnt; eine Sequenz reiht sich an die vorherige an. „Halo“ wie auch „Destiny“ orchestriert beziehungsweise arrangiert seine Gegner-Ansammlungen so, dass man schnelle Action-Phasen erlebt, woran sich eine kurze Ruhephase der Regeneration wegen anschließt, um sofort das nächste Action-Feuerwerk abzufeuern. Das Spielkonzept klingt monoton, hat allerdings seine Stärken, wenn man Werke des Chicagoer Studios häppchenweise in ein bis zwei Stunden langen Spielepisoden genießt. Dadurch wird die Monotonie in jedem Spielmodus teilweise umgangen, dringt also nicht ins Bewusstsein des Spielers vor, sodass der Spaß am Spiel nie bis zur Verödung und Langeweile vorangetrieben wird.
The Taken King
Summa summarum war und ist der Inhalt bisher „Destinys“ größtes Problem - mit „The Taken King“ (2015) soll nun alles besser werden, wenn es nach den Ansichten der Entwickler geht. The Taken, die neuen Gegner, die man als eine Art Energiewesen bezeichnen kann, sind jedoch weder in spielmechanischer noch in narrativer Hinsicht keine Revolution. Man könnte das bisher Bekannte zu „The Taken King“ durchaus so zusammenfassen, dass Bungie sich dachte, dass beispielsweise die Spielbalance schon vorher super war und jetzt ja nicht zerschossen werden soll, in dem man etwas mehr wagt. Vertraute Mechaniken und vielleicht ein paar erweiterte Variationen sind damit der singuläre Kern von „The Taken Kind“. Diesem (Vor)Urteil stemmt sich Bungie entgegen, man verspricht viel mehr Variation als jemals zuvor gesehen. Was genau sich nun bewahrheitet, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass es nur einen Raid sowie Playstation-exklusive Inhalte geben wird, lassen eher die Skepsis weiter aufblühen, ob das erste richtige Add-On zu „Destiny“ wirklich das liefert, was das Gesamtspiel so dringend braucht: Inhalt.
Das erwachsene Kind
Im Falle „Halo 5: Guardians“, das von 343 Industries entwickelt wird, sind die Erwartungen vergleichsweise niedriger. Böse Zungen würden aufgrund den Erfahrungen mit „Halo – The Master Chief Collection“ (2014) behaupten, man müsse froh sein, wenn man das Spiel überhaupt in Gänze genießen kann. Diese Bedenken können jedoch aufgrund dessen, was bisher seitens der Verantwortlichen präsentiert wurde, zumindest größtenteils zerschlagen werden.
Kampagne im Team
Bisher ist nur wenig über die Missionsszenarien bekannt. Die Entwickler wollen sich verständlicherweise hier weniger in die Karten schauen lassen, um so wenig wie möglich an Geschichte vorweg zu nehmen. Bekannt ist die erste Master Chief Mission, die bereits auf Messen spielbar war: Grafisch war sie zwar nicht wirklich berauschend - eine Raumstation ist nun mal eine recht graue, dunkle Angelegenheit –, die vertikale Nutzung war hingegen interessant. In größeren Hangar-Hallen, die in der Höhe viele taktische Optionen bereithielten, konnte sich das neue, auf Kooperation ausgelegte Konzept sehr gut beweisen: Bis zu drei Mitstreitern arbeiten im Team zusammen und werden entweder von anderen Mitspielern gesteuert oder aber ersatzweise von der KI besetzt. Die kontextsensitive Befehlsteuerung des Master Chiefs ist sinnig und intuitiv gut verständlich, sodass taktische Ansätze trotz KI gelingen können.
Das Ziel herbei ist stets, effizient alle Gegner auszuschalten ohne selber zu viel Risiko eingehen zu müssen, sodass man hier durchaus von einem gewissen Potential gesprochen werden kann, das die Entwickler hoffentlich bis zur Vollendung weitestgehend ausschöpfen. Die Frage, die diesbezüglich im Raum steht, ist, wie man die anderen drei Rollen neben dem Master Chief den Spielern schmackhaft machen kann. Jeder möchte eigentlich Kommandant, Kopf des Vierergespanns sein und nicht nur Handlanger und Befehlsausführer.
