Randy Varnell Die Liebe zum Kompetitiven und die Idee des kompletten Verlusts

Hannes Letsch12 Minuten Lesezeit

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Randy Varnell kam über einen Quereinstieg zur Spieleindustrie, der mit einem Abschluss in Religionswissenschaften begann. Nach einigen Zwischenstationen ist er seit März 2009 bei Gearbox und übernahm dort die Rolle des Creative Director. In einer kleinem Raum nach der Präsentation des Spiels „Battleborn“ wurde das Smartphone in die Mitte gelegt und es begann ein Gespräch über das, was gerade eben von ihm präsentiert wurde.

Wer spricht hier eigentlich?

Randy Varnell kam über einen Quereinstieg zur Spieleindustrie, der mit einem Abschluss in Religionswissenschaften begann. Nach einigen Begegnungen mit Design und Dokumentation von Grafiksoftware machte er bei Ensemble Studios seine ersten echten Erfahrungen der Qualitätssicherung von „Age of Mythology“ (2002) . Da er die Industrie zwar liebte, sich jedoch nicht wirklich ausgelastet fühlte, nahm Varnell eine Position in der Versicherungsbranche an. Als Varnell bereits kurz davorstand, seinen Willen sich kreativ zu betätigen, komplett aufgebraucht zu haben, zog es ihn zurück in die Spieleindustrie. Diesmal zu MumboJumbo, wo er die zuerst die Qualitätssicherungsabteilung anführte, aber bereits in den ersten Monaten Produktionsleiter wurde. In seiner Zeit dort haben Randy Varnell und seine Mitarbeiter an weit über fünfzig Spieleprojekten gearbeitet. Seit März 2009 arbeitet er bei Gearbox und übernahm dort die Rolle des Creative Director.

Hannes Letsch Hannes Letsch Welche Ideen oder Umstände haben das Team von Gearbox dazu bewogen, dieses Projekt zu starten und umzusetzen?

Randy Varnell Randy Varnell Mehrere Ideen führten zu „Battleborn“: Während ich als Design Producer an „Borderlands 2“ (2k Games, 2012) arbeitete, kamen im Team Ideen auf, die mit dem Konzept des Spiels nicht vereinbar waren. Beispielsweise gab es seit längerem die Idee Schwert- beziehungsweise andere Nahkämpfer in die Serie zu integrieren. Außerdem lieben wir bei Gearbox die Entwicklung von Charakteren sowie das Kompetitive. Wir wollten ein Spiel machen, das auch den PvP-Aspekt (Spieler gegen Spieler, Anm. d. Red.) wieder berücksichtigt, nur mit dem Konzept „Borderlands 2“ war das Ganze nicht vereinbar. Es war schlichtweg nicht möglich einen Schwertkämpfer in „Borderlands 2“ zu integrieren, denn das Spiel basierte aus unserer Sicht klar auf Shooterelementen; alles andere als das Schießen selbst ließ das Projekt nicht zu.

Zudem wollten wir die Charaktere, die Spielfigur an sich ins Zentrum stellen, während der vorherige Fokus klar auf den Waffen lag. In „Borderlands“ bewegten sich abseits von kleinen Animationsvariationen alle Charaktere gleich schnell. Es reizte uns, das Experiment zu starten, um zu sehen, was für ein Spiel entsteht, wenn dies nicht mehr der Fall ist. Was passiert, wenn man beispielsweise einen recht schwerfälligen, wuchtigen, riesigen Charakter wie Montana mit über 3,5 Meter Größe in ein Spiel zusammen mit sehr grazil und agilen Charakteren schmeißt? Das Gearbox Team liebt es, Charaktere zu entwickeln, sodass für uns klar war, dass wir letztendlich Spielfiguren erschaffen wollten, die so charismatisch sind, dass jeder Spieler sich mit einem der Charaktere identifizieren kann. „Battleborn“ entstand also aus einem Zusammentragen verschiedener Ideen und Konzepte, die zwar existierten, aber in den bisherigen Spielen so nicht zusammengeführt werden konnten.

