Tobias Stolz-Zwilling war dieses Jahr stellvertretend für Daniel Vávra auf der Gamescom 2018 und gab dabei einen kurzen Einblick, was seit der Veröffentlichung von „Kingdom Come: Deliverance“ passiert ist und wie der zweite DLC mit dem längeren Titel „The Amorous Adventures of Bold Sir Hans Capon” ins Konzept des Spiels passt.
Kim Sofer Matthias Wie kam es zu diesem DLC, der eigentlich für sich stehend ein eigenes Spiel hätte werden können? Wie ist dessen Passung zum Hauptspiel?
Tobias Stolz-Zwilling „The Amorous Adventures of Bold Sir Hans Capon” ist unser zweites DLC. Hans Capon, der mehr oder weniger Geschmeidige, der die Liebe seines Lebens ergattern will. Der Spieler, der weiterhin die Rolle Heinrichs übernimmt, soll Hans bei diesem Unterfangen helfen. Capon will hierzu Karolina ein für ihn wertvolles Erbstück schenken, was leider zuvor abhandengekommen ist – er hat es verspielt. Heinrichs Job ist es, dieses wieder aufzuspüren und ihm zu bringen, wobei dies nicht die einzige Herausforderung dieses Auftrages ist, sondern mehr oder weniger nur den Anfang eines durchaus lustigen Story-DLC beschreibt.
Nachdem wir das Hauptspiel fertig entwickelt hatten, haben wir uns anschließend Gedanken darum gemacht, was dem Spiel noch hinzugefügt werden kann. Die Frage, was die Spieler interessiert, war federführend für die Findung weiterer Inhalte. Die Wünsche lagen offen, denn viele äußerten etwa ein eigenes Dorf verwalten beziehungsweise aufbauen zu können. Die gerade eben kurz vorgestellte, zweite Erweiterung versucht dem Wunsch nach mehr Geschichtsinhalten, Aufgaben und so weiter nachzukommen. Circa fünf bis zehn Spielstunden dürften dies sein. Die Figur Hans Capon haben wir deshalb gewählt, weil er einer der beliebtesten Charaktere im Spiel ist, sodass der Spieler mehr mit diesem unternehmen kann. Weil wir zu jeder kostenpflichtigen Erweiterung immer etwas Kostenloses ebenfalls einstreuen wollen, beinhaltet diese Erweiterung einen sogenannten „Tournament Mode“, einen Turniermodus. Spieler treffen sich hierzu in der Stadt Rattay, um an dem alle sieben Tage stattfindenden Turnier teilzunehmen und Belohnungen zu erkämpfen. Dieses Turnier ist ebenfalls mit einer Quest verbunden, die sich um das Turnier und einem eigenartigen Mitstreiter dreht, der ständig, überproportional oft gewinnt, weshalb die Frage im Raum steht, warum dem so ist?
Kim Sofer Matthias Und wie groß ist die „Kingdom Come: Deliverance“ Community mittlerweile?
Tobias Stolz-Zwilling Allein abgeleitet an den Verkaufszahlen waren nach circa zwei bis drei Wochen eine Million Kopien verkauft worden, was wir als Entwicklerteam selbst nicht erwartet haben. Wir hatten zwar mit dieser Zahl geliebäugelt, wetteten gar in Meetings darum, wann diese Marke fällt, aber dass dies entgegen den Schätzungen von einem halben oder dreiviertel Jahr so schnell geschehen würde, war nicht abzusehen. Mit den neuen DLCs wuchs die Anhängerschaft nochmals, wobei ich dir keine exakte Zahl nennen kann. Bevor wir „Kingdom Come: Deliverance“ veröffentlicht hatten, lag die Zahl summa summarum (Kickstarter, Foren und so weiter) bei circa siebzigtausend Personen. Wir bekommen im Speziellen sehr viel Feedback von unseren Kunden, was hinsichtlich der Entwicklung und Verbesserung von Inhalten sehr hilfreich ist. Sogar Historiker und andere, die sich in ihrer Freizeit mit dem Mittelalter eingehender beschäftigen, melden sich bei uns. Dadurch entstehen ab und zu sehr inhaltsintensive Gespräche und müssen sogar ab und an bremsend erklären, warum wir nicht derart akkurat dem historischen Wissen entlang optisch visuell arbeiten. Es entstand und entsteht somit durch die Community ein Dialog, der längerfristig den Feinschliff des Videospiels repräsentiert: „Kingdom Come: Deliverance“ bleibt unsere Interpretation einer mittelalterlichen Welt ohne groß in die Fantasie zu gehen und das wird auch so akzeptiert.