Die Antwort der Entwickler ist hierzu einfach wie plausibel: Die vier verschiedenen Charakter sollen sich in ihren Spielmechaniken und Spielweisen voneinander distinkt unterscheiden. So ist etwa der Faktor der Schnelligkeit (Nachladen, Schnelligkeit und so weiter) nicht bei allen vieren gleich gut ausgeprägt. Zusätzlich dazu sollen sich die Dialoge verändern, je nachdem welchen Charakter des Teams man gerade spielt; dadurch sollen sich neue Geschichtsaspekte ergeben, die nur durch das Spielen dieser bestimmten Klasse erfahrbar werden.
Mehrspieler
Die Befürchtung, dass das serientypische Spielgefühl eines Supersoldaten mit dem neuen Entwicklerstudio verloren gehen könnte, bewahrheitet sich nicht:. Der gute Mix aus Nah- und Fernkampfelementen und der vorgestellte „Breakout“ Modus machen Lust auf mehr. Dabei ist der erwähnte Modus ein recht simples vier-gegen-vier Spielprinzip, bei dem jeder Teilnehmer nur ein Leben besitzt und keinerlei Schilde oder andere Verteidigungselemente einsetzen kann. In insgesamt fünf Runden wird ausgetragen, welches Team sich den Gesamtsieg holt. Revolutionär ist „Breakout“ zwar nicht, allerdings wird hier eine potentielle Stärke aus der Kampagne in den Mehrspieler transferiert, denn auch hier ist der Taktgeber das taktische Vorgehen.
Leichte Kopfschmerzen bereiten einem hingegen die sogenannten „Spartan Fähigkeiten“, denn diese neuen Bewegungsmöglichkeiten geben ein sehr ambivalentes Bild ab. Das Ausweichen nach hinten und nach vorne durch schnelles über den Bodenrutschen wirkt noch gelungen, der Rest ist hingegen überflüssig. Der sogenannte „Ground Pound“, bei dem ein Soldat aus der Luft gen Boden schießt, um den Gegner in den Boden zu stampfen, ist extrem umständlich auszuführen und man schwebt zudem zuvor längere Zeit als perfekte Zielscheibe zum Abschuss in der Luft herum, ohne wirklich in der ausgeführten Animation noch Einflussmöglichkeiten als Spieler zu haben. Für den Zuschauer sieht der „Ground Pound“ beeindruckend, jedoch sollte man in spielmechanischer Hinsicht vielleicht überlegen dieses Element wieder aus dem Spiel zu entfernen.
Genauso erschließt sich der Sinn der „Kill Cam“ dem geneigten Halo Fan nicht, denn sie passt einfach nicht zum Spiel: Zum einen sieht der Spieler meistens ohnehin, warum er ins Gras beißen musste und zum anderen lässt die technische Umsetzung bis jetzt noch eher zu wünschen übrig, weil die Wiederholungssequenzen meist nur wenige Millisekunden bevor dem Exodus starten und die Perspektive meistens auch nicht wirklich zielführend ist. Was bei einem „Call of Duty“ noch funktioniert, muss nicht zwangsläufig bei jedem Genre-Geschwister sinnig sein. Auch hier wäre es besser, diese Funktion wieder aus dem Spiel entfernen.
Zu guter Letzt sei die Problematik der schwankenden Verbindungsqualität als größter Kritikpunkt erwähnt. Die Entwickler versprechen zwar, dass es „Dedicated Server“ geben soll, in den Demos berichten Tester allerdings mehrfach, dass die schwankenden Verbindungsqualitäten eher darauf schließen lassen, dass es sich um Peer-to-Peer Verbindungen handelt. Ein Indiz hierfür ist beispielsweise das öfters beobachtete Phänomen, dass Gegner mehrere Salven schlucken konnten, ehe die Auswirkungen auch sichtbar wurden. Man kann nur hoffen, dass die Entwickler von 343 Industries aus dem Fiasko der Halo Master Chief Collection gelernt haben und ihre Versprechungen dieses Mal bis zur Veröffentlichung umsetzen werden.