Hannes Letsch Hannes Letsch Die Grafik, das Visuelle ist im Vergleich zu vielen anderen First-Person-Shootern, die stark auf Realismus setzen, anders. Was sind die Gründe für dieses Design? Geht es hier nur um Geschmack oder steht noch mehr dahinter?

Randy Varnell Randy Varnell Es ist vor allem eine Frage des Geschmacks. Für das erste „Borderlands“ hatten wir zunächst angedacht, die Grafik nahe am Realen zu halten. Allerdings harmonierte nicht das, was auf Papier wunderschön gezeichnet vorgegeben wurde, mit dem, was im Spiel zu sehen war. Gleichsam wollten wir aber die Konzeptgrafiken in jedem Fall beibehalten. Das, was auf dem Papier zu sehen war, sollte auch perfekt im Spiel umgesetzt werden und die gleichen Eindrücke vermitteln. Wir mussten also umdenken und entschlossen uns damals, das Visuelle komplett neu zu erstellen und blieben seitdem auch bis diesem Design.

Hannes Letsch Hannes Letsch Was sind die Hauptelemente beziehungsweise Alleinstellungsmerkmale von „Battleborn“, auch im Hinblick auf ähnliche Werke wie beispielsweise Blizzards „Overwatch “ (2016)?

Randy Varnell Randy Varnell Zum einen gibt es im Bereich des Spielkonzepts einige Unterschiede: Hier sei beispielsweise auf das Helixsystem verwiesen: Rein rechnerisch sind pro Charakter 1024 verschiedene Kombinationen möglich. Grob gesagt erlaubt das System, dass der gleiche Charakter auf verschiedene Weisen gespielt werden kann: Ob nun eher offensiv oder defensiv entscheidet der Spieler. In jedem Fall kann er sich auf die Bedürfnisse seines Teams besser einstellen. Nebenbei bekommen die 25 Charaktere mit ihren verschiedenen Fähigkeiten nochmal zusätzlich mehr Varianz. Eine Spielmechanik in dieser Art hat „Overwatch“ nicht.

Außerdem bietet „Battleborn“ eine gewisse taktische Tiefe: Die PvP-Spielmodi sind nicht nur darauf ausgelegt, sich gegenseitig zu bekämpfen. Wir hatten zum Beispiel vorher ein Match, in dem das eine Team sehr viele „Kills“ hatte, sich aber darin verlor und nur darauf aus war, das andere Team auszuschalten. Sie verloren das eigentliche Ziel, die „Minions“ ins Portal zu geleiten, aus den Augen. Das gegnerische Team hatte zwar keine berauschend gute Statistik vorzuweisen, gewann aber trotzdem mit einigem Abstand.

Was uns vor allem absetzt von den anderen ist, dass wir einen Einzelspielermodus und Coop- Kampagne mit Battleborn anbieten, die eine ganze Geschichte erzählt. Wir haben viel Arbeit darein investiert, die Charaktere auch passend auf die Kampagne auszurichten und schickten sie mehrfach durch die gesamte Handlung, während sie verschiedene Aufgaben zu bewältigen hatten, um die Geschichte interessant zu halten. Die Kampagne ist ein großer Teil unseres Spiels- so etwas besitzt „Overwatch“ nicht.

Hannes Letsch Hannes Letsch Solo-Kampagnen bauen stark auf Geschichten auf, die einzigartig sein sollten, um zu fesseln. Wie schwer ist es heutzutage noch, eine interessante Geschichte zu erzählen?