Kim Sofer Matthias Lasst ihr euch von den Inhalten des Mittelalters inspirieren oder ist eher die Fangemeinde die Inspirationsquelle für die nähere Zukunft?
Tobias Stolz-Zwilling Beides. Im Moment kommt eher wenig Neues dazu. Alle DLCs, die wir veröffentlichen, haben etwas mit den Inhalten des Hauptspiels zu tun. Momentan wird nichts gänzlich Neues entwickelt. Das heißt, dass es momentan tatsächlich beides ist. Wir wollen etwa Turniere ermöglichen, fragen diesbezüglich bei unserer Historikerin im Team nach, wie man sich dies im 15. Jahrhundert vorstellen kann, gleichzeitig erhält das Entwicklerteam Feedback von den Spielern; es ist eine Mixtur aus beidem. Weil das Spiel in seinen Grundfesten steht, geht es nun um die Feinheiten. Man muss vorsichtig sein, weil nicht jeder Wunsch der Spieler, die sehr gerne in gigantischen Maßen denken, erfüllbar ist. Mit einhundert Entwicklern muss jedes gesteckte Ziel letztendlich auch machbar sein. Das setzt Grenzen, die wir nicht sprengen können. Ergo: Kleine Schritte aber stetig voran.
Kim Sofer Matthias Wie zufrieden ist das Entwicklerteam hinsichtlich der Passung von Vorstellung und Umsetzung des Projektes? Gibt es einige Bereiche, auf die man eher etwas zähneknirschend schaut oder gar welche, die besser aus Entwicklersicht funktionieren als konzipiert?
Tobias Stolz-Zwilling Am Tag der Veröffentlichung wurden einige Fingernägel kürzer geknabbert. Die Tests der verschiedenen Videospielmagazine folgten schlagartig aufeinander und zeigten kein wirklich einheitliches Bild, sondern gingen viel mehr gen hohe Varianz. Die meisten, die Kritik am Spiel übten, monierten, dass das Spiel noch sehr fehlerbehaftet war, was absolut fair ist, weil wir „Bugs“ auch nervtötend finden. Allerdings hatte kaum ein Kritiker Probleme mit dem Konzept, dass es etwa lahm oder unausgegoren sei. Das war und ist für uns als Entwickler wichtig und erleichternd gewesen. Das Konzept ging auf und wir konnten das Zähneknirschen, die Bugs in Ruhe angehen.
Kim Sofer Matthias Die Frage nach dem Nächsten stellt sich immer sofort nach dem Abschluss eines Projektes: Wohin driftet Kingdom Come Deliverance? Ist das erste Spiel ein Asset- und spielmechanisches Sprungbrett für weitere Titel?
Tobias Stolz-Zwilling Selbstverständlich! In der Sprache der Videospielindustrie ist „Kingdom Come: Deliverance“ eine neue IP. Die Tatsache, dass das Spiel ein Kassenschlager wurde, ermöglicht uns nicht nur sämtliche Versprechen der Kickstarterkampagne nach und nach einzulösen, sondern können uns in Ruhe auf das Spiel fokussieren, ohne dass die Frage der Finanzierung bedrohlich über dem Kopf aller Teammitglieder schwebt. Was danach kommt, kann ich jetzt nicht sagen, weil dazu gar keine Pläne oder Gedanken existieren. Aber: Es bietet sich an.