Die Diskussionen ob des Mehrspielerpotentials von „Ryse: Son of Rome“ (Crytek, 2013) als intensives Schwertkampfspiel waren nur noch schemenhaft im Gedächtnis verhaftet, als auf der Gamescom 2016 ein Termin bei Ubisoft anstand: „For Honor“ lautete das Projekt, das man in einem engen Zeitraum Ende Januar 2017 in Mehrspielerunden im vier gegen vier, zwei gegen zwei oder im Duell in einer „Closed Beta“ Phase austesten durfte. Schwertkampf als Spiel löste intentional nicht viel Begeisterung aus, obwohl während der Einführung, das heißt im Tutorial die Gedanken und impliziten Wünsche, die man einst an den Mehrspieler von „Ryse“ stellte, in den Vordergrund rückten. Wirklich interessant wurde es erst, als die Komplexität und die Gedanken, die laut Ubisofts Entwickler in „For Honor“ eingeflossen sind, vorgestellt wurden, denn diese deckten sich überraschender Weise durchaus mit denen, die einst mit Rasmus Kriest im Konjunktiv diskutiert wurden.
Erschienen am
14. Februar 2017
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Ist das Spiel wirklich das Gedachte?
Fast fünfzehn Jahre schrauben bereits Creative Director Jason VandenBerghe und Kollegen an diesem Projekt, das auf der E3 2015 erstmals in Teilen der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Schwertkämpfe sind, wie jeder Nahkampftypus, ein Duell, indem es auf Agilität, Reaktion, Koordination, Konzentration und Kreativität ankommt. Abseits der „Dark Souls“ Reihe (zuletzt „Dark Souls 3“, 2016) oder eines „Mount & Blade“ (TaleWorlds Entertainment, 2007) verkommen viele der Schwertkampfspiele zu einem wahren und gleichzeitig unsinnigen Tastenhämmern, sodass die Idee und Intensität des Duells zunichtegemacht wird. In genau jene Kerbe möchten die Entwickler von Ubisoft schlagen: Pures Können am Kontroller anstatt Ausrüstungsschlachten sollen „For Honor“ zu einem Erlebnis machen.
The „Art of Battle“
Ritter, Wikinger und Samurai – die drei großen Soldatentypen des Mittelalters sollen in ihren Kampfstilen imitiert werden. Die Entscheidung, welcher Kampfstil für einen passend erscheint, ist, so VandenBerghe, bereit beim Lesen der drei Namen gefallen. Ohne zu wissen, was sich hinter den Mechaniken verbirgt, werden instinktiv Ideen freigesetzt, die ähnlich den eigenen Vorstellungen umgesetzt wurden.
People who are picking knights, you’re usually talking about being a defender, standing up for what is right. People who pick vikings are usually about freedom and expression – fighting for passion. People who pick samurai are about discipline, mastery. So what’s the game about? It’s about you.
– Jason VandenBerghe
Gewiss ist „For Honor“ nicht das erste, sich auf den Mehrspieler fokussierende Schwertkampfspiel und dennoch zeichnet es sich dadurch aus, dass es neue Wege versucht zu gehen, um dem Spieler einen Schwertkampf förmlich in die Hand zu legen. Das Konzept namens „Art of Battle“ soll eine Kombination aus all dem, was ein Duell ausmacht. Entstanden nach dem Besuch eines Dojos versuchte VandenBerghe die gesehenen beziehungsweise gelernten Angriffsstellungen, Schläge und Ausweichbewegungen in ein Videospiel umzusetzen. Der rechte Stick des Kontrollers sollte zur führenden Schwerthand werden, sodass die Intensität eines Nahkampfes zumindest ansatzweise in einem Schere-Stein-Papier Spiel transportiert werden konnte: Die Duellierenden haben die Möglichkeit, drei verschiedene Grundhaltungen einzunehmen. Der sich in der Defensive Befindende muss die gleiche Kampfstellung innehaben, um den Schlag zu parieren. Konterattacken, das Brechen der gegnerischen Verteidigungshaltung, Ausweichmöglichkeiten, aus klassischen Kampfspielen bekannte Aktionslisten für kombinierte Attacken sowie schwere und schnellere, leichte Schläge komplettieren das System. So glorreich die Idee auch schien, sooft biss VandenBerghe zunächst auf Granit – für über 10 Jahre und dies, weil der Idee eine zweite Komponente fehlte, denn von einem Schlachtfeld, einem Kontext, indem das Ganze stattfinden soll, war noch keine Rede.