Randy Varnell Randy Varnell Es ist sicherlich nicht einfach, eine Geschichte zu erfinden; es nimmt viel Zeit in Anspruch, bevor eine interessantes Narrativ fertiggestellt ist. Ich selbst lese sehr viel Science-Fiction- und Fantasy-Romane und letztendlich könnte man in fast jedem Spiel auf eine Einzelheit der Geschichte oder einen Charakter zeigen und darauf hinweisen, dass dieser auf etwas bereits Existierendem fußt. Man könnte prinzipiell eine Art Hierarchiebaum erstellen, um zu zeigen, welche Geschichte auf welchen anderen Erzählungen und Büchern basiert. Das Ganze geht zurück bis J.R.R. Tolkien († 1973) oder im Bereich der Science-Fiction bis zu Romanen wie „20.000 Meilen unter dem Meer“ von Jules Verne (1869 – 1870). Wir schauten uns in diesem sehr großen Fundus an bereits existierenden Ideen und Geschichten für „Battleborn“ um - wir wollten mehrere Charaktere implementieren und suchten nach einem Grund, wofür sie kämpfen könnten.

Wir lernten beispielsweise von „Game of Thrones“: Der Serie gelingt es sehr gut, verschiedene Fraktionen vorzustellen und darauf aufbauend Konflikte entstehen zu lassen, die packend sind. Im Bereich der Science-Fiction kann die Idee des Endes des Universums eigentlich aus jeder modernen Wissenschaftsarbeit im Bereich der Astronomie herausgelesen werden: Basierend auf dem Konzept der Entropie und der Ausdehnung des Raumes altert jeder Stern vor sich hin bis er irgendwann nicht mehr existiert. In jedem Fall wird es aber einen Zeitpunkt geben, wohlmöglich viele Millionen Jahre später, an dem keine neuen Sterne mehr entstehen und das Universum beginnt, auszusterben.

Diese Idee nahmen wir auf und modifizierten sie etwas. Es ist sicherlich kein absolut neues Konzept, aber die Geschichte spielt mit der Angst des kompletten Verlusts: Das Science--Fiction-Setting erlaubt es uns, dass die verschiedenen Fraktionen, Rassen und Populationen aufgrund des Fortschritts der Wissenschaft per Raumschiff zusammenfinden können. So haben wir eine gute Existenzbegründung für unsere verschiedenen, distinkten Charaktere gefunden. Damit eröffnete sich uns aber gleichzeitig die Möglichkeit, viel tiefer zu gehen. Wir konnten nun für jeden einzelnen Charakter aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft, interessante, distinkte Hintergrundinformationen und Schicksale erzählen. Wir steckten sehr viel Zeit in jeden einzelnen Charakter und arbeiteten hart daran, jeden einzelnen auf eine gewisse Art lieben zu lernen.

Das ist mit einer der Hauptgründe, warum Spiele mit Charakteren so beliebt sind. Jeder mag Charaktere mit einer Vergangenheit oder einer herausragenden Persönlichkeit. Wenn ich beispielsweise „Mario“ oder „Samus“ sage, so triggert das Erinnerungen beim Spieler und er denkt vermutlich gerne daran zurück.

Hannes Letsch Hannes Letsch Gibt es Synergieeffekt zwischen einzelnen Charaktere oder kämpft jeder mit seinen Fähigkeiten in einer Gruppe zusammen? Gibt es vielleicht sogar Fähigkeiten, die stapelbar sind?

Randy Varnell Randy Varnell Fähigkeiten wie etwa Schadensbooster, die von verschiedenen Charakteren zusammengefügt werden können, sind im Spiel nicht vorhanden. Die Synergie von „Battleborn“ lässt sich beispielsweise am Konzept des „Schildes“ gut zeigen: Durch das Abschotten / Beschützen mit einem Schild kann derjenige, der großen Schaden austeilen kann, selbst aber nicht viel Leben hat, am effektivsten sein. Diese gegenseitige Ergänzung findet sich öfters in „Battleborn“. Allerdings profitiert nicht nur derjenige davon, der die Gegner ausschaltet: Beide Teammitglieder wachsen während des Spielens dadurch, dass sie ihre Fähigkeiten zu einer spielenden Einheit vereinen.