Neben dem Fokussieren gegnerischer Spieler soll man die Umgebung zusätzlich im Blick haben. Zum einen deshalb, weil Abgründe, schmale Brücken oder Podeste zur echten Gefahr werden können, oder aber enge Gänge das Schwingen großer Schwerter erheblich erschweren. Zum anderen betteten die Entwickler das Duellieren neben den klassischen eins gegen eins und zwei gegen zwei Duellen in eine Schlacht ein, dem sogenannten „Dominion“ Modus: Als Unterstützer der eigenen Armee knallen zwei Streitmächte gespickt mit jeweils vier Spielern aufeinander mit dem Ziel, drei Kartenpunkte solange wie möglich zu halten, um als erstes Team eine gewisse Punktzahl zu erreichen. Die sich nach Erreichen der Punktegrenze anschließende Jagd auf die vier Gegenspieler zum Beenden der Spielrunde komplettiert ein durchdachtes und überraschend gut ausbalanciertes Spielkonzept, obwohl Balancekiller wie Ausrüstungsgegenstände und sogenannte „Perks“ (Boni wie kurzzeitige Heilung und so weiter) im Spiel integriert sind. Der Fokus liegt stark auf dem, was das Spiel transportieren will, dem Können am Controller.
Ver- oder zerschmilzt eine Kampagne im Spiel?
Es ist eine Kunst, einen ausbalancierten Nahkampf-Mehrspieler Modus zu entwickeln, aber es ist eine gänzlich andere Herausforderung, eine Geschichte spielerisch zu erzählen. Drei Fraktion unterschiedlicher Kulturen, die historisch gesehen nie in dieser Form aufeinandertrafen, und deren Protagonisten, die im Mehrspielermodus nicht mehr als Axt und Schwerter schwingende Soldaten sind, müssen nun einer gewissen Tiefe den Menschen auszeichnende Elemente transportieren, um Identifikation und Spannung zu kreieren. Für Jason VandenBerghe befinden sich Krieger in einem Dilemma, denn sie haben auf der einen Seite eine Aufgabe zu erfüllen, was allerdings Eigenschaften verlangt, die auf der anderen Seite dem diametral entgegengestellt ist, was diese Krieger vornehmlich sind: Menschen. Für VandenBerghe ist dieser innere Konflikt in seinem kreierten Szenario auch auf kultureller Ebene existent, kämpfen Wikinger, Ritter und Samurai jeweils aus guten Gründen der Herkunft und Überzeugung für ihre Fraktion beziehungsweise Kultur.
If you could see the world from their perspective you would agree with them. You would go: „Yeah, they got a good point.“.
– Jason VandenBerghe
Der Krieg als Tragödie, die damit verbundene Frage nach einem sofortigen Stopp und warum dieser nicht eintritt, sollen zentrale Aspekte der Kampagne sein, um eine Welt entstehen zulassen, die mit Konflikten und Spannungen durchdrungen ist, die die Maschinerie des Krieges am Leben erhalten. Die Idee und das Thema ist nicht neu, denn jedes Kriegsepos transportiert diese Problematik mehr oder weniger sichtbar durch dessen Handlung. Und dennoch ist die Frage danach, welche der drei vorgestellten Kulturen die dominante war, interessant. Die Probe hierzu soll durch eine Katastrophe aufgestellt werden, die die drei über Jahrhunderte gewachsene Kulturen an den Rand ihrer Existenzen bringt. Unfreiwillig, erzwungen durch diese Umwälzung entstehen Konflikte, weil die Suche nach einer sicheren Existenzgrundlage die drei Fraktionen unausweichlich ineinander rennen lässt.
So schön sich das Ganze auch lesen mag, so ist doch zu bezweifeln, dass dieses Konzept – das im Übrigen ein komplett für sich stehendes Spiel sein könnte – in Gänze packend umgesetzt wird. Abstriche sind gewiss wegen zeitlicher und technischer Gründe zu machen, denn die Kampagne ist nicht Kern und Stärke des Spiels und auch das Zeitpensum, das in die Entwicklung der Kampagne floss, war nicht das größte der gesamten Produktion. Auf der Kampagne klebt bisher ein großes Fragezeichen, denn weder die geschlossene Beta-Phase noch das PR-Marketing haben bisher diesen Teil des Spiels hochgehalten.
Immerwährendes Damoklesschwert
„For Honor“ ist im Kern herausragend, weil es Mechaniken integriert, die am Controller gut funktionieren, überraschend schnell, weil intuitiv erlernbar sind und dies trotz den hohen Ansprüchen, die an die Finger gestellt werden. Ausgestattet mit verschiedenen, distinkten Kämpferklassen, die innerhalb jeder Fraktion verschiedene Kampfstile (Defensiv vs. Offensiv, Konter vs. Angriff, Reaktiv vs. Proaktiv, Kraft vs. Agilität und so weiter) repräsentieren, bietet das Spiel genug Tiefe, um längerfristig zu binden. Die „Beta“ war vielversprechend und konnte in vielen Punkten überzeugen. Jeder der drei vorgestellten Mehrspielermodi funktionierte spielmechanisch gut, obwohl das „Art of Battle“ Konzept seine Stärken eindeutig im Duell und somit nicht im Gewusel einer Schlacht hat. Intensität, Fairness und Abwechslung liefert das Spiel auf akzeptablem Niveau, selbst wenn man nicht mit Freunden spielt oder gar innerhalb des eigenen Teams nicht kommuniziert. Das große „Aber“ liegt darin, dass es sich extrem auf den Mehrspielermodus stützt und das trotz optionalen „PvE“ und „Splitscreen“ Modi. Das heißt, es braucht eine gewisse Anzahl an gleichzeitig Spielenden, damit es sein Potential entfalten kann. Andernfalls verbleibt das Spiel auf einem Niveau, das ihm nicht gerecht wird. Im Übrigen ist die integrierte KI, die freie Plätze auffüllen sollen, wenn überhaupt nur gegen Neulinge konkurrenzfähig und somit keine langfristige Alternative, sollten nur wenige „For Honor“ spielen.
Warum eine Kampagne integriert wurde, ist nur bedingt ersichtlich, denn abseits dem immerwährenden Klagen, dass Vollpreisspiele unbedingt eine Kampagne besitzen müssen, wirkt es trotz allem, was bisher bekannt ist, etwas aufgesetzt. Die Idee des Spiels ist klar auf den Mehrspielermodus ausgelegt. Die Spielmechaniken, die sich hinter dem „Art of Battle“ Konzept verbergen, können nur im Duell wirklich glänzen, weil sie aus dessen Natur entsprungen sind. Eine Kampagne, die mit Sicherheit darauf ausgelegt sein wird, Action geladene Szenen am Fließband zu liefern, passt nicht wirklich ins Bild. Ein Duell besitzt für Beobachter aber auch für die Involvierten etwas Ruhiges beziehungsweise Konzentriertes, das letztendlich die Spannung generiert, das heißt sie knistern lässt. Eben diese Fokussierung auf den Gegner ist der Reiz des Spiels und nicht Massenschlachten sowie opulente Szenerien, in denen so viel gleichzeitig passiert, dass ein Überblick schwer zu erhalten ist.