Hannes Letsch Hannes Letsch Eindrucksvoll ist die Idee, rundenbasiertes Leveling einzuführen anstatt auf ein stetiges System zu bauen: Was sind die Gründe hierfür und wo sind die Stärken und Schwächen dieses Systems? Ist es heutzutage noch möglich, gegen den Strom zu schwimmen und trotz fehlendem Leveling eine Langzeitmotivation aufzubauen.

Randy Varnell Randy Varnell Das Förderliche an der Integration von RPG-Elementen ist, dass es ziemlich gut mit den gewöhnlichen Spielrundenlängen von circa dreißig Minuten zusammenpasst und einen sehr starken Spielspaßfaktor verkörpert: Jedes Mal, wenn der Spieler eine Handlung ausführt, bekommt er im Gegenzug eine Belohnung. Wird ein Gegner ausgeschaltet, erhält man Erfahrungspunkte, öffnet man ein Behältnis oder zerschießt es, bekommt man Loot. Damit spürt der Spieler während jeder einzelnen Runde, dass er stärker wird, also erfolgreich ist.

Es ist durchaus so, dass man mit einem Support-Charakter nicht derjenige ist, der alle Gegner der Reihe nach ausschaltet, und trotzdem wird man belohnt, indem man seine Aufgabe abseits des Schießens gut erledigt und so sein Team zum Sieg führt, obwohl man selbst keine Gegner zur Strecke gebracht hat. Gleichsam spornt es natürlich den Spieler und seinen Kontrahenten mit ähnlichen Charakteren dazu an, immer besser zu werden, wobei das rundenbasierte Levelsystem Fehler erlaubt, denn nach jeder Runde kann von Neuem begonnen werden und man kann darauf reagieren, was zuvor nicht so gut lief.

Hannes Letsch Hannes Letsch Fünf vs. fünf mit „Minions“, das klingt ein wenig nach „League of Legends“ (Riot Games, 2009): Steckt davon auch was drin?

Randy Varnell Randy Varnell In gewisser Weise ja, wobei wir uns abseits von „League of Legends“ auch andere Spieltitel wie „Dota 2“ (Valve, 2013) oder „Smite“ (Hi-Rez Studios, 2014) angeschaut haben. „League of Legends“ setzte vor allem das Kompetitive sehr gut um beziehungsweise hat sehr viel davon in die Community mithineingebracht. Dieser Aspekt hat uns sicherlich auch beeinflusst.

Hannes Letsch Hannes Letsch Balancing: Es gibt verschiedene Areale, die nur durch bestimmte Klassen erreicht werden können. Inwiefern muss das Balancing eines kompetitiven Spiels besonders angepasst werden.

Randy Varnell Randy Varnell (lacht) Das Problem ist im Team als das „Caldarius Problem“ bekannt. Abseits von Caldarius gibt es auch andere Charaktere wie etwa Benedict, der aufgrund seiner Flugmöglichkeiten sehr agil ist. Zu Beginn seiner Entwicklung hatte er beispielsweise die Fähigkeit, im Flug mehrfach seine Flügel zu schlagen, um sehr lange in der Luft verbleiben zu können oder fernab des Geschehens im Rücken der Gegner zu landen. Wir erkannten, dass das ziemliche Balancing-Probleme mit sich bringen würde, weil nur wenige Charaktere wie er damit die Möglichkeit haben, in der Luft zu bleiben und über allem zu schweben - wobei Benedict zusätzlich dazu noch einen Raketenwerfer besitzt. Das Problem wurde in diesem Fall so gelöst, dass Benedict nach dem ersten Sprung nun nur noch in der Lage ist, eine kurze Distanz zu gleiten.

Das Balancing ist insofern besonders, als dass wir neben dem vielen hilfreichen Feedback kontinuierlich Daten live über Spielausgänge und die einzelnen Charaktere sammeln und auswerten. Mittlerweile sind es zweieinhalb Jahre, in denen wir immer und immer wieder die Charaktere anpassen und mit verschiedenen Prototypen experimentieren, um ein Gleichgewicht zwischen allen Charaktere zu garantieren.

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